Wenig Fläche – viel Wohnqualität

Tief verschneit, zeigt sich das Tinyhouse in seinem ersten Winter auf dem Schamserberg. Bild: Daniela Kienzler

Tinyhouse.  Statt für einen Anbau entschieden sich die Betreiber der Pensiun Laresch in Mathon für ein freistehendes Appartement. Aussen und innen sind Fichten aus dem Wald von Andeer das Baumaterial der Wahl – geschlagen bei abnehmendem Mond vor Weihnachten 2019.

Vor bald sieben Jahren erfüllten sich Marianne Peyer und Lukas Hug einen Traum. In Mathon, einem kleinen Dorf am Schamserberg in der Region Viamala, eröffneten die beiden ein Gästehaus, die Pensiun Laresch. Die Pension Lärche, wie das stattliche Haus am Dorfrand auf Deutsch heisst, stiess auf viel Resonanz, sodass sich den Gastgebern schon nach kurzer Zeit die Frage nach einer Vergrösserung stellte. «Wir prüften mehrere Varianten und stiessen dabei auf das Projekt Cauma von Thomas Furter», erklärt Lukas Hug. Furter, Architekt aus dem Zürcher Oberland, hatte schon verschiedentlich im Kanton Graubünden gearbeitet. Vor einigen Jahren entwarf er für die Wirtschaftsförderung der Surselva einen Holzbungalow zur flexiblen Vergrösserung des Campingplatzes in Trun. Das Projekt versandete später zwar, doch die Idee der Cauma blieb: kleine, raumoptimierte Häuser aus lokalen Naturbaustoffen wie Holz und Lehm zu bauen. «Der Ansatz ist sehr gut angekommen und erhielt damals sogar einen Preis», sagt Architekt Furter.

Was mit der Wohnbox als Übungsanlage begann, fand mit dem Tinyhouse in Mathon nun eine erste Umsetzung. Seit Oktober ergänzt das freistehende Appartement mit 22 Quadratmetern Wohnfläche das Angebot der Pensiun Laresch. Wie ein Bergkristall prangt es auf einem Felssporn vor der Pension, wo es auf das Dorf Mathon und in Richtung Hinterrhein blickt. Form und Lage stellen einen Bezug zum Haupthaus her, das – für die Gegend untypisch – im Engadiner Stil gebaut ist.

Teilfinanzierung über Crowdfunding

«Wer ein Tinyhouse baut, baut individuell», sagt Architekt Furter. Weil alles, was man gemeinhin zum Wohnen benötigt, auf möglichst kleinem Raum vorhanden sein sollte, sind Optimierung und Kompromisse gefragt. Der Prozess bis zum Baubeginn ist entscheidend, umso mehr, als Banken für solche Projekte im Gegensatz zu konventionellen Bauvorhaben kaum Kredite gewähren. Die Besitzer der Pensiun Laresch setzten für die Finanzierung deshalb mit Erfolg auf Crowdfunding – und sie zeigten Mut: Die Fichten für das neue Gebäude schlugen die Förster im Schutzwald von Pigna bei Andeer, noch bevor die Finanzierung gesichert war.

Dem Architekten und der Bauherrschaft war die Verwendung von Naturbaustoffen und im Speziellen von Mondholz ein zentrales Anliegen. «Die Fichten suchten wir mit der Försterin aus. In der Zeit vor dem Leermond im Dezember 2019 wurden die Bäume geschlagen», sagt Architekt Furter. Schon im Sommer darauf fand das Holz Verwendung für Konstruktion und Innenausbau. «Es wies noch 20 Prozent Restfeuchte auf, als es im März aus dem Wald kam», sagt der Architekt. Als Partner an Bord waren unter anderem die Mani Holzbau GmbH in Andeer und die TM Schreinerei AG in Zillis. Sogar fürs Zusägen der Stämme fand sich ein örtlicher Partner. «Ein Kollege von Zimmermann Dimi Mani betreibt als Hobby eine Gattersäge», berichtet der Architekt.

Regionaler Ansatz hat überzeugt

Gion Michael ist Inhaber und Chef der Zilliser TM Schreinerei. Rückblickend ist er begeistert vom Projekt. Der Betrieb arbeitet zwar viel mit Massivholz. Viel Erfahrung beim Verarbeiten von Mondholz gabs aber nicht, was zunächst etwas Skepsis hervorrief. Weniger das Material an sich war Neuland, sondern das Timing innerhalb des Projektes. «Meistens hat man ja keine Zeit, aber die Arbeit mit Mondholz braucht etwas Vorlauf», sagt Michael. Angefangen beim rechtzeitigen Holzeinschlag über das Sägen bis hin zur Verarbeitung. Doch das Resultat überzeugt ihn und sein Team. Bauherrschaft und Architekt legten bei der Materialwahl viel Wert auf Regionalität, etwas, das man sich von der Kundschaft nicht gegewohnt sei. Dabei seien kurze Wege und regionale Wertschöpfung doch sehr wichtig. Und ja, die Arbeit mit Vollholz sei halt schon etwas anderes als die mit Platten.

Die Bretter für die Täfelung sind nicht gefast, doch es zeigen sich auch in der Heizperiode keine störenden Spalten im Bild des Innenausbaus. Für Architekt Furter klar ein Verdienst des verwendeten Mondholzes, das als formstabil gilt. Türen, Fronten, Schubladen, alles ist aus dem Vollen gearbeitet, wo nötig mit Gratleisten aus Hartholz verstärkt. Die Heizung wird vom Haupthaus her gespiesen und ist in einer Wand aus Lehm untergebracht, auch hier ein Naturbaustoff. Für die Isolation fand Schafwolle Verwendung. «Das zunächst verwendete Material mussten wir wieder herausreissen lassen, weil es mit Plastikkügelchen durchsetzt war, um die Dämmplatten zu stabilisieren», berichtet der Architekt. Bei einem österreichischen Anbieter fand sich dann im letzten Moment noch eine naturreine, gefilzte Dämmwolle. Wie es in der Holzwand aussieht, verrät ein Guckloch beim Eingang.

Eine Fassade voller Geigen

Es entschied sich erst während der Bauphase, dass die Fassade geschindelt werden soll. Da es dann schon zu spät war, um noch zeitgerecht Mondholz zu beschaffen, waren Alternativen gefragt. Die fanden sich bei einem Händler für Instrumentenholz. «Wir nutzten dafür Abschnitte von Fichten, die für den Geigenbau verwendet werden. Bestes Riftholz», sagt Furter. «Am Tinyhouse hängen nun Stradivaris», fügt er lachend an. Herausfordernd war die fachgerechte Ausführung der Fassade. «Wir haben uns im Appenzellerland unzählige Schindelfassaden angeschaut und daraus gelernt», sagt Furter. Etwa, dass die Fassade über den Fenstern leicht nach vorne kragt, um das Wasser abzuleiten.

Mit dem Tinyhouse aus regionalem Mondholz sind die Beteiligten mehr als zufrieden. «Unsere neue Unterkunft ist weit bis in den Herbst hinein ausgebucht», sagt Gastgeber Lukas Hug. Und Schreiner Gion Michael berichtet, wie er vor Weihnachten 2020 bei günstigem Mondstand das Holz für den geplanten Neubau der Zilliser Schreinerei schlagen liess.

www.bergschreiner.chwww.furterarchitektur.chwww.laresch.ch

Stefan Hilzinger

Veröffentlichung: 06. Mai 2021 / Ausgabe 19/2021

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