Wenn das Auge dicke Backen macht

Brandschutz in historischen Räumen ist oft ein massiver Eingriff. Bild: Christian Härtel

Brandschutz und Denkmalpflege.  Bei Arbeiten in denkmalgeschützten Gebäuden treffen zwei unterschiedliche Charaktere aufeinander: die Brand- und die Denkmalschutzexperten. Zusammen mit der Bauherrschaft müssen sie so manchen Konflikt lösen.

Die Bestürzung war gross, weit über Zürich hinaus. Das Feuer kam in der Nacht, schnell und mit zerstörerischer Wucht. Der obere Teil des Zunfthauses zur Zimmerleuten am Limmatquai brannte vollständig aus, der Dachstuhl stürzte ein und begrub dabei zwei Feuerwehrleute unter sich. Einer liess dabei sein Leben.

Das Ereignis vor mittlerweile fast elf Jahren war ziemlich präsent in den Medien und beschäftigte die Gemüter vieler Eidgenossen. Verantwortlich für die Katastrophe war einmal mehr ein technischer, genauer gesagt, elektrischer Defekt: die weitaus häufigste Ursache für Hausbrände. Brandherde wie das häusliche Holzfeuer oder das Rauchen bilden in der offiziellen Feuerstatistik regelrechte Minderheiten.

Brandmelder waren nicht installiert im denkmalgeschützten Gebäude. Die Feuerpolizei bestand nicht auf deren Installation, denn die Denkmalpflege wollte die Zunftsäle optisch nicht verunstaltet sehen. So kam es zur totalen Zerstörung, unwiederbringlich, auch wenn der spätere Wiederaufbau und die Rekonstruktion des Ganzen mit einer gehörigen Kraftanstrengung gelungen ist.

Vielschichtig und immer speziell

Das Beispiel aus Zürich zeigt viele Facetten der beiden Schutzanliegen: historisch wertvolle Bausubstanz erhalten und einen wirksamen Brandschutz ermöglichen. Mehr als zwei Welten stossen dabei aufeinander, nämlich in Form der unterschiedlichen Interessen des Bauherrn, der Denkmalpflege und des Brandschutzes. «Oft setzt sich dann der Brandschutz durch, was im Beispiel Zunfthaus leider nicht der Fall war», so Remo Altorfer, Gründer und Architekt von Umbau Zürich. Besser ist es freilich, wenn es Lösungen im Einvernehmen gibt. Das ist oft schwierig, weil die Denkweisen doch ziemlich unterschiedlich sind. Der Brandschutzexperte sieht vor allem das technisch Machbare zur Erreichung des Schutzzieles.

Der Restaurator denkt in anderen Kategorien, hat er doch weit grössere Zeithorizonte vor seinem geistigen Auge. Er will Dinge, die Hunderte Jahre überstanden haben, nicht durch den «vorübergehenden» Stand der Technik beeinträchtigt sehen. «Vielleicht schmunzeln die Menschen in hundert Jahren, wenn sie die heutigen, als alternativlos gesehenen Brandschutzmassnahmen bewerten», sagt Schreiner Hans Rentsch in Zürich, der zusammen mit den Lernenden der Baugewerblichen Berufsschule Zürich die durch den Brand zerstörte Holzdecke im grossen Zunftsaal zur Zimmerleuten rekonstruiert hat.

«Brandschutz ist auch eine Form des Denkmalschutzes, denn er kann nicht wieder gutzumachende Schäden an historischen Bauten verhindern», argumentieren die Spezialisten für Brandschutz. Das impliziert eine gewisse Vorrangstellung des Brandschutzes, die Restauratoren, Heimatschützer und Denkmalpfleger durchaus kritisch sehen. «Die Massnahmen dürfen die schützenswerte Substanz nicht zerstören. Eine in der Dicke aufgetrennte und dann zu einem Sandwichelement ertüchtigte Brandschutz- tür ist unwiederbringlich als historisches Element verloren», so Rentsch. Massnahmen zum Brandschutz seien natürlich sinnvoll, um historische Kulturgüter zu erhalten. Doch der Glaube, dass alles technisch lösbar sei, würde den Blick auf wichtige Fragen verstellen. Denn die meisten Kulturgüter gingen nicht durch Hausbrand verloren, sondern im «allgemeinen Betrieb, wie dem Abbruch». Damit wertvolle Stücke nicht durch Brandschutzmassnahmen zerstört würden, sei es sinnvoller, dem historischen Bauteil ein neues nebenan zu stellen, und so das Alte unangetastet zu lassen.

Klare Regeln und trotzdem Fragen

Denn anders als beim Schallschutz oder bei energetischen Massnahmen in historischen Gebäuden gibt es beim Brandschutz nicht die eine Verbesserung, sondern nur die Zielerreichung. Es gilt: Knapp vorbei ist auch daneben. So formuliert die Gebäudeversicherung Bern (GVB) eindeutig: «Für Baudenkmäler gelten dieselben Schutzziele wie für normale Gebäude.» Die baulichen Arbeiten des Schreiners gehören deshalb im Brandschutzkonzept mit zu den schwierigsten Massnahmen, weil diese in die alte Substanz eingreifen. Neben historischen Innenausbauten in Holz betrifft dies vor allem Fenster, Türen und Treppen.

Da die Sicherheit im Brandfall bei historischen Bauten durch objektbezogene Massnahmen erreicht wird, gelte der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, so die GVB. Ziel sei es, die historische Bausubstanz so weit wie möglich zu bewahren und durch die Brandschutzmassnahmen weder zu beeinträchtigen noch zu zerstören.

Die daraus folgenden Abwägungsprozesse der Baubeteiligten bei Restaurierungen, Sanierungen und Umbauten kennt auch Jörg Magener, Restaurator in Zürich, aus seiner praktischen Tätigkeit zur Genüge. Neben dem Zunfthaus war Magener auch bei Massnahmen im Landesmuseum, im Bundeshaus oder in der Nationalbank beteiligt. Beim Zunfthaus zur Zimmerleuten wollte man zunächst die Türen, die eine Brandschutzfunktion benötigten, auftrennen und einen Brandschutzkern einfügen. «Von dieser Lösung ist man aber im Laufe des Prozesses abgerückt, weil die Türen teilweise verbrannt waren und auch weil man aus denkmalpflegerischer Sicht die Originaltüren nicht so massiv verändern wollte», erklärt Magener. Stattdessen wurden neue Türen gefertigt, deren Brandschutzfunktion unsichtbar ist. So konnte der Restaurator die Türen in Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Zürcher Jos Berchtold AG originalgetreu nachbauen, trotz implementierter Brandschutzeigenschaften. «Das war dann für alle Beteiligten eine gute und ehrliche Lösung. Ein Vorteil ist auch, dass die Türen dann auch nicht so stark ausgeführt werden müssen, als dies bei einer beidseitigen Aufdoppelung des Brandschutzkernes mit dem Originalbauteil der Fall wäre», so Jörg Magener.

Weniger Eingriffe dank Technik

Auch die Lösung mit einer Sprinkleranlage zum künftigen Schutz der Innenausbauten in Holz wird von den beiden im Zunfthaus beteiligten Restauratoren für gut und gelungen befunden. Danach war Brandschutz bei der Deckenrekonstruktion für das Zunfthaus zur Zimmerleuten kein Problem. Die Brandschutzexperten wollten eine Sprinkleranlage.

«Die Bohrungen für die Sprinkler sind recht klein und stören das Bild nur wenig. Generell ist die Umsetzung von Brandschutzmassnahmen bei Wand- und Deckenverkleidungen meist eher unproblematisch. Nach der kompletten Demontage kann die Wand und der Unterbau entsprechend ertüchtigt werden», erklärt Rentsch. Einzig mögliche Alternative wäre gewesen, die ganze Decke, ähnlich wie bei den Türen, komplett aus Brandschutzmaterialien zu fertigen und diese originalgetreu zu umkleiden. «Aber dann hätte man enorm aufwendige Arbeiten vor sich gehabt, etwa mit Gipsabdrücken, was nicht wirklich eine gute Alternative war», so Magener.

«Meiner Erfahrung nach hat man zusammen bislang immer eine praktikable Lösung gefunden. Aus konservatorischer Sicht gibt es immer Abstriche für die Umsetzung des Brandschutzes. Aber es muss eben auch praktikabel sein, die Gebäude wer-den ja auch genutzt. Ist man dazu nicht bereit, dann landet man unweigerlich im Museum, was keine Lösung sein kann», so Jörg Magener.

Kein Weg führt daran vorbei

Wie wichtig es ist, dass Brandschutz und Denkmalpflege zusammenkommen, zeigt der Brand vor zwei Wochen im Morell- haus in Bern. Der Dachstock des denkmalgeschützten Gebäudes geriet durch einen elektrischen Defekt während der Gesamt-sanierung in Brand.

Die erst bei der Sanierung entdeckten wertvollen Malereien im Obergeschoss sowie die Barocktäfer im Erdgeschoss blieben vom Feuer verschont, was der schnellen Intervention der Feuerwehr zu verdanken ist. Ausgebrannt dagegen ist der Dachstock. Laut Mitteilung der Stadt muss von mindestens zwei Millionen Franken Schaden ausge-gangen werden. Ungleich höher wäre der Schaden zu beziffern, wenn die wertvollen Bauteile dem Feuer zum Opfer gefallen wären.

www.zunfthaus-zimmerleuten.chwww.gvb.chwww.joergmagener.chwww.josberchtold.chwww.bern.ch

ch

Veröffentlichung: 26. Juli 2018 / Ausgabe 30-31/2018

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