Wenn der Handwerker von der Versicherung vermittelt wird

Den Handwerker mit wenigen Klicks über das Onlineportal buchen. Bild: Buildigo

Handwerkerplattform. Immer mehr Banken und Versicherungen betreiben Onlineplattformen, über die auch Handwerker vermittelt werden. Noch stehen diese Angebote am Anfang. Und fraglich ist, wie lukrativ solche Kooperationen für Schreiner sind.

Wer einen Schreiner sucht, um beispielsweise einen Schaden an einem Möbel zu reparieren, kann dies auf verschiedenen Arten angehen: sich im Telefonbuch oder im Internet umsehen, einen Betrieb auf die Empfehlung von Familie und Freunden kontaktieren oder sich von seinem Versicherungsberater oder Banker einen Betrieb vermitteln lassen. Aber was haben die Finanzunternehmen mit meinem Möbel mit Wasserschaden zu tun?

Hypothek, Versicherung und Putzpersonal aus einer Hand

Immer mehr Banken und Versicherungen bieten ihren Kundinnen und Kunden Dienstleistungen rund ums Wohnen an. In diesen Netzwerken werden neben Hypotheken, Versicherungen und Immobilien neuerdings auch Zügelmänner, Putzpersonal und Handwerker vermittelt. Bei der Helvetia Versicherung heisst das System «Home», die UBS setzt auf «Key4» und «Valuu» heisst die unabhängige Vermittlungsplattform von Postfinance. Das neuste Beispiel nennt sich «Liiva», ist im August 2021 online gegangen, und wird von der Mobiliar-Versicherung und der Raiffeisen-Bank in einer Partnerschaft betrieben.

Semiprofessionelle Konkurrenz

Daneben tummeln sich diverse Onlinetools wie Renovero.ch, Ofri.ch oder Offerten.ch, um nur einzelne zu nennen. Sie vermitteln wahlweise Handwerksbetriebe, selbstständige Einzelhandwerker und begabte Hobbybastler. Schreiner stehen solchen Portalen eher kritisch gegenüber. Der Aufwand für die Neukundengewinnung sei am Ende doch zu hoch, ist in der Branche zu hören. Zudem sei die Konkurrenz auf den Plattformen eher semiprofessionell unterwegs und gehe, gerade in den Bereichen Parkett und Boden-Renovation, mit «Kampfpreisen» ganz unten rein.

Schweizer Handwerkernetzwerk

Von solchen Vorwürfen will sich das Schweizer Handwerkernetzwerk Buildigo abheben. «Bei uns steht Qualität an erster Stelle, denn beim Bauen ist billig selten günstig», sagt Michael Hügli, Geschäftsleiter von Buildigo. Das Unternehmen gehört seit etwas mehr als einem Jahr zu 100 Prozent der Mobiliar. Das Start-up wurde bereits 2017 gegründet und war anfänglich in der Westschweiz tätig, bis es von der Versicherung aufgekauft wurde und in die Deutschschweiz expandierte. Beim Aufbau ihres Handwerkernetzwerkes habe man auf die Expertise der Mobiliar gesetzt, sagt Hügli. «Die regional verankerten Generalagenturen arbeiten im Schadenmanagement sehr stark mit dem lokalen Gewerbe zusammen und wissen aus Erfahrung, wer gute Arbeit abliefert und wer nicht. Ausserdem pflegen wir einen persönlichen Kontakt zu jedem unserer Handwerker, was ein weiteres Instrument für das Qualitätsmanagement darstellt.»

Mutterhaus und Schwesterfirmen sollen Kunden bringen

Buildigo startete in der Deutschschweiz in den Kantonen Zürich und Aargau, wo das Unternehmen während der Markteinführungsphase mit etwa 230 Handwerksbetrieben zusammenarbeitete, davon mit rund 40 Schreinereien und Küchenbauern. «Aktuell bauen wir unser Netzwerk auch entlang dem Genfersee sowie rund um die Städte Basel, Bern, Luzern und Zug auf. Bis anfangs 2022 wollen wir dann die Achse Bodensee – Genfersee komplett abdecken», sagt Hügli weiter. Auch was die angebotenen Services angehe, sei ein Ausbau in Etappen geplant. Dabei setzt Buildigo stark auf die Partnerschaften mit dem Mutterhaus Mobiliar und dessen Schwesterfirmen wie zum Beispiel der eingangs erwähnten Wohneigentümerplattform «Liiva», dem Mieterportal «Aroov» oder der Immobilienplattform «ImmoScout24».

Das erste Jahr ist gratis

Doch inwiefern ist es für einen Schreinerbetrieb interessant, sich einer solchen Plattform anzuschliessen? Einer, der bereits erste Erfahrungen mit Buildigo sammeln konnte, ist Lukas Schwaiger. Er ist zusammen mit seinem Bruder Lorenz Schwaiger Co-Geschäftsleiter der H. Schwaiger Schreinerei-Innenausbau aus Zürich-Höngg. Sie seien selbst Kunde bei der Mobiliar und hätten schon früher Schadenfälle von der Versicherung bearbeitet, sagt Schwaiger. Darum seien sie vor einem Jahr auch angefragt worden, ob sie bei Buildigo mitmachen wollten. Die Jahresgebühr beträgt 800 Franken, wobei Mobiliar-Kunden 200 Franken günstiger davonkommen. Das erste Jahr ist gratis. Wird ein Auftrag vermittelt, erhebt Buildigo eine Provision von fünf Prozent. Diese fällt aber pro Auftrag nie höher als 250 Franken aus. Schwaiger hat sich auch fürs Mitmachen entschieden, um auf einer digitalen Plattform präsent zu sein: «Als kleinerer Familienbetrieb mit vier Mitarbeitern haben wir nicht die Zeit, uns auch noch um einen Onlineauftritt zu kümmern.» So gingen sie einen Kompromiss ein.

Zusätzliche Kunden sind immer willkommen

«Es kommen noch nicht viele Anfragen über diesen Kanal rein, aber wir freuen uns natürlich über jeden zusätzlichen Kunden», sagt Schwaiger. Es handle sich hauptsächlich um kleinere Aufträge wie Reparaturen oder Schadensbehebungen. Aber sie hätten auch schon mal einen Schrank oder ein Massivholzmöbel machen können. Und man wisse ja nie, ob sich daraus später wieder ein Auftrag ergebe. «Wir schätzen an Buildigo, dass man nach jedem Auftrag die Kundschaft über die Zufriedenheit befragt und uns dieses Feedback weiterleitet. Daraus können wir wichtige Schlüsse für uns ziehen. Ausserdem bietet Buildigo einen sehr guten Kundenservice. Wir haben unseren persönlichen Ansprechpartner, der uns weiterhilft, wenn mal etwas ist.»

Die Rechnung geht an Buildigo

Buildigo will den Handwerkern aber nicht nur neue Kunden vermitteln, sondern die Betriebe auch von administrativen Arbeiten entlasten. Dies gelte insbesondere bei kleineren Arbeiten, sagt Hügli. «Gemeinsam mit unseren Handwerkern haben wir für einfache Auftragsarten Kalkulationsmodelle entwickelt. So können wir den Kunden direkt bei der Offertanfrage über die Website einen Schätzpreis angeben.» Bestätigt der Kunde die Buchung über die Plattform, wird die Anfrage an einen Handwerksbetrieb weitergeleitet. Das Buildigo-Team achte dabei darauf, dass immer eine Schreinerei aus der jeweiligen Region zum Zuge komme. So sei jeder mal an die Reihe. Nimmt der Betrieb den Auftrag an, erbringt er die angefragten Leistungen zum definierten Termin und Preis, bestätigt der Plattform den Abschluss der Arbeiten und sendet Buildigo die Schlussabrechnung. Sind die Aufträge komplexer, geht es in ein sogenanntes Offertverfahren. Die Kundenanfrage wird dann an maximal drei Handwerksbetriebe weitergeleitet. Diese stellen unabhängig voneinander direkt dem Kunden eine verbindliche Offerte. Nun kann der Kunde wählen, an wen er den Auftrag vergibt. Bezahlt wird dann wieder über die Plattform. Das Inkasso und Mahnwesen übernimmt Buildigo.

Wirkliche Innovationen fehlen noch

Wie sich diese noch jungen Plattformen künftig am Markt behaupten werden, steht noch in den Sternen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie der Hochschule Luzern räumt man den Plattformen nur Chancen ein, wenn sie «echte Innovationen, die über das vereinfachte Auffinden von Dienstleistern rund ums Wohnen hinausgehen» bieten würden. Studienautor Urs Blattmann stellte fest, dass diese Innovationen sehr oft noch fehlen würden und er deshalb kaum glaube, dass diese Systeme Kundinnen und Kunden in Scharen anziehen. Für Schwaiger jedenfalls spielt das nicht so eine grosse Rolle. Mit der Plattform zu agieren, sei für ihn nicht aufwändiger, als wenn er direkt mit den Kunden in Verbindung trete.

Isabelle Spengler

www.buildigo.ch

Veröffentlichung: 10. September 2021

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