Wer selbst kocht, hat Vorteile

Die Bedürfnisse sind unterschiedlich. Damit die Planung auf den Punkt kommt, braucht es Verständnis dafür. Bild: Officine Fanesi

KüchenPlanung.  Auf dem Weg zur passenden Küche bedient man sich unterschiedlichster Hilfsmittel – von der Bleistiftskizze über die 3D-Visualisierung bis hin zur eigenen Ausstellung. Entscheidend ist das Verstehen der Abläufe in der Küche, und dafür braucht es Erfahrung.

Das Ziel heisst nicht Lifestyle und auch nicht minimalistisches Design. Das Ziel jeder Küche ist vielmehr das Zubereiten der Mahlzeiten. Dazu gehören ebenso nötige wie alltägliche Gebrauchseigenschaften wie eine geeignete Ablage für die Geschirrhandtücher und den feuchten Lappen zum Wischen. Hinzu kommt vielleicht auch die entspannte Sitzgelegenheit für das kurze Frühstück in der Nähe von Kaffeemaschine und Kühlschrank.

Das Ganze hat manchmal wenig zu tun mit den schicken Küchenmodellen ohne einen einzigen Hochschrank oder neuerdings öfter mit Bücherregal irgendwo zwischen Backofen und Kochfeldinsel. Keine Frage: Die Küche ist ein Statement darüber, wie man lebt und wohnt. Deshalb ist das gefällige Design zwar ein entscheidender Faktor. Inspiriert von solchen Ausstellungsküchen, Messepräsentationen, Visualisierungen und Werbeabbildungen zeigt sich bei der realen Küchenplanung dann aber nicht selten ein etwas differenzierteres Bild. Denn die «ganz normale Familie» möchte ja vor allem einen hohen Gebrauchs- und Nutzwert realisieren, und dies in möglichst attraktiver Umgebung.

Transfer funktioniert weitestgehend

Mittlerweile gibt es vielfältige Planungsgrundlagen. Sie liefern Antworten auf wichtige Fragen wie nach dem benötigten Volumen des Stauraumes oder des Kühlschranks bei einer entsprechenden Personenanzahl im Haushalt. «Das haben die Küchenbauer recht gut im Griff», sagt Tilmann Laube. Der Berater aus Zürich arbeitet unter anderem für die Küchenbranche und war früher selbst bei der Küchenfabrik Muotathal tätig. Etwas anderes sei es jedoch, das Gefühl für den kochenden Kunden zu erlangen und dessen spezielle Bedürfnisse in die Planung mit aufzunehmen. «Wenn Kunden bestimmte Anforderungen haben, wie etwa ein Paar, das oft zusammen kochen möchte, dann ist ein Küchenanbieter, der die Küche nur als Designelement oder aus Techniksicht kennt, schnell überfordert.» Dann brauche es einfach entsprechende Kompetenz, um ausreichend Platz für zwei Küchenchefs zu realisieren, insbesondere für die Rüstbereiche. «Eine Insel sollte in diesem Fall beidseitig zu bedienen sein», sagt Laube. «Interessant ist auch, dass sehr viele Küchen von Männern verkauft werden, die aber oft gar nicht selbst kochen. Das ist eigentlich ein merkwürdiger Umstand», sagt Laube. Küchenmacher, die selbst kochen, seien erfolgreicher bei der Arbeit, ist der Experte überzeugt.

Daran lässt man bei der TG Gasser AG im Obwaldner Giswil keinen Zweifel. Auf der Internetseite des Küchenbauers stehen etwa die Lieblingsrezepte der Mitarbeitenden als PDF zum Download bereit. Die Ausstellung ist auch ein Kochstudio. Im «Chuchichäschtli» finden regelmässig Kochkurse unter der Leitung von Köchin Silvia Imfeld-Bürgi satt. Das Kochstudio steht aber auch für Geburtstagsfeiern oder andere Anlässe zur Verfügung. Das Menü wird gemeinsam zusammengestellt, den Einkauf übernimmt dann die TG Gasser AG. Nicht zu vergessen das monatliche Männerkochen: Damit dokumentiert das Unternehmen gleich mehrfach sein Interesse und seine Kompetenz in Sachen «Küche zum Kochen» und nicht zum Anschauen.

Persönlicher Kontakt statt kalter Küche

Laube ist sich sicher, dass es bei der an sich wichtigen Küchenausstellung eines Schreiners nicht unbedingt um die Grösse und die Anzahl der gezeigten Küchenmodelle geht, sondern vielmehr darum, was man daraus macht und wie man den Raum mit Leben füllt. So kann man etwa im für Küchenbauer so schwierig gewordenen Gerätemarkt bei den Kücheninteressierten punkten.

Seit über zehn Jahren bietet Philipp Späti, Inhaber und Geschäftsführer der Späti Innenausbau AG im solothurnischen Bellach, Steamerabende an. «Wir geben dabei neutrale Informationen und bieten darüber hinaus einen gemütlichen Abend mit einem Vier-Gänge-Menü, das von unserem Kochteam zubereitet wird», sagt Späti.

Das Erklären der Steamerfunktion ist dabei Chefsache. Die Teilnehmenden lernen Geräte von insgesamt sieben Herstellern kennen. «Das erzeugt Vertrauen, weil wir die Unterschiede marken- und produkteunabhängig erläutern. Vor allem aber lernt man sich gegenseitig kennen. Die Gäste sind allesamt in Bau- oder Umbauprojekte involviert. Mit dabei ist auch eine kurze Führung durch die Werkstatt», erklärt Späti. Die Strategie des Kurses ist erfolgreich. «80 bis 85 % der Teilnehmenden eines Steamerkurses bestellen kurz- oder mittelfristig etwas bei uns», sagt der Unternehmer. In Zeiten, in denen den Konsumenten über das Internet Küchengeräte auf Portalen wie nettoshop.ch zu günstigen Preisen angeboten werden, ist die Gerätekompetenz von Späti viel Wert. «Küchenhersteller müssen im Verhältnis zu den Internetkonsumenten recht hohe Preise für Geräte bezahlen. Der Kunde ist oft sehr gut informiert und empfindet die Preise des Küchenanbieters deshalb tendenziell als zu hoch. Eine schwierige Situation», sagt Laube.

Planungswerkzeuge auch für Kunden

Befeuert wird die semiprofessionelle Vorabplanung auf Kundenseite aber auch von der Branche selbst. Etwa mittels Konfiguratoren und webbasierten Küchenplanerwerkzeugen. Laube sieht diese Entwicklung skeptisch. «Die Planungskompetenz beim Kunden ist beschränkt. Deshalb sind Internetkonfiguratoren eher schwierig.» Die ganzen Werkzeuge zur Virtualisierung seien schön, aber sie seien auch Ausdruck von einem Digitalisierungswahn, der nicht automatisch zielführend sei. «Es sind Menschen, die kochen, und es sind Menschen, die eine Küche kaufen. Deshalb sollte auch der Mensch, unabhängig vom eingesetzten Werkzeug, im Vordergrund stehen.» Sinnvoll scheint deshalb der Einsatz innovativer Planungsinstrumente zusammen mit dem Kunden. Dies eröffnet neue Gelegenheiten, die eigene Planungskompetenz unter Beweis zu stellen und dabei auf Augenhöhe mit dem Kunden zu sein.

Ein interessanter Ansatz in diesem Bereich ist der «Kitchenplanner table». Dabei werden althergebrachte Klotzmodelle auf einen Bildschirm mit Touch-Technologie platziert. Schnell und einfach gesetzt und wieder verschoben, wird die entstehende Küche zeitgleich am Bildschirm dreidimensional visualisiert. Das Werkzeug bietet so gute Möglichkeiten der Interaktion während der Beratung. Zusammen mit der Ausstellungsküche, Materialmustern und der unmittelbar möglichen Visualisierung des Ganzen können solche Werkzeuge äusserst effizient sein. Noch steckt das Werkzeug des deutschen Internetportals «Küchen-Atlas» in den Kinderschuhen. Doch sieht das Unternehmen darin das künftige Bindeglied zwischen Online-Küchenplanung und der Verkaufsberatung vor Ort. Gerade grosse Küchenhersteller arbeiten natürlich daran, den Planungsaufwand möglichst gering zu halten, auch für ihre Vertriebspartner. Die deutsche Nobilia hat im letzten Jahr täglich über 3000 Küchen produziert. Zwar verkauft Europas grösster Küchenhersteller seine Produkte über Schreiner und Küchenstudios, doch bietet Nobilia online einen Küchenkonfigurator und einen Küchenplaner an, damit Interessenten unmittelbar losplanen können.

Küche in virtuellen Perspektiven

Ganz vorne bei der Entwicklung hin zur Kundenplanung mischt Ikea mit. Vor zwei Jahren kam die erste Pilot-App für die Virtual-Reality-Planung (VR) heraus. Mittels VR-Brille sollten Kunden das virtuelle Küchenerlebnis in realer Grösse testen. Man versprach sich davon auch Erkenntnisse über die Erfahrungen der Kunden.

Mit einem entsprechenden VR-Headset und der App ausgestattet, können Konsumenten eine von drei unterschiedlich gestalteten Küchenraumeinstellungen erkunden. Der Benutzer kann dabei die Farbe von Schränken und Schubladen mit einem Klick ändern. Ein weiteres Merkmal ist die Möglichkeit, die Küche aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, indem sie entweder schrumpft oder sich streckt. Das Ganze gibt es sowohl in einem Erwachsenen- als auch in einem Kindermodus. «Wir sehen, dass die virtuelle Realität in der Zukunft unserer Kunden eine wichtige Rolle spielen wird. Zum Beispiel könnte sie eines Tages dazu verwendet werden, dass Kunden vor dem Kauf eine Vielzahl von Einrichtungslösungen ausprobieren können», sagt Jesper Brodin, CEO der Ikea Group.

Digitale Pfannkuchen backen

Inzwischen gibt es eine zweite VR-App. Dabei geht es noch einen Schritt weiter. Neben der virtuellen Erkundung können Kunden auch Pfannkuchen backen – virtuell, versteht sich. So erfährt das Möbelhaus immer mehr über die Konsumenten, auch über ihre Fähigkeiten. Mit der neuen App können Benutzer etwa mit vier Bratpfannen gleichzeitig hantieren und so ihre Multitasking-Fähigkeiten testen. Die Reaktionen der Kunden auf die neue App sollen überwiegend positiv sein. «Wir glauben an die virtuelle Realität als eines von mehreren Werkzeugen, welche die Menschen bei der Verwirklichung ihrer Heimträume unterstützen werden», sagt Anders Grafström, Range Communicator für Küche und Essen bei Ikea in Schweden. Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, an der Spitze der VR-Entwicklung für das Wohnen zu stehen. Die Küche aus Kundensicht zu verstehen, ist dabei wichtiger Bestandteil.

In diesem Punkt scheint sich der Kreis zu den handwerklichen Küchenbauern, die Kochkurse und Events mit der eigenen Musterküche anbieten, zu schliessen. Auch Laube sagt, dass man eine Küche so verkaufen müsse, wie damit gearbeitet werde. Offen bleibt dann nur die Frage, ob dies virtuell gelingen kann.

Die Ausstellung im Alltag nutzen

Beim italienischen Edelküchenhersteller Valcucine ist das echte Kochen Alltag. Denn in der «Kantine» des Unternehmens werden die Mahlzeiten für die Mittagspause in der eigenen Küche zubereitet. Gäste und Kunden können standardmässig und jederzeit das Produkt authentisch erleben. So braucht es keine Brille, um zu verstehen, dass eine private Küche, mit der man auch 50 oder mehr Personen bewirten kann, über jeden Zweifel der Funktionalität erhaben ist.

Auch Späti nutzt die warme Küche und seinen sechs Meter langen, massiven Eichenholztisch als Eventlokal. «Wir vermieten meist an Firmen oder Vereine. Es gab schon Kundenanlässe mit bis zu 150 Gästen. Damit gewinnt man direkt zwar keinen neuen Kunden. Aber es kommt häufiger vor, dass jemand nach einigen Jahren zu uns kommt und erzählt, dass er uns damals kennengelernt hat», sagt Späti.

www.tilmannlaube.comwww.tg-gasser.chwww.spaeti-innenausbau.chwww.kitchenplannertable.com

ch

Veröffentlichung: 29. November 2018 / Ausgabe 48/2018

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