«Wir sind und bleiben schweizerisch»

Gemeinsam in die Zukunft: Harald Pichler, Arbonia-Divisionsleiter Fenster (l.), und Nicolas Casanovas, Geschäftsführer Ego Kiefer. Bild: Patrik Ettlin

Interview.  Der Kampf um Preise, Termine und Marktanteile hat die Fensterherstellerin Ego Kiefer AG zur Produktionsverlagerung ins Ausland gezwungen. Im Interview beantwortet Harald Pichler, Leiter der Arbonia-Division Fenster, Fragen zur Situation, zum Fenstermarkt und zum Standort Schweiz.

SCHREINERZEITUNG: Ego Kiefer hat mit der Verlagerung der Fensterproduktion in die Slowakei und nach Ostdeutschland turbulente Zeiten hinter sich. Wo steht das Unternehmen heute?
Harald Pichler: Wir können sagen, dass wir die Situation von Ego Kiefer, die sich ja verlustmässig 2015 ganz dramatisch zugespitzt hat, weitestgehend unter Kontrolle haben. Konkret: Wir bewegen uns aus der Verlustzone heraus.
Das tönt für das Unternehmen vielversprechend. Was die ganze Branche und speziell die Fachpartner interessiert: Wie läuft die verlagerte Produktion?
Das muss differenziert angesehen werden. Wir reden von zwei Teilprojekten. Die Verlagerung der Kunststofffenster-Produktion in die Slowakei ist zu unserer Zufriedenheit abgeschlossen. Wir sind von den Kapazitäten und der ganzen Logistik her gut aufgestellt und können die Liefertermine weitestgehend einhalten.
Bei der Produktionsverlagerung der Holz-Aluminium-Fenster sieht es etwas anders aus. Dieser Prozess ist später gestartet. Zudem haben wir mit der Übernahme der Wertbau GmbH in Ostdeutschland und dem Ausbau des Standorts mit einer Kapazitätserhöhung um nahezu das Sechsfache des bisherigen Volumens viel investiert. Schliesslich möchten wir dort künftig höchsten Bedürfnissen in der modernen Fensterproduktion gerecht werden. Aber eben, das braucht Zeit. Mehr Zeit, als wir ursprünglich eingeplant haben.
Erfreulich ist, dass wir in den letzten Wochen und Monaten sehr grosse operative Fortschritte gemacht haben. Wir konnten das monatliche Produktionsvolumen um 60 Prozent steigern und können mittlerweile den Schweizer Markt mit unseren neuen Holz-Alu-Fenstern bedienen.
Andere Frage: Weshalb hat man sich für den Standort in Ostdeutschland entschieden?
Es gab bereits vorher eine Zusammenarbeit mit der Wertbau GmbH. Darauf haben wir aufgebaut.
Dieser Aufbau ist aber noch nicht vollständig abgeschlossen?
Es sind zwar alle Maschinen implementiert, und auch die Prozesse laufen. Jedoch sind wir noch nicht am Ziel. Man muss sich des Folgenden bewusst sein: Wir haben nicht nur einen neuen Standort aufgebaut und die Produktion gestartet. Wir mussten auch neues Personal rekrutieren und einführen. Und zu guter Letzt wird dort auch gleich noch ein neu entwickeltes Fenster produziert. Doch eben: Wir können zurzeit circa 60 bis 70 Prozent der erforderlichen Kapazitäten erfüllen und sind zuversichtlich, im Laufe des Jahres 2019 den Produktionstransfer abschliessen zu können.
Imagemässig ist eine Verlagerung der Produktion in den Osten inklusive Personalabbau in der Schweiz schwierig zu bewältigen. Wie geht man damit um?
Das Wichtigste ist die aktive offene und regelmässige Kommunikation auf allen Ebenen. Insbesondere unsere rund 350 Fensterfachpartner haben wir regelmässig mit unseren Entscheidungen, Absichten und Fortschritten konfrontiert.
Offene Kommunikation heisst auch zu informieren, wenn etwas nicht nach Plan läuft.
Natürlich. Wir brauchen überhaupt nichts zu beschönigen. Wir sind im Verlagerungsfahrplan der Holz-Aluminium-Fenster-Produktion acht bis zehn Monate im Verzug. Das hat verschiedene Gründe. Beispielsweise haben die Rekrutierung und die Einarbeitung von neuem Fachpersonal länger gedauert als erwartet.
Wie hat sich das in der Praxis ausgewirkt?
Durch die Verzögerungen im ganzen Prozess hat es bei gewissen Aufträgen Verspätungen gegeben – und unvollständige Lieferungen. Das ist nicht gut, und unsere Partner sind sich das von Ego Kiefer nicht gewohnt. Gewisse Engpässe im Holz-Aluminium-Bereich konnten wir aber mit unserer bewährten Produktion hier in Altstätten SG kompensieren.
Haben Sie weitere Massnahmen ergriffen, um Ihre Fachpartner immer mit im Boot zu haben?
Verständnis für unsere Verlagerung aufzubauen, ist nicht einfach. Eine Massnahme, die bei den Händlern viel Goodwill geschaffen hat, war unsere Reise ins Kunststofffenster-Werk in der Slowakei. In diesen Tagen haben die Fachpartner nun die Möglichkeit, auch die Produktionsstätte der Holz- und Holz-Aluminium-Fenster in Ostdeutschland zu besuchen. Die Fachleute können die modernen Maschinen und Fertigungsanlagen in Augenschein nehmen und sich davon überzeugen, dass in diesem Werk viel Potenzial für die Zukunft steckt.
Apropos Potenzial für die Zukunft: Wo kann man sich im modernen Fensterbau überhaupt noch von der Konkurrenz abheben?
Festzustellen ist: Nicht nur wir, sondern alle Hersteller produzieren heute sehr gute Fenster. Und was auch klar ist: Revolutionäre Technologien werden im Fensterbau in nächster Zeit nicht Einzug halten. Wir erhoffen uns allerdings in unserer Unternehmensgrösse und -breite Vorteile, indem wir Gesamtsynergien nutzen und die vertikale Wertschöpfung erweitern.
Was können wir uns darunter vorstellen? Geht das noch etwas konkreter? Was kann der Kunde erwarten?
Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Wenn wir uns damit beschäftigen, unsere Fenster künftig mit der Beschattung zu kombinieren, dann ist das ein Thema, das dem Händler und Endkunden einen Mehrwert bieten könnte. In diese Richtung gibt es Potenzial.
Das Bauteil Fenster ist also in Sachen Weiterentwicklung auf einem hohen Level. Was ist hier noch zu erwarten?
Optimierungen sind immer möglich, auch wenn diese Perfektionierungsschritte im Detail liegen. Unsere neue Kunststoff- und Holz-Fenster-Generation besticht durch vielfältige Ausführungsvarianten und exzellente technische Eigenschaften. Bei der Entwicklung der neuen Fenster kommt uns die hohe Wertschöpfungstiefe entgegen: eigene Isolierglasfertigung, eigene Kaschierung und so weiter. Und dann sind da natürlich die Dienstleistungen, die auf allen Ebenen stets verbessert werden.
Was hat sich für die rund 350 Schreiner und Fensterfachpartner verändert, die Ihre Produkte verkaufen und montieren?
Eigentlich wenig. Was sich ebenfalls nicht verändert hat und was an dieser Stelle klar festzuhalten ist: Wir sind und bleiben ein Schweizer Unternehmen, sind national, regional und lokal verankert. Von unseren zehn Niederlassungen bekommt so der Händler die persönliche Unterstützung – wie vor der Umstrukturierung.
Ego Kiefer ist nach wie vor Marktleader in der Schweiz. Damit man sich das vorstellen kann: Wie viele Ihrer Fenster werden jährlich in der Schweiz verbaut?
Wir produzieren für den Schweizer Markt jährlich insgesamt rund 650 000 Quadratmeter, was ungefähr 200 000 kompletten Fenstern entspricht.
Und welche Bereiche sind noch in der Schweiz angesiedelt, welche speziell in Altstätten und Diepoldsau?
In der Schweiz verbleibt die ganze Marktorganisation von Ego Kiefer mit zehn Niederlassungen. Dann haben wir hier am Hauptsitz in Diepoldsau sämtliche Verwaltungstätigkeiten, Qualitätsmanagement, Forschung und Entwicklung, IT und Finanzen vereint. Sobald die Produktion bei Wertbau (DE) hochgefahren ist, wird der Standort Altstätten als Service-Shop mit einer reduzierten Kapazität weitergeführt.
Welche Fenstertypen werden denn heute noch in Altstätten produziert?
Einerseits sind das die bisherigen Holz-Aluminium-Fenster, die nun von den neuen Typen «EgoAllstar» und «EgoSelection» abgelöst werden, andererseits kleine Mengen von Sonderkonstruktionen. Das sind Fenster, die in dieser Art und in diesen Dimensionen nicht im Ausland produziert werden können. Da gilt es besonders die grossflächigen Hebeschiebetüren zu erwähnen. Diese über Tausende von Kilometern zu transportieren, hat keinen Sinn.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Mit wie vielen Mitarbeitenden ist Ego Kiefer zukünftig in der Schweiz präsent?
Das werden weiterhin um die 400 Personen sein, die täglich für Ego Kiefer, für unsere Händler und für unsere Kunden in der Schweiz beste Arbeit abliefern. Das Erfreuliche für das ganze Unternehmen: Derzeit sind unsere Auftragsbücher voll. Wir müssen kapazitätsmässig sogar schauen, dass wir die Nachfrage laufend befriedigen können.
Eine Prognose Ihrerseits zum Schluss: Wie wird sich der Fenstermarkt in den nächsten fünf Jahren verändern? In der Schweiz und international?
Ich denke, dass der Konsolidierungsprozess in der ganzen Branche weiterläuft. Wir gehen davon aus, dass es gerade für die mittelgros- sen Fensterbauer in der Schweiz weiterhin schwierig ist, am Markt zu bestehen. Ebenfalls eine Konstante ist der Trend zu Grossbauten in den Agglomerationen der Grossstädte. Das heisst: Die Herausforderung wird nicht der Fensterbau als solches sein, sondern die Komplexität der Aufträge mit den logistischen und terminlichen Vorgaben. Solche Aufträge zu bewältigen, dazu sind in der Schweiz nicht mehr viele Betriebe imstande.
www.egokiefer.ch

Zur person

Seit dem 1. Februar 2016 führt Harald Pichler (50) die Division Fenster der Arbonia-Gruppe. Der Division gehören nebst Ego Kiefer auch die Gesellschaften Wertbau in Ostdeutschland sowie Slovaktual (Slowakei) und Dobroplast (Polen) an. Als Wirtschaftsingenieur im Bereich Maschinenbau verfügt Pichler über langjährige Management- und Führungserfahrung und leitete von 2010 bis 2015 den deutschen Fenster- und Haustürenhersteller Weru. Zuvor war er als CEO der Kronoflooring GmbH (Kronospan GmbH) tätig.

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Veröffentlichung: 08. November 2018 / Ausgabe 45/2018

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