«Wir würden es wieder machen»

Im Vordergrund befin-det sich die Auslage des Bistros, gleich anschliessend folgt der Empfang. Bilder: Steinmann & Schmid, Ruedi Walti

Innenausbau.  Die neue Jugendherberge in Saas Fee erfuhr bereits im Vorfeld viel mediale Aufmerksamkeit. Die SchreinerZeitung traf sich vier Monate nach der Fertigstellung vor Ort mit einer der beteiligten Schreinereien und berichtet von deren Erfahrungen.

Von Beginn an sorgte das Projekt «wellnessHostel4000» im Walliser Gletscherdorf Saas Fee für viel Gesprächsstoff. Die Gegner des Projektes monierten die zu hohen Kosten, befürchteten zusätzliche Konkurrenz für die bestehenden Hotels sowie einen Imageverlust. Die Mehrheit der Stimmberechtigten sah das anders und bewilligte in einer Abstimmung die Anpassung des Zonenplanes und ein Budget von 6,8 Mio. Franken für den Umbau der bestehenden Wellnessanlage. Diese befindet sich im Besitz der Bürgergemeinde. Die Baukosten von insgesamt 11 Mio. für das Hostel werden von der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus getragen.

Interessanter Innenausbau

Im April 2013 fiel dann der Startschuss für den Umbau der Wellnessanlage und den Neubau der Jugendherberge. Mit der Planung und Umsetzung des gesamten Projektes betraute man die Steinmann & Schmid Architekten AG aus Basel. Obwohl in den Medien mehrheitlich die Holzbauweise des neuen Gebäudes Erwähnung fand, planten die Architekten auch im Innern einige spannende Arbeiten. «Insgesamt gab es für die Herberge sieben Dossiers für Schreinerarbeiten», erzählt Michel Imseng, der Geschäftsführer der Schreinerei Imseng AG aus Saas Fee.

Das Unternehmen befindet sich nur wenige Meter entfernt vom Objekt und konnte sich mit dem Empfangsbereich sowie den Einbauschränken und Türen besonders interessante Aufträge sichern. «Das war natürlich schon eine Herausforderung. Aber am Anfang sieht es ja oft schwieriger aus, als es tatsächlich ist», sagt Michel Imseng.

Handwerker aus der Region erwünscht

Gleich zu Beginn kam aber für einen kurzen Moment Hektik auf: «Die Ausschreibungen für die Schreinerarbeiten wurden während unserer Ferien veröffentlicht», sagt Imseng. Dies hatte ein paar Nachtschichten zur Folge, damit sie den Eingabetermin halten konnten. Für Imseng war aber klar, sie wollten sich an diesem Projekt beteiligen. Bei der darauf folgenden, von den Architekten organisierten Projektsitzung spürte Imseng bald heraus, dass man gerne mit einheimischen Handwerkern zusammenarbeiten möchte. «Jeder hatte die Chance, sich einen Auftrag zu sichern», sagt Michel Imseng und betont: «Natürlich musste auch die Qualität und der Preis stimmen.»

Nicht ohne das Team

Als die Schreinerei einen positiven Bescheid erhielt, sagte Imseng aber nicht sofort zu. Denn es war klar, wenn er den Auftrag annehmen würde, dann fallen die Betriebsferien im Sommer ins Wasser, weil die Eröffnung im September 2014 geplant war. Diesen Entscheid wollte er zuerst mit dem zehnköpfigen Team besprechen, darunter auch Familienväter, die ihre Ferien bereits geplant hatten. Als Imseng sein Team damit konfrontierte, meinte ein langjähriger Mitarbeiter: «Es wäre doch schon traurig, wenn ein anderer diese Arbeit machen würde.» Damit sei eigentlich alles gesagt gewesen, erzählt Imseng. Man plante also die Kapazitäten so, dass jene, die ihre Ferien bereits gebucht hatten, diese nicht verschieben oder stornieren mussten. Alle anderen arbeiteten durch.

Stahl und Brandschutz

Und das war auch nötig, denn alleine der Eingangsbereich der neuen Herberge hatte es in sich: Eine über 30 Meter lange Theke zieht sich durch den ganzen Raum. Die mit Räuchereiche furnierten Flächen der Unter- und Oberbauten sind dabei in verschiedenen Winkeln angeordnet. In die oberen Elemente mussten zudem die Zu- und Abluftkanäle der Lüftung integriert werden. Ursprünglich waren einzelne Schlitze in den Fronten geplant. «Wir machten dann aber den Vorschlag, über die ganze Länge eine Schattennut zu ziehen, damit alles gleich aussieht», ergänzt Imseng.

In der Mitte der ganzen Front befinden sich das Treppenhaus, der Lift, der Heizungsverteiler und ein Feuerlöschposten. Diese Elemente mussten natürlich den entsprechenden Brandschutzansprüchen genügen. Insbesondere bei der Treppenhaustür waren aber zusätzliche Abklärungen nötig, denn für sie war keine furnierte Fläche vorgesehen, sondern eine aus Stahl. «Zusammen mit den Brandschutzbehörden und Türenexperten entschlossen wir uns dann, ein Doppel anzufertigen», erklärt der Schreiner.

Alles integriert

Diese Stahloberflächen ziehen sich durch den gesamten Eingangsbereich. So sind sämtliche Ablageflächen und auch die Untersichten der Oberbauten mit einem Stahlblatt versehen. All die Stahlteile, inklusive einem individuell angefertigten Beckens, hat Imseng selber organisiert. «So hatten wir alles unter Kontrolle.» Das Becken wurde in eine der Säulenverkleidungen integriert, wo sich auch gleich der Korpus mit den Kaffeemaschinen inklusive allen nötigen Zubehörs befindet. In den Korpus eingebaut ist ein Abfallsystem und ein Tassenstapler. «Alle Gastroeinbauten, die in unsere Bauteile kamen, waren zwar vorbestimmt und wurden geliefert. Wir waren aber für den Einbau zuständig», sagt Michel Imseng. Selbst die Rückgabewagen für die Tablare wurden von der Schreinerei mit Räuchereiche verkleidet.

Pläne als Leitfaden

Darüber hinaus gab es verschiedene direkte Schnittstellen mit den Gastroeinrichtungen, darunter die Küche mit der Essensausgabe auf der rechten Seite sowie eine Auslage und Kühlfächer für das Bistro auf der linken Seite. An dieser Stelle lobt Michel Imseng die Planungsvorbereitung der Architekten und die Bauführung: «Die Pläne waren wirklich sehr gut und immer auf dem aktuellsten Stand.» Das war auch nötig, denn es fand nur ein Mal pro Woche eine Sitzung mit der Bauführung vor Ort statt. Dank den detaillierten Plänen konnten die meisten Probleme jeweils sehr pragmatisch und schnell gelöst werden. «Wenn irgendwo etwas nicht passte, hiess es: ‹Schaut her, wir haben alle dieselben Pläne, da sind alle Masse ersichtlich.› Dadurch gab es gar keinen Spielraum, sich die Schuld gegen- seitig in die Schuhe zu schieben», berichtet Imseng.

Neben den fixen Innenausbauten konnte die Schreinerei zudem die individuellen Tische und Polstermöbel für den Bistrobereich anfertigen. Die Sitzbänke waren eigentlich als feststehendes Element vorgesehen. Doch Imseng konnte die Architekten und Bauherrschaft davon überzeugen, einzelne, demontable Teile zu fertigen. «So lassen sie sich ohne weiteres transportieren. Und wenn die Bezüge mal abgenutzt sein sollten, kann man sie einfacher und günstiger auswechseln.»

Der Chef als Monteur

Wie bereits erwähnt konnte sich die Schreinerei Imseng neben dem Ausbau des Eingangsbereichs noch weitere Aufträge sichern. So galt es, im ganzen Gebäude über 200 Türen verschiedenster Bauart zu montieren. Angefangen bei einfachen Badezimmertüren bis hin zu Schiebe- sowie Zimmertüren, die je nach Situation noch Brand- und Schallschutzanforderungen genügen mussten. Für die Fronten der Einbauschränke verarbeitete die Schreinerei über 1000 m2 HPL-Kunstharz in vier verschiedenen Farben, für jedes Obergeschoss eine.

Bei diesen Mengen griff auch der Geschäftsführer wieder zum Handwerkzeug und half auf der Baustelle tatkräftig mit – immerhin hatte er zuvor Jahrzehnte lang als Monteur gearbeitet. «Auch wenn mir mein Rücken etwas Probleme machte, war es wichtig, dass die gesamte Belegschaft am gleichen Strick zog.»

Alles in Saas Fee produziert

Für die Schreinerei war es ein sehr erfolgreiches Projekt, das trotz seiner Grösse weitestgehend problemlos verlief. «Wir würden es jeder Zeit wieder machen», bilanziert Imseng. Da lässt den Schreiner auch die erneute Kritik kalt, welche nach Abschluss des Projektes aufkam: Die Kritiker monierten, dass nicht ausschliesslich Schweizer Holz verwendet wurde. Diese Aussagen richteten sich zwar hauptsächlich gegen die Holzkonstruktion und die Fassade, dennoch wurde auch Imseng darauf angesprochen: «Unsere Werkstoffe kaufen wir immer bei denselben Schweizer Lieferanten und die Ware stammt vorwiegend aus Europa. Imseng nimmt als Beispiel die Menge Eichenholz in top Riftqualität, wie sie in diesem Projekt benötigt wurde, und sagt: «Dieses Holz ausschliesslich aus Schweizer Wäldern zu bekommen, wäre fast unmöglich.»

Keine Kompromisse macht die Schreinerei aber bei der Produktion: «Das ist für uns gar keine Frage, wir wollen möglichst viel Wertschöpfung in Saas Fee generieren», sagt Michel Imseng dazu. Trotz des grossen Volumens stellte sie fast alle Türen komplett in der eigenen Werkstatt her und lackierte sie. Auch sämtliche Fronten wurden sel- ber furniert und geölt oder mit Kunstharz belegt.

www.imseng-team.chwww.steinmann-schmid.chwww.youthhostel.ch

ph

Veröffentlichung: 12. März 2015 / Ausgabe 11/2015

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