Weitere Meinungen zu: Das Modell muss passen

Am Freitagmittag geht es ins Wochenende

Angelika Durrer (26) lebt mit ihrem Freund in Dallenwil NW. Sie hat letztes Jahr die Weiterbildung zur Küchenplanerin begonnen und wechselt im September von der Werkstatt ins Büro. Sie arbeitet bei der Biber & Specht GmbH in Dallenwil, einem Betrieb mit zwölf Mitarbeitenden. «Familienplanung ist für mich noch kein Thema. Ich arbeite Vollzeit, habe aber den Luxus, dass der ganze Betrieb am Freitagnachmittag schliesst», sagt sie zum Thema flexible Arbeitszeitmodelle. «Das ist gäbig, denn so kann ich sehr vieles am Freitagnachmittag erledigen.» Seit dies vor zwei Jahren eingeführt wurde, habe sie sich keine grossen Gedanken über eine Teilzeit-Anstellung gemacht. Falls sie mal Mutter werde, würde sie gerne in Teilzeit arbeiten und die Arbeit zu Hause mit ihrem Partner aufteilen wollen. «Vielleicht könnten beide 60 Prozent arbeiten, und an einem Tag würde das Grosi einspringen.»

Hälfte noch auf dem Beruf

Etwa die Hälfte der Schreinerinnen und Schreiner, die mit Durrer die Lehre abgeschlossen haben, arbeiten noch auf dem Beruf. «Die Frauen in meinem Bekanntenkreis, die Mütter geworden sind, haben ganz aufgehört zu arbeiten», erzählt sie. «Ich wohne in einer ländlichen Gegend. Hier ist man vielleicht noch konservativer bezüglich der Rollenverteilung.» Einige Schreiner mit abgeschlossener Lehre wechselten in die Landwirtschaft. Sie glaubt nicht, dass die Schreinerbranche bezüglich Arbeitsbedingungen hinterherhinkt. «Bis vor Kurzem hatten wir jedenfalls noch einen Gesamtarbeitsvertrag. Mein Freund ist Forstwart, die hatten noch nie einen GAV.»

Mehrstunden für die Weiterbildung

Markus Huber (30) wohnt unter der Woche in Davos Wiesen GR. Am Wochenende lebt er bei seiner Frau und dem einjährigen Sohn in Südtirol (I). Er arbeitet als Fachmonteur bei der Bernhard Holzbau AG in Davos, die rund 30 Mitarbeitende beschäftigt.

Huber ist zwar zu 100 Prozent ange- stellt, erhält aber nur 90 Prozent Lohn. «Die Mehrstunden, die daraus resultieren, verwende ich für den Freitagnachmittag, den ich mir als frei ausgehandelt habe, sowie für meine Weiterbildung», erklärt er. Huber macht den Lehrgang zum Fertigungsspezialisten. Im Betrieb gelten fixe Arbeitszeiten. Wenn jemand an einem Tag für einen Auftrag Überzeit leisten müsse, dürfe sie oder er an einem anderen Tag früher Feierabend machen. «Das finde ich fair. Mein Arbeitgeber erfüllt die Erwartungen, die ich an meine Anstellungsbedingungen habe.» Damit ein Arbeitgeber attraktiv sei, müsse der Mix stimmen, findet Huber. Ein gutes Team, interessante Arbeit, faire Anstellungskonditionen und der Arbeitsweg seien alles Faktoren, die auf die Arbeitszufriedenheit wirkten. «Meines Erachtens ist der nicht so hohe Stellenwert des Handwerks mit ein Grund, warum viele Junge wieder aus dem Schreinerberuf aussteigen.»

Michèle Ofri

Veröffentlichung: 26. August 2021 / Ausgabe 35/2021

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