«Einfach mal durchklicken»

Seit 1927 bietet das Ferienhaus Hoechi in Braunwald GL ein gemütliches Ambiente mit Holz im Innenraum und grandioser Aussicht durch die Platzierung der Fenster bis in die Ecke. Bild: Elia Schneider

Dokumentation.  Auf der Internetseite holzbaukultur.ch wächst eine Dokumentation heran, die den Werdegang des Holzbaus in der Schweiz begreifbar macht. Bis Ende des Jahres sollen 400 Gebäude online sein. Im Gespräch dazu Elia Schneider von der Berner Fachhochschule in Biel.

Heute redet kaum noch jemand davon. Aber: Das Schweizer Chalet war ein sehr früher Exportschlager. Spätestens mit dem eidgenössischen Beitrag zur Weltausstellung 1867 in Paris war die Chaletarchitektur zentrales Merkmal. Zu dieser Zeit schufen aufstrebende Unternehmen wie etwa die Chaletfabrik Kuoni & Co. in Chur, oder die Chalet- und Parkettfabrik Interlaken BE, heute HTI Holzbau AG, zahlreiche Zeugnisse jener Holzbaukultur. Das hat das Bild der Schweiz weit über die Grenzen hinaus geprägt. Man könnte auch sagen, dass der Chaletholzbau fester Bestandteil der kulturellen Identität ist.

Eine digitale Sammlung

Aber auch später, in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, seien eine ganze Reihe bedeutsamer architektonischer Leistungen in Holz entstanden, erklärt Elia Schneider, selbst Architekt, Innenarchitekt und Kunstvermittler. Seit gut eineinhalb Jahren ist er als fotografierender und dokumentierender Architekt für die Berner Fachhochschule (BFH) in der Schweiz unterwegs. Das Ziel: ein digitales Lexikon und Archiv zur Schweizer Holzbaukultur erstellen. Das Projekt unter der Leitung von Marion Sauter, Professorin für Kulturtheorie an der BFH, entstand in einem fachübergreifenden Team zwischen Kulturwissenschaften, Archäologie, Architektur und Ingenieurwissenschaften. Das Gesicht dazu aber ist Elia Schneider, besser gesagt das untrügliche Auge, denn der Architekt ist auch ein passionierter Fotograf.

Gezieltes Sammeln und Jagen

Er sammelt und sichtet Holzbauten in der ganzen Schweiz aus sechs Jahrhunderten, vom mittelalterlichen Blockbau bis hin zum zeitgenössischen Holzhochhaus. «Der Fokus liegt dabei auf der Konstruktion. Im Quervergleich zeigen sich spannende Aspekte wie etwa Regionalität, Identität und Nachhaltigkeit», beschreibt die BFH das Projekt. Die Verwendung des Nachschlagewerkes durch Studierende liegt Schneider besonders am Herzen. Die Sammlung soll aufzeigen, wie man in den verschiedenen Regionen der Schweiz in den unterschiedlichen Epochen mit Holz gebaut hat. Die Konstruktionen haben sich abhängig vom lokalen Holzvorkommen entwickelt. Die Bautypologie widerspiegelte die jeweilige wirtschaftliche Tätigkeit. «Dies brachte im Alpenraum den Blockbau und im Mittelland den Hochstud- oder Bohlenständerbau hervor», beschreibt die Fachhochschule die Entwicklung.

Bis zum Ende des Jahres soll die Online-Dokumentation auf 400 Bauten angewachsen und damit das Projektziel erreicht sein. Das Werk sei aber nicht als Jurierung, sondern als Sammlung zu verstehen, erklärt Schneider.

Das Stöbern auf der Seite wird ergänzt durch Podcasts, die von den Studierenden der Fachhochschule erstellt werden. Im Gespräch sind diese mit Vertretern der Architektur über unterschiedliche Aspekte des Holzbaus und der Architektur.

Die Schreinerzeitung hat Elia Schneider (Bild) zum Thema befragt:

schreinerzeitung: Da habe ich wohl Glück, dass ich Sie antreffe. Sind Sie normalerweise eher auf Achse, um die Holzbauten der Schweiz in Augenschein zu nehmen?
Elia Schneider: Ganz so ist es nicht. Ich mache die Dokumentation ja nicht allein. Es sind angehende Ingenieure aus Biel und zukünftige Architektinnen aus Burgdorf an den fotografischen Dokumentationen und Podcasts beteiligt. Es war von Anfang an wichtig, die Studierenden daran zu beteiligen. Diese sollen 150 Bauten zu den insgesamt 400 ausgesuchten Bauwerken beisteuern. 65 Projekte der Studierenden sind derzeit in der Bearbeitung und deshalb noch nicht aufgeschaltet.
Aber ja, seit eineinhalb Jahren bin ich unterwegs, vor allem zu den Bauten, die weiter entfernt sind von Biel. Den Studierenden wollten wir kürzere Wege anbieten zu den Objekten.
 
Was ist das Ziel des Projektes Holz- baukultur.ch? Und an wen richtet sich das Ganze?
Ziel ist es, die grosse Bandbreite des Holzbaus im Laufe der Zeit abzubilden. Wir wollen den Schweizer Holzbau, dessen älteste Zeugnisse 600 Jahre alt sind und dessen aktuelle Werke in beachtliche Höhen wachsen, einem breiten Publikum näherbringen. Die Online-Dokumentation ist nicht nur für Fachleute gedacht, sondern für alle Interessierte, die mehr über den Holzbau erfahren möchten.
Mein erster Gedanke war, dass man so etwas doch als Wiki aufsetzen könnte, also ähnlich Wikipedia, bei dem eine ganze Branche sammelt und schreibt.
Das ist ein interessanter Gedanke. Das Ganze hat aber auch ein paar Fallstricke und ist mit unseren Zielen nicht ganz so einfach. Die Bauten, die wir dokumentieren, sind nicht willkürlich zusammengetragen. Vielmehr ist es eine kuratierte Auswahl an Holzbauwerken, die aus unterschiedlichen Gründen wichtige Wendepunkte in der Holzbauarchitektur darstellen. Sie haben also eine gewisse Bedeutung. Bei der Auswahl hat übrigens die Denkmalpflege mitgearbeitet. 200 Holzbauten stammen aus den letzten 30 Jahren und 200 sind älter. Wichtig war uns auch, solche auszuwählen, die für Studierende und Planer besonders interessant sind. Die Sammlung sollte auch keine Werbeplattform von Holzbaufirmen werden, die Beiträge einseitig selbst schreiben und erfassen. Aber vielleicht wäre so eine Art Wiki ein Ansatz, um später das Projekt weiterzuführen. Dazu wären allerdings noch einige Fragen bezüglich des Urheberrechtes und des Zugangs zu Informationen für eine notwendige Tiefe zu klären.
 
Sie meinen, weil Sie die Bilder und Materialien auch zum Download und zur weiteren Verwendung anbieten?
Genau. Die Bilder machen wir selbst und können deshalb unter Beachtung des Ur- heberrechtes alle Fotos zur Verwendung anbieten. Pläne und Dokumente sind mit Wasserzeichen versehen, um sie gegenüber Missbrauch zu schützen. Wenn es ein Wiki wäre, müssten alle Autorinnen und Autoren ihre Einwilligung geben.
Da wir für das Projekt auch öffentliche Gelder verwenden, war es für uns logisch, es auch allen zugänglich zu machen.
 
Ein Nachschlagewerk, das dazu einlädt, die Materialien zu gebrauchen und weiter zu verbreiten. Wäre ergänzend eine Dokumentation über die in den Bauten eingesetzten Materialien sinnvoll?
Nicht von allen Bauten gibt es detaillierte Pläne und Dokumentationen. Wir machen das, was möglich ist. Die Bauten sind unterschiedlich tief und detailliert dokumentiert. Es ist ein ungeheurer Aufwand, eine Vollständigkeit auf hohem Niveau herbeizuführen. Manchmal ist es schier unmöglich. Die Darstellungen sollten aber nicht völlig unterschiedlich ausführlich und tief sein. Das Ganze soll ja mehr sein als eine Sammlung von schönen Aufnahmen.
 
Stecken dahinter auch ein persönlicher Anspruch und ein Ziel?
Neben jedem interessierten Menschen sind auch Fachleute und Studierende weitere Zielgruppen. Die möchten vielleicht eher sehen, wie ein Holzbau altert. Ihnen ist ein authentisches Bild hilfreicher als eine Schönwetterbild am ersten Tag der Fertigstellung. Das unterscheidet uns. Wir wollen lernen mit den Projekten. Man darf auch die Fehler sehen, die gemacht wurden und sich im Laufe der Zeit herauskristallisieren. Vermittlung ist mir wichtig, weshalb die Seite auch intuitiv benutzbar sein sollte und man sich ohne Anleitung auch einfach mal durchklicken kann.
 

www.holzbaukultur.ch

Christian Härtel

Veröffentlichung: 09. Mai 2024 / Ausgabe 18/2024

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