Oft nicht im grünen Bereich

Ein gutes Innenraumklima lässt sich nur mit Zufuhr von ausreichend Frischluft erzielen. Sonst steigt der CO2-Gehalt, und wir fühlen uns unwohl. Bild: Fotolia

CO2-Konzentration.  Wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, herrscht schnell «dicke Luft». Dies schadet unserem Wohlbefinden und verringert unsere Leistungsfähigkeit. Eigentlich ein Thema, das alle angeht, von dem aber bislang nur wenig Notiz genommen wird.

Schlechte Luft ist angesagt, denn unsere Gebäudehüllen werden immer dichter. Vor allem Fenster und Türen – früher stille Garanten für den Luftaustausch zwischen dem Innen und Aussen – sind heute kaum mehr dafür zuständig.

Das ist gut so und auch gewollt. Durch die besseren Bauteile wird Energie eingespart, weil permanente und unkontrollierte Wärmeverluste minimiert werden. Die steigenden Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden führen zu einer luftdichten Gebäudehülle, wie sie auch die Norm SIA 380 verlangt, fördern damit jedoch gleichzeitig ein anderes Phänomen zutage.

Immer dann, wenn man einen Raum betritt und sich denkt: «Bitte lüften», dann herrscht ein Überschuss an Kohlendioxid (CO2). Wer kennt das nicht – von Sitzungsräumen, Klassenzimmern oder auch vom eigenen Schlafzimmer am Morgen? Nur ein Thema für Gebäudetechniker, Architekten und Wissenschaftler? Bislang scheint das Ganze eher ein Nischenthema zu sein. Denn aussagekräftige wissenschaftliche Arbeiten zum Phänomen gibt es bislang nur wenige. Hinweise und grundlegende Erkenntnisse über die Zusammenhänge dagegen gibt es schon lange, und diese werden auch kaum bestritten. Es reicht schon, sich die Fakten anzusehen.

Was dicke Luft ist

Frische Luft enthält etwa 21 % Sauerstoff und 0,035 % CO2. Atmet ein Mensch aus, dann verringert sich der Sauerstoffgehalt der ausgeatmeten Luft um etwa 5 %, der Gehalt an Kohlendioxid jedoch steigt auf 4 % an. Der CO2-Anteil verhundertfacht sich also durch die Atmung.

Enthält die Raumluft 0,1 % Kohlendioxid (1000 ppm), ist die sogenannte Pettenkofer-Zahl erreicht, heute anerkannter Richtwert für die dauerhaft maximal verträgliche Konzentration an CO2 in der Raumluft. Ein Wert, der schnell erreicht ist, das zeigen verschiedene Untersuchungen, auch aus der Schweiz. So hat die Bau- und Umweltchemie AG in Zürich schon vor über zehn Jahren je drei aargauische Schulhäuser mit Fensterlüftung und mechanischer Lüftung zum Thema untersucht.

Wenn Lüften nicht reicht

Das Ergebnis: In Schulhäusern mit Fensterlüftung und dichten Gebäudehüllen reichte eine regelmässig praktizierte Fensterlüftung in den Pausen nicht aus, um eine zumindest befriedigende Raumluftqualität zu erreichen. Die Kohlendioxid-Konzentration lag weitestgehend über 2000 ppm.

Besser stellte sich die Situation erwartungsgemäss in den Räumen der Schulhäuser mit mechanischer Lüftung dar. Die damals untersuchten Schulräume erfüllten laut der Autoren die Vorgaben für die CO2-Konzentration, abgesehen von kurzzeitigen minimalen Überschreitungen. Heute haben etwa 30 % aller neu gebauten Wohnungen in der Schweiz eine Komfortlüftung. Künftig wird es also weniger oft dicke Luft in den Räumen geben. Im Bestand jedoch sieht es noch anders aus.

Wann dicke Luft herrscht

In einem Besprechungsraum mit angenommenen 60 m3 Volumen und zehn teilnehmenden Personen hat man nach einer Stunde grob überschlagen schon den zehnfachen CO2-Gehalt in der Raumluft. Das natürliche Gas gilt als Leitparameter für von Menschen verursachte Luftverunreinigungen, da der Anstieg der CO2-Konzentration in Innenräumen gut mit dem Anstieg der Geruchsintensität menschlicher Ausdünstungen korreliert. Fühlen sich die Teilnehmer dann müde und schlapp, liegt dies womöglich nicht am Thema, sondern an der Luft, der widernatürlichen Konzentration von CO2 und ihrer Begleiterscheinungen.

Dass man CO2 nicht als Schadstoff bezeichnet, liegt wohl einzig und allein daran, dass es sich um eine natürliche Emission handelt. Bei genauerer Betrachtung müsste man aber eigentlich von dieser Haltung abrücken. Diese Zusammenhänge sind seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt und wurden vom Hygieniker Max von Pettenkofer dargelegt. Die Konzentration von CO2 in Innenräumen dient heute als allgemeiner Indikator für die vom Menschen insgesamt abgegebenen Emissionen und Geruchsstoffe, stellen diese doch eine massgebliche Quelle der Verunreinigung von Innenraumluft dar. Zusammenhänge gibt es auch mit der Menge an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), die zum Teil als Träger des vom menschlichen Körper ausgehenden Geruchs angesehen werden können.

Auch im Schlafzimmer

Ein Mitteleuropäer verbringt nur etwa 10 Prozent seiner Lebenszeit an der frischen Luft. Fleissige Berggänger mögen das für Unfug halten. Aber wenn man sich den Alltag eines normalen Bürotätigen ansieht, scheint die Zahl doch plausibel. Nach dem Frühstück in der Wohnung ab ins Tram, rein ins Büro, zwischendurch kurz Luft schnappen, dann wieder ins Auto oder ins Tram und am Abend ruhig zu Hause die Beine hochlegen, vielleicht noch eine Partie Tennis in der Halle oder ein Besuch in einem Lokal. Unter dem Strich verbringt man so sogar oft mehr als 90 % der Zeit in Innenräumen. 10 % am Tag an der frischen Luft, das würde bedeuten, dass man pro Tag immerhin 2,4 Stunden draussen verbringt.

Die Innenraumluft und ihre Qualität geht deshalb alle etwas an. Ein regelmässiger Luftaustausch in Innenräumen ist neben der Vermeidung von Schadstoffquellen ein wesentlicher Punkt für eine gesunde Raumluft. Ohne Lüftungsanlagen kann die für den Menschen notwendige Luftmenge bei unseren gut abgedichteten, modernen Gebäuden in der Regel nicht mehr zugeführt werden – ein regelmässiger Luftaustausch ist vor allem im Schlafzimmer und in dicht belegten Räumen unbedingt notwendig.

So mancher Fensterbauer begegnet der Thematik mit Merkblättern für das richtige Lüften für die Bauherren. Das hilft, aber in Büro- oder Sitzungsräumen, Klassenzimmern und Schlafzimmern reicht auch das regelmässige Stosslüften, wie bereits erwähnt, oft nicht aus. Da das subjektive Empfinden von Wärme und frischer Luft sehr unterschiedlich ausfallen kann, braucht es nur eine Person in einer Gruppe, die vielleicht schnell friert. Dann schrumpfen die 5 bis 6 Minuten, während denen die Fenster vollständig zum Lüften geöffnet sind, auf einige Sekunden. Drei Mal täglich Querlüften ist für so manchen eine Belastung.

Was dicke Luft anzeigt

In diesen Fällen können sogenannte Luftampeln helfen, die mit CO2-Sensoren ausgestattet sind, mit denen sich die Raumluftqualität bestimmen lässt. Meist zeigen die Geräte die Güte der Luft in drei Stufen an, in Grün, Gelb und Rot. Die Ausführungen der Hersteller sind dabei recht unterschiedlich. Inzwischen gibt es die Sensoren auch als Unterputzelemente, die sich so in ein normales Schalterprogramm integrieren lassen. Andere werden mittels App bedient und präsentieren ihre Ergebnisse entsprechend am Bildschirm, optisches und akustisches Warnsignal inbegriffen.

Oft wird neben dem Kohlendioxidgehalt auch die relative Luftfeuchtigkeit und die Temperatur gemessen, so- dass man eine Innenklimastation hat und auch die Luftfeuchte im Griff behält. Wieder andere Modelle werden einfach wie ein Netzstecker angedockt und zeigen die Luftgüte optisch an. Bei der Genauigkeit liegen die Modelle in einem ähnlichen Bereich, sodass der Anwender je nach Geschmack und Möglichkeiten die Qual der Wahl hat.

Damit Bauherren auch nach dem Fenstertausch nicht mit dicker Luft leben, ist ein Hinweis auf dieses Werkzeug neben den Tipps zum richtigen Lüften sicher wertvoll. Die meisten zeigen sich dann doch überrascht, wie schnell die Luftgüte im Alltag in Innenräumen abnimmt.

Luftqualität im Klassenzimmer

So auch bei einem Projekt zur Messung der Raumluftgüte in Schulzimmern: Vom Verein Lunge Zürich zusammen mit der Plattform meineraumluft.ch initiiert, läuft die Messkampagne seit November 2016. Lehrkräfte aller Schulstufen und Unterrichtsfächer können noch bis April 2017 kostenfrei ein Messpaket ausleihen und während einer Woche gemeinsam mit den Schülern die Luftqualität im Klassenzimmer messen und dokumentieren. «Die Beteiligung ist erfreulich. Es haben bereits 28 Schulen daran teilgenommen. Auffallend ist bislang bei der Aktion, dass sich viele Lehrpersonen erstaunt zeigen über die hohen CO2-Konzentrationen während einer Schullektion und darüber, wie schnell und hoch das CO2 ansteigt. Somit wird auch deutlich ersichtlich, wie wichtig das Lüften ist», sagt Caroline Leuenberger, zuständig für die Präventionsprojekte beim Verein Lunge Zürich. Das Veratmen der guten Luft verhält sich bei Menschen und Säugetieren übrigens gleich. Pflanzen leisten durch die Photosynthese einen Beitrag zu guter Luft. Zimmerpflanzen reichen jedoch nicht aus, um die Konzentration von Kohlendioxid in Räumen zu vermindern. Der Effekt der Verbesserung der Luftgüte ist bezüglich des Feuchtegehaltes deutlich spürbarer. Pflanzen verbessern also die Luftgüte in Räumen, lösen aber nicht das Problem des CO2. In der Nacht kommt die Photosynthese sogar zum Erliegen, dann veratmen auch Pflanzen Sauerstoff. Ihre Bilanz bleibt jedoch – ganz im Gegensatz zu jener des Menschen – deutlich positiv.

Bewertung der Innenraumluft

Dimensionierungshilfe für Komfortlüftung

Lüftungstechnische Anlagen

Luftqualität in aargauer Schulhäusern

Merblatt richtiges Heizen und Lüften

Studie zum natürlichen Luftwechsel in Innenräumen

www.raumlufthygiene.chwww.airqualitymonitor.chwww.raumluft.orgwww.logidatatech.comwww.lunge-zuerich.chwww.meineraumluft.ch

ch

Veröffentlichung: 19. Januar 2017 / Ausgabe 3/2017

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