Windays auf Windows

Moderator Reinhold Kober (l.) und Peter Schober aus Österreich zugeschaltet. Bild: Isabelle Spengler

Windays. Heuer findet die Fachtagung der Fenster- und Fassadenbranche bereits zum zehnten Mal statt. Mit einer Neuerung: Die Veranstaltung wurde erstmals in den virtuellen Raum verlegt.

Natürlich, man hätte der zehnten Austragung der Windays etwas mehr Pomp und Glamour gewünscht. Ein Glas zum Anstossen, Hände zum Schütteln und eine schöne Lokalität, die der guten Stimmung beiträgt. Doch es lässt sich eben nicht alles digitalisieren. So freute sich Peter Staub, Direktor des Departements Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule (BFH), als er zum Auftakt die Teilnehmenden an den Bildschirmen begrüsste, dass die Fachtagung der Fenster- und Fassadenbrache anders als gewohnt aber dennoch stattfinden kann. «Die Veranstaltung hat eine Scharnierfunktion: Sie ist Dreh- und Angelpunkt zwischen Wirtschaft und Forschung und hat das Ziel, den Diskus anzuregen», sagt Staub weiter. Es sei darum sehr erfreulich, dass rund 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und Lichtenstein den Weg in den virtuellen Raum gefunden hätten.

Christoph Rellstab, Leiter Höhere Fachschule Holz der BFH, meinte zur Begrüssung: «Wenn man mich vor zwei Jahren gefragt hätte, ob ein solcher Anlass auch rein digital ausgetragen werden kann, hätte ich selbstverständlich Nein gesagt.» Nun, nach über 12 Monaten der Corona-Pandemie, hätten sie an der BFH aber viele Erfahrungen in Sachen Onlineunterricht und Webinaren sammeln können. Und wie der deutsche Schriftsteller Theodor Storm schon gesagt habe: «Man muss sein Leben aus dem Holz schnitzen, welches man zur Verfügung hat.» Und so hätten sie es sich für die Windays ebenfalls vorgenommen, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen.

Der Markt erholt sich

Die Tagung, die in drei Blöcke aufgeteilt ist, startete am Vormittag mit den Themen Markt, Entwicklungen und Innovationen. Norbert Winterberg, Leiter Kompetenzbereich Management und Marktforschung der BFH, machte den Auftakt mit dem Referat «Trends und Entwicklungen im Bau-, Fenster- und Fassadenmarkt». Die Schweiz sei bis jetzt noch glimpflich durch die Pandemie gekommen, erklärte Winterberg die aktuelle Lage. Laut den neusten Zahlen des Staatsekretariats für Wirtschaft SECO sei das Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Schweiz zwar um drei Prozent gesunken, in der Eurozone hätte der Rückgang aber sechs Prozent betragen. Anhand der erteilten Baubewilligungen in der Schweiz, zeigte der Bauingenieur und Ökonom die Marktentwicklungen auf. Die Baubewilligung erlebten in den Jahren 2019 und 2020 erstmals seit zehn Jahren wieder einen Anstieg. Zudem seinen die Baukosten pro Baubewilligung gestiegen. Das komme daher, da grössere und oder luxuriösere Gebäude erstellt würden. «Wir können davon ausgehen, dass sich der Markt zügig erholen wird», sagt Winterberg weiter. Am Fenstermarkt könne man ebenfalls eine Zunahme der Durchschnittspreise von 2019 auf 2020 erkennen. Die Prognosen gingen auch hier von einem Wachstum von rund 3.5 Prozent aus.

Ein Blick in die Welt

Weiter mit den Referaten ging es mit einem Blick in die grosse, weite Welt. Matthias Dick, Business Development Manager der Sika Europe Management AG zeigte die «Entwicklungen auf dem internationalen Fenster- und Fassadenmarkt» auf. Die beiden Märkte würden sich, global betrachtet, stark unterscheiden, sagte Dick: «Der Fenstermarkt unterliegt viel stärker den lokalen Gegebenheiten als der Fassadenmarkt. In den verschiedenen Weltregionen haben sich ganz unterschiedliche Fenster-Öffnungsarten durchgesetzt. Dazu kommt, dass die Materialverfügbarkeit der Werkstoffe sehr unterschiedlich ist.» Das mache den Fenstermarkt sehr komplex und die Preiseunterschiede gross. Ganz anders sei da der Fassadenmarkt: «Dieser erlebt derzeit eine Globalisierung. Es kommt nicht selten vor, dass zum Beispiel für einen Neubauprojekt in Russland der Architekt aus Deutschland stammt, der Consultant sein Büro in den USA hat und das Glas sowie die Fassade aus China angeliefert werden», so Dick weiter. Er sieht künftig die Herausforderungen in den Konsolidierungen am Fenstermarkt. Ausserdem seien Themen wie die Ökologie der Fassaden, die Effizienz in der Wärmedämmung und die Individualisierung nach wie vor aktuell.

Fensterprototypen aus Österreich

Nach einer kurzen Pause und einem virtuellen Ausflug in die Begegnungszone «Wonder.me» schaltete sich Peter Schober aus Österreich zu. Der Abteilungsleiter Bautechnik und Fachbereichsleiter Fenster von Holzforschung Austria stellte das sogenannte «Morgenfenster» vor. «Wir verwenden diesen Begriff, weil die oft verwendete Bezeichnung „das Fenster der Zukunft“ für uns zu weit weg erscheint, während das Morgenfenster nahe am Jetzt ist und schon morgen Einzug in die Überlegungen und Entwicklungen der Branche halten könnte», erklärt Schober zu Beginn. Ihr Ziel war es, smarte und energieeffiziente Fensterprototypen zu entwickeln. Die Fenster sollten keine konventionellen Dreh-Kipp-Beschläge aufweisen. Sie suchten dafür nach anderen Bewegungsmustern, Möglichkeiten von mechatronischen Antrieben und automatisierten Lüftungsmöglichkeiten. Entstanden sind dabei vier Prototypen: Das flächenbündige, nach innen öffnende Dreh-Fenster, das nach aussen öffnende Parallel-Abstell-Dreh-Fenster, das Schwing-Klapp-Fenster und das Abstell-Schiebe-Fenster. «Wir haben alle Typen der Öffentlichkeit präsentiert. Dabei kamen das nach Innen öffnende Dreh-Fenster und das Abstell-Schiebe-Fenster am besten an. Wir denken darum, dass es Potential für neue Fenstergenerationen gibt», erklärt Schober abschliessend

Leise und smart

Urs Uehlinger, Leiter Kompetenzbereich Fenster, Türen und Fassaden der BFH, zeigte sich überleitend überrascht, ab der grossen Vielfallt von Peter Schobers Prototypen. Uehlinger, der in seinem Referat «Motorisiert, leise und smart – Das neue Standardfester» in Aussicht stellte, berichtete über die Schwierigkeit, Schallschutz und Lüftung zu vereinen. «Die Luftqualität in Innenräumen kann mittlerweile mit automatisierten Fenstern geregelt werden», sagt Uehlinger. Das Problem sei, dass die Funktionsgeräusche der Fenster nach wie vor zu laut seien. Das Öffnen und Schliessen verursacht Knack-Geräusche, die einen in der Nacht aufweckten. Darum arbeiten sie derzeit am Innosuisse-Projekt «M-Window». Ziel dessen sei es, ein Fenster zu gestalten, welches steuer-, integrierbar und lautlos sei und welches die Raumlüftung automatisch regeln kann. Dabei müssen die Kosten und der Nutzen in Gleichgewicht bleiben. «Neben diversen konstruktiven Aspekten gibt es auch noch einige technische Herausforderungen zu bewältigen. Ich spreche von Fenstergrösse, Gewicht, Bauanschluss und Wärmebrücken, aber auch davon, dass es schwierig ist, solche Fenster bei Renovationen einzupassen», erklärt Uehlinger weiter. Ausserdem dürfe man bei automatisierten Fenstern nicht vergessen, dass auch die Monteure zum Beispiel in Elektrik geschult werden müssen und auch die Planer viel mehr Wissen mitbringen müssen.

Statisch-mechanische Analysen errechnen

Im letzten Referat vor dem Mittag stellte Marcus Schiere, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der BFH, die Frage: «Können wir uns in der Fensterentwicklung immer noch Realversuche leisten, um an verlässliche Informationen hinsichtlich der Festigkeit zu kommen?» Er präsentierte die zwei Methoden Finite Elementen Methode (FEM) und Digital Image Correlation (DIC), mit welchen man auf rein rechnerischem Weg eine statisch-mechanische Analyse eines Fensters machen kann. Diese Methoden liefern laut Schiere zuverlässige Daten, ohne einen Realversuch durchführen zu müssen. Das sei nicht nur zeitsparender, sondern auch kostengünstiger. «Wir haben in den Simulationen die Möglichkeit, verschiedene Parameter zu verändern. Zum Beispiel fragen wir uns, welchen Einfluss eine Zweifach- oder Dreifachverglasung auf die Fensterstatik hat. Oder inwiefern sich mehr oder weniger Klebstoff im Fenster auf dessen Stabilität auswirkt», verbildlicht Schiere weiter. Dank diesen Methoden hätten sie viele Einsichten gewinnen können, ohne dass sie je ein Fester hätten zu Bruch gehen lassen. Allerdings gäbe es auf diesem Feld noch viel zu tun. Es würden zum Beispiel noch Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften von Klebstoffen und Klebebändern fehlen, die es für die Berechnungen brauche. Auch gäbe es noch Fragen zu der Optimierung der Verklebung oder zu weiteren Lastfällen wie Windlast oder Temperatur.

Hier geht es zur Berichterstattung des zweiten und dritten Blocks der Windays.

Hier geht es zu der Veranstaltungsseite der Windays.
Alle Dokumente zu den Referaten sind unter diesem Link zu finden.

Isabelle Spengler

www.bfh.ch

Veröffentlichung: 15. April 2021

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