265 Jahre Bodengeschichte

Holz zerstörende Pilze hatten dem Blindboden aus Fichte arg zugesetzt.

Restaurierung.  Im Kanton Luzern befindet sich ein wichtiges Stück Parkettgeschichte der Schweiz. Eine Restaurierung sollte den Erhalt des historischen Bodens sichern. Das Projekt erwies sich für die Beteiligten als grosse Herausforderung und förderte Unerwartetes zutage.

Der Grosse Festsaal des ehemaligen Klosters St. Urban im Kanton Luzern wurde von 1723 bis 1751 in mehreren Etappen erbaut. Damals liess der Zisterzienserorden vom Vorarlberger Baumeister Franz Beer eine komplett neue Klosteranlage planen und errichten. Der 350 m2 grosse Saal soll mit seinem Versailler-Parkett und den aufwendigen Stuckaturen zu dieser Zeit sogar den Fürstensaal des Klosters Einsiedeln übertroffen haben. Noch heute gilt die Klosteranlage als eindrückliches Beispiel barocker und zisterziensischer Baukunst und steht deshalb unter Denkmalschutz.

Mehr Personen als früher

Im Gegensatz zu seiner anfänglichen Nutzung – bei Feierlichkeiten und Empfängen – wird der Versailler-Parkettboden heute durch ein ständiges Betreten bei Veranstaltungen einer grossen Belastung ausgesetzt.

Diese veränderten Nutzungsbedingungen und deutlich höheren Besucherzahlen führen unweigerlich zu irreversiblem Materialverschleiss. Abgebrochene Ecken, eingebrochene Füllungen, Kratzspuren durch umhergeschobenes Mobiliar und Eindrücke von Damenabsätzen stellen einen substanziellen Werteverlust dar. Deshalb wurde beschlossen, das historisch wertvolle Parkett im Jahr 2014 fachgerecht restaurieren zu lassen.

«Selbst wenn die Abnutzungserscheinungen nach einer gelungenen Restaurierung auf den ersten Blick nicht mehr wahrnehmbar sind, ist die originale Substanz mit den Jahren unwiederbringlich verloren gegangen», sagt der zuständige Restaurator Peter Egloff. Aufgrund dessen waren die Ansprüche an die Qualität der Restaurierungsmassnahmen besonders hoch. «Der Boden soll ja unter den heutigen Nutzungsbedingungen noch möglichst lange halten», ergänzt der Fachmann.

Nebst den handwerklichen Eingriffen gehört zu einer seriösen Restaurierung eine ausführliche Dokumentation. In dieser werden Fakten zur Objektgeschichte, die Bestandesaufnahme sowie daraus folgende Konzepte und Massnahmen oder auch Pflegehinweise festgehalten. «Die Dokumentation dient einerseits als Arbeitsgrundlage wie auch der Kostenkontrolle und soll aber auch spätere Renovationen erleichtern», berichtet Egloff.

Weitreichende Klimaschäden

Bei der Bestandesaufnahme wurde schnell klar, dass das Raumklima nicht immer ausgewogen war. Das Verhältnis von Temperatur und Luftfeuchtigkeit war über eine längere Zeit nicht optimal. Als weitere grosse Schadenquelle entpuppte sich ein Eingriff von 1940, bei dem eine Dachpappe eingebaut wurde.

Hinzu kamen die negativen Auswirkungen durch das Beheizen des Saals: «Vor einer Veranstaltung hat man die Raumtemperatur innert kurzer Zeit stark erhöht. Ebenso schlagartig senkte sich danach die Temperatur wieder», erzählt Egloff. Die hervorgerufenen Veränderungen des Raumklimas führten zu verschiedensten Schäden an der Bodenkonstruktion:

  • Schwundrisse im Massivholz
  • Fugenbildung durch das Schwinden und Quellen
  • Zersetzung der Leimkraft innerhalb der masshaltigen Bauteile der einzelnen Parketttafeln
  • Krümmung und Verformung der Blindbodenbretter

Durch den Einbau einer kontrollierten Lüftung wurde in den letzten Jahren die Klimasituation allerdings merklich verbessert. Zudem minimiert eine gezielte Temperaturregulierung starke Temperaturschwankungen zwischen Innen- und Aussenklima.

Biologische Schäden

Als grösste Gefahr erwiesen sich allerdings die Holz zerstörenden Schädlinge. Durch den Einbau der Dachpappe wurde eine Klimasituation geschaffen, die zum Anstieg der Holzfeuchtigkeit führte. Während der kalten Jahreszeit kondensierte die Feuchtigkeit und schuf ideale Bedingungen für tierische Schädlinge und Holz zerstörende Pilze. Die Experten fanden den braunen Kellerschwamm, den weissen Porenschwamm sowie zahlreiche Schimmelpilze vor. Die davon betroffene und beschädigte Unterkonstruktion beträgt etwa ein Drittel der Gesamtfläche des Blindbodens. Auch das Tafelparkett zeigte an seiner Rückseite Spuren der Holz zerstörenden Pilze, dieses konnte aber fachgerecht saniert werden. Die stark beschädigte und teilweise nicht mehr tragfähige Bretterbodenkonstruktion zählte deshalb zu der grossen Herausforderung, welche die Restauratoren zu bewältigen hatten.

Bereits mehrmals überarbeitet

Doch bereits früher waren die Fussböden naturgemäss die meistgenutzten Elemente einer Gebäudeausstattung. Durch die quellenkundige Nutzungsgeschichte ist ablesbar, dass in der Vergangenheit mehrmals Gebrauchsspuren durch notwendige Reparaturmassnahmen behoben wurden.

In diesen quellenkundigen Baurapporten ist vermerkt, dass teilweise sogar das gesamte Tafelparkett ausgebaut, repariert und wieder eingebaut wurde. Bei diesen invasiven Eingriffen hat man schadhafte und abgenutzte Holzteile ausgewechselt. Nach jeder grösseren Reparatur wurde die gesamte Bauteilfläche geschlichtet, geschliffen und neu gewachst. Die Bauteilstärke verringerte sich dadurch im Laufe der rund 265 Jahre um etwa 10 mm. «Anhand des Verhältnisses der Nut zur Nutzschicht lässt sich das einfach und sehr genau bestimmen», erklärt Egloff.

Verschiedene Qualitäten

Die einzelnen Reparaturphasen sind von ihrer Qualität her sehr unterschiedlich zu bewerten und stellten einen wichtigen Beurteilungspunkt in den auszuführenden Restaurierungsmassnahmen von 2014 dar.

Aufgrund der enormen Dimensionen, welche die fachgerechte Restaurierung des Versailler-Parketts annahm, entschied sich die Antikschreinerei Bruno Boog, mit dem Fachbetrieb von Peter Egloff eine Arbeitsgemeinschaft einzugehen: «Nur so war es möglich, alle Schwierigkeiten innert nützlicher Frist zu lösen.» Das ganze Projekt dauerte letztlich rund sechs Monate und hat insgesamt etwa 500 000 Franken gekostet.

www.p-egloff.chwww.st-urban.chwww.da.lu.chwww.bboog.ch

Zur Person

Peter Egloff schloss 1992 seine Ausbildung als Drechsler, Holzbildhauer und Möbelschreiner ab. Fünf Jahre später machte er eine Weiterbildung zum Restaurator im Tischlerhandwerk in Deutschland. Darauf folgte ein Nach-diplomstudium sowie die Tätigkeit als Referent und Leiter der Restauratorenfortbildung in Fulda.

Bereits 2006 liess Egloff sein im luzernischen Littau ansässiges Unternehmen zum Fachbetrieb für Denkmal- pflege zertifizieren. Zu seinen Mitarbeitern zählt er zwei Schreiner, einen Maler und einen Bauingenieur – allesamt mit entsprechenden Weiterbildungen als Restauratoren.

ph

Veröffentlichung: 11. Dezember 2014 / Ausgabe 50/2014

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