Auch ein Roboter gibt zu tun

Oliver Bantli, Inhaber der Schreinerei – Holzbau Bantli AG, steht vor «Michelle», einer vertikalen CNC mit Roboterarm. Bild: Thi My Lien Nguyen

DuRchgängigkeit.  Die Bantli AG in Eschenz TG gehört zu den Pionieren der Datendurchgängigkeit. Inhaber Oliver Bantli will seinen Betrieb technisch und digital stets vorwärtsbringen, um als Unternehmer und Arbeitgeber zeitgemäss zu sein. Einfach ist das nicht immer.

«Lindsey» ist schnell und teuer, «Mikaela» ist technisch die Beste und «Corinne» die Neuste. Die wichtigen Maschinen der Schreinerei – Holzbau Bantli AG im thurgauischen Eschenz tragen alle Namen von erfolgreichen Skirennfahrerinnen. Ohne sie geht im Betrieb nichts. «Unsere Maschinisten vergeben die Namen. Das hat sich zu einer Tradition entwickelt», erklärt Oliver Bantli, der Geschäftsinhaber. «Etwas Humor darf nicht fehlen. Und wir behandeln unsere ‹Skirennfahrerinnen› sehr gut.» Die erste Maschine, die bei der Bantli AG einzog, war 1999 ein stehendes CNC-Bearbeitungszentrum (Baz) von Brema. «Das war für mich der Einstieg in die CNC-Technologie. Gleichzeitig legten wir uns die erste CAD-Software zu, damals noch 2D», blickt Bantli zurück. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der Betrieb noch seinem Vater Martin. Dieser liess ihn jedoch diesbezüglich schalten und walten.

Vor 20 Jahren übernahm der heute 47-Jährige den Betrieb. Es kamen immer wieder neue Maschinen hinzu, zum Beispiel 2014 ein Kantenanleimer mit Rückführung oder ein Beschickungsautomat zur grossen Portal-CNC-Maschine. 2021 folgte eine weitere Innovation: eine vertikale CNC mit Roboterarm (Drilltec V-500 mit Feedbot D-300) für Korpusteile von Küchen oder Schränken. Insgesamt besitzt die Bantli AG vier Bearbeitungszentren von Homag/Weeke, zwei stehende und zwei liegende. Auch ein automatisiertes Plattenlager mit angehäng- ter Säge fehlt nicht. «Wir sind keine klassische, sondern eine industriell angehauchte Schreinerei.»

Schnittstellen ausmerzen

Die sich ständig verbessernde Technik und die zunehmende Digitalisierung haben Bantli schon immer fasziniert. «Ich überlege immer wieder, was wir noch verbessern könnten, und entwickle mit meinen Mitarbeitenden neue Ideen.» Deswegen wagte er, als einer der ersten Schreinerbetriebe in der Schweiz, die Datendurchgängigkeit Schritt für Schritt umzusetzen. Ab 2002 zuerst vermehrt im Rechnungswesen sowie in der vernetzten Kalkulation und später durch das Auslesen der 3D-Zeichnungsdaten. «Dank der Datendurchgängigkeit verbessern wir die Schnittstellen und können so allfällige Fehlerquellen minimieren oder komplett ausmerzen.»

Seit 1986 arbeitete der Betrieb zur Planung und Kontrolle der Unternehmensressourcen mit der Treichler-Software, wechselte 2016 aber auf das ERP-System von Triviso. Von Letzterer hat die Bantli AG sich aktuell ein elektronisches Regierapportwesen programmieren lassen. «Alle Aufträge und daran geknüpfte Prozesse hängen zusammen. Bei sämtlichen Entwicklungen brauchte es einen entsprechenden Effort, bis alles jeweils richtig hinterlegt war und sämtliche Parameter zusammenpassten.» Seit über 23 Jahren läuft zum Beispiel auch die vernetzte Terminplanung vollständig über das digitale Tool.

Die ersten drei Monate waren intensiv

Die 3D-CAD-Software wurde 2007 bei der Bantli AG von Swiss All CAD eingeführt und aufgebaut. Der Softwareentwickler Alex Ochsner war zu Beginn vor Ort und arbeitete am Programm und an den Bibliotheken, da es viele Einstellungen und Abstimmungen brauchte. «Die ersten drei Monate der Umstellung auf das 3D-CAD waren herausfordernd», erinnert sich Bantli. «Es gab immer wieder Fehlzeichnungen und dadurch falsche Programmierungen. Das ist eben Pionierarbeit und ging an die Substanz. Dennoch möchten wir es auf keinen Fall missen.» Es sei ein langer Weg gewe- sen, bis sämtliche Vorgänge einwandfrei funktionierten und die Fehlerquellen ausgemerzt waren. «Es ist ein nie endender Prozess. Es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen und zu verstehen, wie die Software und die Abläufe funktionieren.» Einen längeren Ausfall der Produktion gab es zum Glück allerdings noch nie. Denn der Unternehmer sichert alle betriebsrelevanten Prozesse wie EDV, Pneumatik, Heizung, Stromzufuhr oder Ersatzteile doppelt ab.

Spritzautomat im Handwerksformat

«Corinne» ist der neuste Shootingstar: ein Spritzautomat von Bürkle mit automatischer Beschickung, Reinigung und Entnahme. 2019 hatte Oliver Bantli ein ähnliches Modell an der Ligna in Hannover (D) gesehen. Er wunderte sich schon länger, dass die Hersteller keine kleineren Handwerksmaschinen im Angebot hatten. «Wir haben uns ab 2012 mit der Idee einer automatischen Lackierungsanlage auseinandergesetzt», sagt er. «2019 hatten wir Glück, und die Firma Bürkle war einverstanden, für uns eine solche Maschine zu bauen.» Dies dauerte rund eineinhalb Jahre. Nach einem dafür nötigen Anbau wurde «Corinne» zusammen mit der neuen Mitarbeitendenkantine in Betrieb genommen. «Wir waren die Ersten, die einen Spritzautomaten von Bürkle in dieser Art erhielten. Es ist ebenfalls ein Pionierprojekt, auf das wir stolz sind.»

Die Maschine musste zu Beginn noch auf die Bedürfnisse und Abläufe eingestellt werden. Die Kinderkrankheiten wurden durch Spezialisten und das Bantli-Team nach und nach ausgemerzt. Heute läuft die Lackiermaschine gut – es wäre aber nicht «Bantli-like», wenn nicht weiter daran optimiert würde. «Die Teile werden automatisch und schneller lackiert, und ich brauche dafür nur einen Oberflächenspezialisten», bilanziert der Chef. Die Lackiermaschine sei allerdings noch nicht voll ausgelastet. Dies soll mit dem Angebot von Lohnarbeiten geändert werden. «Bezüglich Tempo, Gleichmässigkeit und Genauigkeit ist ihre Arbeit unschlagbar.» Er wisse nicht, ob er jede Weiterentwicklung nochmals genau so umsetzen würde, gibt er selbstkritisch zu. «Es reizt mich allerdings, immer wieder neue Wege und Verbesserungen zu finden und auszuprobieren.»

Die Mitarbeitenden ziehen mit

Das kann er jedoch nicht alleine. Dessen ist sich Oliver Bantli bewusst. Seine Mitarbeitenden teilen seine Begeisterung, ziehen mit und werden früh in die Veränderungen miteinbezogen. «Wir sind eine grosse Familie. Jeder Mitarbeitende ist ein wichtiges Zahnrad im Getriebe. Viele sind gerade wegen der Ausrichtung als modernes Unternehmen zu uns gekommen.» Durch die Effizienz der Datendurchgängigkeit hat er niemanden entlassen müssen. «Im Gegenteil: Der Betrieb ist in den letzten 20 Jahren von 10 auf rund 50 Mitarbeitende angewachsen. Wir sind stolz und dankbar für unser Fachpersonal.» Damit die Arbeit in der Produktion für die Maschinisten spannend bleibt, maschiniert jeder die Teile seines Auftrags von A bis Z, bevor die Werkstücke zu den Bankschreinern und in die Oberflächenbehandlung weitergegeben werden. «Ich möchte nicht, dass die Maschinisten fix einer Maschine zugewiesen sind. Durch diese Arbeitsweise gibt es weniger Schnittstellen, und die Arbeit ist für den Angestellten abwechslungsreicher», begründet der Firmenchef.

Wegen der Datendurchgängigkeit hat sich die Verantwortung von der Produktion in die Planung verschoben. Im Büro wird deswegen mehr Personal benötigt. «Einige kamen von aussen. Andere bildeten sich weiter und wechselten intern», erzählt Bantli. «Mein Ziel ist es, gutes Fachpersonal auszubilden und dieses weiterzubeschäftigen.» Derzeit zählt der Betrieb 15 Personen im Büro sowie 25 in der Produktion und Montage. Viele haben schon ihre Ausbildung bei der Bantli AG gemacht. Hinzu kommen 7 Lernende.

Jubiläen werden gefeiert

Das Miteinander und das Wohl seiner Angestellten sind dem Unternehmer wichtig. Für ihre Treue werden sie in Fünf-Jahres-Schritten belohnt. Und auch das Bestehen des Unternehmens wird alle fünf Jahre mit der Belegschaft gefeiert. Aus Anlass des 40-jährigen Bestehens sind Oliver Bantli und seine Frau Petra mit allen Mitarbeitenden vier Tage nach München gereist.

Derzeit wird die neue Zimmereihalle fertiggestellt – die insgesamt neunte Ausbauetappe des Betriebes, seit Oliver Inhaber ist. «Nach den Projekten und Erneuerungen benötigen alle – Betrieb, Mitarbeitende und ich – eine Zeit der Integration und des Setzenlassens, bevor etwas Neues in Angriff genommen wird. Es ist wichtig, den Markt und den Betrieb zu beobachten, um die weiteren Entwicklungen zu planen», sagt er. Sein primäres Ziel ist es, die Freude am Handwerk zu leben und konkurrenzfähig am Schweizer Markt zu bleiben. Durch die unsteten und steigenden Materialpreise sei das Jahr 2022 herausfordernd gewesen, gibt der Thurgauer zu. Seinen nächsten Schritt kennt er bereits: «Wir packen die Administration und das Rechnungswesen respektive deren weitere Digitalisierung an.»

Besuch aus Deutschland und HOlland

Grosses Interesse an «Michelle»

An Automatisierung und Digitalisierung führt kaum ein Weg vorbei. Der Fachkräftemangel wird die Entwicklung eher noch beschleunigen. Dennoch ist der CNC-Roboter «Michelle» im Betrieb der Bantli AG aktuell der einzige in der Schweiz. Doch das Interesse an der Technologie ist offenbar gross, insbesondere in Deutschland und den Niederlanden. «Uns haben bereits mehrere Betriebe besucht», berichtet Firmenchef Oliver Bantli. Sie würden auf Empfehlung von Händlern oder des Herstellers Homag an den Untersee reisen. «Aus einem Betrieb in Holland, der auf Ausbauten von Jachten spezialisiert ist, kamen gleich vier Personen. Einer von ihnen war Schweizer, der wegen der Liebe nach Holland gezogen war.»

Die Technologie begeistert und fasziniert und kann teils stupide Handarbeit überflüssig machen. Gegenüber Besuchern ist Oliver Bantli offen und teilt auch die Investitionen mit sowie die Herausforderung, die Maschine innert nützlicher Frist zu amortisieren. «Bei der liegenden CNC mit automatisierter Beschickung genügten knapp fünf Jahre. Bei ‹Michelle› wird es wohl etwas länger dauern.» Was eigentlich zu lange sei für eine computergesteuerte Maschine. Auch Hersteller Homag interessiert sich für die Erfahrungen in der Schreinerei. Nach zwei Jahren Einsatz war jüngst Zeit für eine erste Bilanz. «Wir haben im Team eine Liste mit Verbesserungsvorschlägen erarbeitet», sagt Bantli. Maschinist und Projektleiter Florian Neukomm nennt die Wesentlichen: «Wir waren erstaunt, wie schnell der Roboter stabil lief. Mit der Erfahrung hat sich dann gezeigt, dass da und dort die Abläufe noch verbessert werden können. So kontrolliert der Roboter zuerst die Fertigstapelhöhe und scannt erst danach das Werkstück und belegt die Maschine. Umgekehrt wäre aus unserer Sicht besser. Ausserdem ist der Scanbereich etwas eng bemessen.»

Der Roboter arbeitet autonom, auch abends und in der Nacht. «Hier wäre es sinnvoll, wenn die Zelle bei einer Fehlermeldung selbstständig ausschaltet, samt Absauganlage.» Sonst müsse jedes Mal jemand die Anlage in der Werkstatt ausschalten, sobald dies über die Webcam entdeckt wird. Gut wäre es auch, wenn der Roboter Werkstücke, die nicht bearbeitet werden können, aussortiert und weiterarbeiten würde, statt eine Fehlermeldung auszulösen. «Wir haben es jedenfalls sehr geschätzt, dass der Hersteller sich gemeldet hat», sagt Neukomm. Das bringe Nutzer und Entwickler weiter.

Zum Unternehmen

Grosse Bandbreite

Martin Bantli gründete 1982 die Schreinerei – Holzbau Bantli AG in Eschenz TG. Sohn Oliver trat 1999 ins Unternehmen ein und übernahm es 2003. Beschäftigt werden derzeit rund 50 Mitarbeitende, Schreiner und Zimmerleute. In der Produktion sind 11 Personen angestellt, rund 10 sind auf Montage. Der Betrieb ist vielseitig und bietet die ganze Palette an Schreinerarbeiten an. Pro Jahr produziert man zwischen 50 und 70 Küchen. Türen werden immer stärker nachgefragt. Zudem hat sich das Unternehmen einen Namen beim Innenausbau von Projekten im Gesundheits- und Finanzwesen gemacht. Im Grossraum Zürich ist die Firma auch sehr gefragt. «Bedient werden aber alle Kundinnen und Kunden», betont Oliver Bantli, «vom kleinen Auftrag bis zum Grossprojekt.» Die Firma leistet auch einen Betrag zur Nachhaltigkeit: Mit 480 Photovoltaikpaneelen auf den Dächern wird Strom produziert. Zudem wird seit 2012 mit den Abfällen aus der Produktion eine Schnitzelheizung betrieben und die Energie einem Wärmeverbund weitergegeben.

www.bantli.com

Nicole D’Orazio, hil, NDO

Veröffentlichung: 17. August 2023 / Ausgabe 33/2023

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