Auf dem ETH-Dach wohnen für die Forschung

Eine Drehbare Wand ermöglicht die flexible Raumaufteilung. Bild: ETH

Planung. Auf dem ETH-Campus Hönggerberg testen Architekten während eines Jahres eine Kleinwohnung mit flexiblem Grundriss. Unterstützt wird das Projekt auch von der Schreinerbranche und man kann sich fürs Probewohnen melden.

Ein schwarz verkleideter Holzbau steht derzeit auf dem Dach eines ETH-Gebäudes, darauf steht in pinken neonbuchstaben «vacancy». Das Ganze erinnert an die bekannten Motels aus Nordamerika. Das Innere des Baus hat mit einem Motel jedoch ästhetisch nichts gemein: Es öffnet sich ein grosszügig wirkender Raum, in der Mitte eine drehbare Wand.

Ein Wohn-Experiment

Der ungewöhnliche Bau ist ein Projekt der ETH-Architekturprofessorin Elli Mosayebi. Sie experimentiert mit diesem Modell in realer Grösse mit neuen Wohnformen. Ihr Ziel ist es Kleinwohnungen zu gestalten, die sich dank beweglicher Elemente an ihre Bewohner anpassen lassen und dadurch einem breiteren Spektrum an Lebensformen gerecht werden. Die Idee folgt einem aktuellen Bedürfnis: Ein Drittel der Wohnungen im Kanton Zürich werden von alleinstehenden Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen bewohnt, darunter Studierende, Geschiedene, Reisende oder Verwitwete.

Genau diese Personengruppen - und zusätzlich Paare - suchen Mosayebi und ihr Team nun für ihr Experiment. Testbewohner können für je eine Woche in die Modellwohnung auf dem Hönggerberg einziehen. Im Gegenzug halten sie ihre Erfahrungen in Tagebüchern fest.

hier geht es zur Anmeldung

Drehwinkelsensoren ermitteln zudem, wann und wie oft die Bewohner die drehbaren Elemente bewegt haben. Die Resultate bieten Aufschluss darüber, ob und in welchen Situationen die Nutzerinnen und Nutzer Veränderungen wollen - aber auch darüber, wie Grundrisse neu gestaltet werden können, damit sie neuen Lebensformen ermöglichen.

Unterstützung aus der Branche

Das Projekt wird auch von verschiedenen Unternehmungen aus der Holzbranche unterstützt. Darunter die Schreinerei KLS Müller AG aus Wallisellen ZH, die Blumer Techno Fenster AG aus Waldstatt AR, der Schichtstoffhersteller Argolite aus Willisau LU und die Holz Stürm AG aus Goldach SG.

Auf der Suche nach neuen Grundrissen

Mosayebi reagiert mit dem Forschungsprojekt auf einen Widerspruch. Das dominante Wohnmodell sei heute noch immer die Familienwohnung, die sich in ihren Belegungsplänen - Küche, Wohnzimmer, Elternschlafzimmer, Kinderzimmer - an der bürgerlichen Kleinfamilie orientiere. «Davon haben sich unsere Wohnformen aber längst entfernt, weil die Lebensläufe und -formen individueller und die Einzelhaushalte häufiger geworden sind», sagt die ETH-Professorin.

Nach flexibler Architektur werde in vielen Wettbewerben gefragt, sagt Mosayebi weiter. Gebaut würden aber nur Wohnungen, die einfach umzubauen sind. Wohnungen mit beweglichen Elementen fehlten bislang. Das liege an baulichen Herausforderungen - drehbare Wände sind aufwändiger in Bau und Unterhalt - und in der fehlenden Bereitschaft von Investoren für Experimente.

Zur Lösung der baulichen Herausforderungen will Mosayebi ebenfalls beitragen. Das Modell dient dazu, die beweglichen Elemente zu entwickeln und zu verbessern. Die Erkenntnisse aus dem Projekt fliessen danach direkt auf die Baustelle: Geht alles gut, will ein Bauherr Mosayebis bewegliche Kleinwohnungen in einem Neubau in der Stadt Zürich realisieren.

ph

www.arch.ethz.ch

Veröffentlichung: 09. Oktober 2019

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