Auf dem Podium ist es magisch

Das ist ihr Moment: Samanta Kämpf mit Fahne und Medaille. Bild: Swiss Skills

World skills. Nach vier anstrengenden Wettkampftagen an der Berufs-WM in Kazan vom 23. bis 26. August gab es die grosse Belohnung: die Silbermedaille für Möbelschreinerin Samanta Kämpf und Bronze für Massivholzschreiner Jérémie Droz.

Sie mussten bibbern: Samanta Kämpf und Jérémie Droz wussten nach vier Tagen Wettkampf an den World Skills im russischen Kazan nicht so recht, wo sie stehen. Die Weltspitze ist in den letzten Jahren breiter geworden. Mehrere Kandidaten mischten im Wettbewerb vorne mit. An der Siegerehrung, die im Rahmen der Schlussfeier stattfand, dann die Erlösung: Die Möbelschreinerin aus Dettighofen TG holte Silber, der Massivholzschreiner aus Blonay VD gewann Bronze. «Wir ahnten bezüglich der Ergebnisse nichts. Wir sassen alle im Stadion und warteten. Ich dachte, dass unser Beruf erst in der Mitte der Feier aufgerufen wird, analog der Wettbewerbsnummer», erzählt die 19-Jährige. Doch dann ging alles schnell. Die beiden Schreiner-Kategorien kamen im ersten Block an die Reihe. «Es war etwas chaotisch. Auf einmal haben die anderen Schweizer zu mir gesagt, ich müsse nach vorne.»

Es lief so: Die Siegerehrungen wurden auf zwei Podien abgehalten. Die Moderatoren riefen jeweils die Nationen auf, von denen die Teilnehmer nach vorne kommen durften. Und erst auf der Bühne wurden die Namen den Rängen zugeteilt. «Ich war etwas zu spät dran. Der Chinese Jinqing Wu, der ebenfalls Zweiter wurde, stand schon auf dem Podium.» Dennoch habe sie den Moment geniessen können, beschreibt Kämpf. «Ich konnte es kaum glauben, dass ich es so weit nach vorne geschafft habe.» Weltmeister bei den Möbelschreinern wurde Krisztian Simon aus Ungarn. Dieser wurde im Vorfeld nicht als Favorit gehandelt. «Man hat während des Wettkampfes allerdings relativ bald gesehen, dass er sehr gut in der Zeit liegt und eine saubere Arbeit abliefert», sagt Samanta Kämpf. Von den 30 Konkurrenten war sie übrigens eine von zwei Frauen. Auch Südkorea stellte eine Möbelschreinerin.

Droz: nicht alleine auf dem Treppchen

Jérémie Droz teilte sich den dritten Rang mit dem Österreicher Julian Hannes. «Das Gefühl, wenn man bei der Siegerehrung aufgerufen wird, ist einfach unglaublich. Man erwartet es nicht, und wenn es dann doch passiert, ist es magisch.» Silber bei den Massivholzschreinern ging an den Südkoreaner Sang-Hyeon Lee und Gold an den Franzosen Alexis Nué. «Ein wenig enttäuscht bin ich schon, dass es nicht ganz nach vorne gereicht hat», sagt der Waadtländer scherzhaft. «Nein, nein. Ich bin damit sehr zufrieden. Im Kopf macht es keinen Unterschied, ob Gold oder Bronze.» Im Vergleich mit seinem französischen Kollegen hätten Details entschieden.

Die Prüfungsaufgabe hat der 20-Jährige als anspruchsvoll empfunden. «Von den drei Übungsstücken wurde das meiner Meinung nach schwierigste ausgewählt und stark abgeändert.» Droz musste ein Eichenfragment herstellen. Dieses bestand aus diversen gestemmten Verbindungen und wies Verjüngungen (Versatzungen) auf. Die Füllungen bestanden aus MDF.

Startschwierigkeiten bei Kämpf

Bei Samanta Kämpf lief der Wettbewerb nicht ganz rund. Zu Beginn hatte sie Mühe. «Am ersten Tag bin ich nicht richtig in den Wettkampf reingekommen. Tags darauf habe ich dann realisiert, dass ich zurückliege und habe schneller gearbeitet.» Am dritten Tag musste sie weiter Vollgas geben. Dabei seien ihr einige Fehler passiert. Zum Glück sei sie mit dem Möbelstück fertig geworden. Die vorgegebene Zeit hat sie als knapp empfunden. In den Schlussminuten ist die Möbelschreinerin von ihren Eltern, Freunden und vielen Schweizer Fans angefeuert worden. «Das war ein unglaubliches Gefühl und ein Ansporn, nochmals alles zu geben und fertig zu werden.»

Das Prüfungsstück sei schwieriger gewesen als das Trainingsmöbel, findet Kämpf. «Es wurde einiges abgeändert und war eine Herausforderung.» Zum Glück wurde eines der Stücke, das ihr liegt, ausgewählt. Es handelte sich um ein Beistellmöbel aus Eiche. Oben auf dem Blatt hatte es ein Furnierbild aus Nuss und Ahorn. Die Türen waren in der Mitte schräg. Auf der Scharnierseite waren die Türen an die Gehrung der Möbelfüsse angepasst. «Die Tür war gestemmt, es hatte also Zapfenverbindungen, die Schublade war gezinkt und auf Laufliste», beschreibt sie. Der Korpus hatte Füllungen, und bei den Füssen hatte es oben noch einen Zapfen, der durchs Blatt ging.

Ihre Ordnung wurde viel beachtet

Der Arbeitsplatz von Samanta Kämpf wurde während den World Skills von vielen Zuschauern fotografiert. Immer wieder wurde die Schweizerin für ihren perfekt eingerichteten und aufgeräumten Platz sowie ihre selbst hergestellten Hilfsmittel bewundert. «Ich selber habe das nicht so mitbekommen. Aber die Teamleader und auch die anderen Teilnehmer haben es mir erzählt.» Sie sei grundsätzlich eher der ordentliche Typ. «Doch manchmal herrscht auch bei mir Chaos.»

Nach dem Wettkampf gingen die Emotionen bei Teilnehmern wie Fans hoch. Die Anspannung war weg, und es flossen da und dort Tränen. Beim Schweizer Abend wurde dann gefeiert. Für die Experten ging die Arbeit nach dem Ende hingegen erst richtig los: Bis tief in die Nacht beschäftigten sie sich mit der Bewertung.

Das Beste, was passieren konnte

Tobias Hugentobler, Experte der Schweizer Möbelschreiner, ist mit dem Resultat von Samanta Kämpf sehr zufrieden: «Das ist mega. Das Beste, was passieren konnte», sagt er. Er kennt Samanta Kämpf nun schon länger und sie hat in den letzten sechs Monaten bei ihm im Betrieb trainiert. «Dass sie nun nach diesem riesigen Aufwand eine Medaille gewonnen hat, ist einfach toll.» Sie seien nach Kazan gereist mit dem Ziel eine Medaille zu holen. «Als ich die Konkurrenz gesehen habe, wusste ich aber, dass vieles zusammenpassen muss.» Dass es geklappt hat, sei genial. Sein Schützling sei eine ruhige Schafferin, arbeite exakt und sei eine Perfektionistin, beschreibt der Experte aus Rickenbach TG die junge Schreinerin. In der Gesamtheit und der Perfektion sei ihre Leistung besser als die der anderen gewesen, sagt er.

Nach den World Skills sind die Batterien bei Hugentobler leer. «Es waren zwei anstrengende Wochen mit nur wenig Schlaf», erzählt er. «Ich bin einfach nur noch froh.»

Sechs waren im Medaillenrennen

Roger Huwyler, der Schweizer Experte der Massivholzschreiner, ist mit der Bronzemedaille von Jérémie Droz ebenfalls sehr zufrieden: «Das Niveau an den diesjährigen World Skills war unheimlich hoch», bilanziert er. «Sechs Kandidaten haben um die Medaillen gekämpft.» Das Aufgabenstück sei stark abgeändert worden, wodurch sein Schützling mehr Arbeit hatte als in der Vorbereitung. «Es war das schwierigste der drei Trainingsexemplare. Deshalb sind im Laufe des Wettkampfes immer mehr Teilnehmer aus der Entscheidung gefallen.» Nervös war Huwyler während des Wettkampfs nicht. Er wusste, dass der Romand gut ist und sich optimal vorbereitet hatte. Er wollte zudem ruhig bleiben, damit er eine allfällige Nervosität nicht auf den Kandidaten überträgt.

«Mit dem Zeitmanagement hatte Jérémie Droz keine Probleme, doch am Schluss hat er eine Bearbeitung vergessen», resümiert der Experte aus Bex VD den Wettkampf des Möbelschreiners. «Doch er hatte Glück, dass das nicht so stark bewertet wurde.»

Kämpf muss gleich zur Schule

Am letzten Donnerstag wurde das Schweizer Nationalteam in Kloten von rund 600 Fans unter grossem Jubel empfangen. Samanta Kämpf hatte anschliessend kaum Zeit, sich von den zwei Wochen in Kazan zu erholen. Tags darauf musste sie zur Schule. «Ich mache die Berufsmatura. Der Unterricht hat schon begonnen.» Arbeiten muss sie aber noch nicht, sie gönnt sich zwei Wochen Ferien, ehe sie in ihren Lehrbetrieb, die Herzog Küchen AG, zurückkehrt. «Ich werde wohl erst in den nächsten Tagen realisieren, was ich alles erreicht habe», sagt die Thurgauerin und strahlt.

Für Jérémie Droz waren die World Skills eine unglaubliche Erfahrung. «Die Atmosphäre im Village und beim Wettbewerb war genial», sagt der Waadtländer. Er gehörte zu jenen Mitgliedern des Nationalteams, die Bundesrat Guy Parmelin bei seinem Besuch in Kazan persönlich getroffen haben. Gross gesprochen hat er mit dem Wirtschaftsminister aber nicht. Von der Berufs-WM nimmt der Romand viele Erfahrungen mit. «Ich habe gelernt, wie ich mit Stress umgehen kann, und habe viel technisches Wissen gesammelt.» Für ihn geht es als Nächstes in die Rekrutenschule.

bilanz nationalteam

Die Schweiz gewinnt insgesamt 16 Medaillen

Das Schweizer Berufs-Nationalteam hat an den World Skills in Kazan mit 16 Medaillen, davon 5 Weltmeister-Titel, überzeugt. Die Goldmedaillen sicherten sich Restaurationsfachfrau Martina Wick (Arnegg SG), Bäckerin-Konditorin Sonja Durrer (Kerns OW), Plattenleger Renato Meier (Seengen AG), Elektroniker Florian Baumgartner (Biel BE) sowie die Landschaftsgärtner Mario Enz (Giswil OW) und Fabian Hodel (Oberkirch LU).

Neben den Medaillen holten die in 39 Bewerben angetretenen Schweizer 13 Diplome. Im Nationenranking schaffte es die Schweiz damit als beste europäische Nation auf Rang drei. Nur die Chinesen und Korea erzielten im Durchschnitt pro Teilnehmer mehr Punkte. Hinter der Schweiz folgten Taiwan und Russland. Insgesamt nahmen 1600 Berufsleute aus 63 Nationen im Alter zwischen 17 und 22 Jah- ren an den World Skills teil.

«Wir können sehr stolz auf dieses Resultat sein», zog Rico Cioccarelli, der technische Delegierte von Swiss Skills, Bilanz. Das Niveau nehme laufend zu, die Spitze werde breiter: «Wir stellen fest, dass Weltmächte wie Russland oder China seit Kurzem enorm grosse Anstrengungen unternehmen, um an den World Skills Erfolge zu feiern.»

ndo, ndo

Veröffentlichung: 05. September 2019 / Ausgabe 36/2019

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