Basel im Kleinen

Das Modell von Basel: in Holz die geplanten Bauten von Novartis im Vordergrund und von Roche im Hintergrund. Bild: Alexandra von Ascheraden

Stadtmodell.  Seit 27 Jahren baut Andres Defuns die Stadt Basel in tausendfacher Verkleinerung nach. Meist aus Lindenholz. Der Modellbauer nimmt aber auch andere Materialien in die Hand. Für was sie stehen, erfährt man beim Besuch des Stadtmodell-Machers.

Keiner kennt jeden, und zwar wirklich jeden Winkel der Stadt Basel so genau wie Andreas Defuns. Er leitet das Modellbauatelier des Basler Bau- und Verkehrsdepartements. Seine Aufgabe besteht darin, die Stadt im Massstab 1:1000 zu schrumpfen. 33 000 winzige Häuser drängen sich auf 40 Quadratmetern, dazu jeder Baum, jedes Trottoir, jedes Tramgleis, das in Basel verläuft. «Ursprünglich war wirklich nur Basel-Stadt im Modell dargestellt. Unterdessen hat sich das Denken längst verändert, und wir bilden die angrenzende Umgebung mit ab – Baselland genauso wie die Gebiete im Elsass und in Baden-Württemberg jenseits der Stadtgrenzen», erklärt der Modellbauer.

Dass sich Basel in Zeiten der Digitalisierung weiterhin ein Stadtmodell leistet, hat gute Gründe. «Die Leute können sich sofort orientieren und begreifen die Zusammenhänge viel besser als zum Beispiel mit einer 3D-Animation oder mit einem Plan. Zudem können die Planer am Modell anschaulich Volumen der Baukörper, Dichte der Bebauung und Schattenwurf überprüfen, bevor ein Projekt genehmigt wird», sagt Defuns.

300 Häuser pro Jahr

Basel gilt eigentlich längst als gebaut. Die Kantonsgrenzen sind eng, die Bebauung mehr als dicht. Dennoch setzen die Modellbauer Jahr für Jahr an die 300 neue Häuschen in das Stadtmodell. Jedes Mal, wenn irgendwo ein Baugesuch eingereicht wird, und mag es nur ein unbedeutender Anbau an ein Gebäude sein, passen sie an der entsprechenden Stelle einen massstabsgetreuen Lindenholzwürfel ins Modell ein.

«Unbemaltes Holz nehmen wir, wenn ein bewilligter Bebauungsplan vorliegt. Projektideen dagegen sind aus Kunststoff, so kann man den Planungsstand schon am Material ablesen.» Für seine Modelle nimmt er am liebsten Lindenholz. Es lässt sich gut bearbeiten, hat eine angenehme Oberfläche und eine schöne Farbe. Defuns benutzt es auch gern, wenn er Modelle baut, die zur Information der Bevölkerung über ein Neubauprojekt dienen. «Es hat sich einfach gezeigt, dass Kunststoffmodelle für die Öffentlichkeitsarbeit weniger gut geeignet sind. Holz spricht die Sinne besser an. Die Menschen lassen sich ganz anders auf das Projekt ein. Wir merken das direkt am Feedback der Leute», erzählt er.

Defuns erstellt auch massstabsgetreue Modelle von Wettbewerbsbeiträgen, welche die Stadt ausgeschrieben hat. In Erinnerung geblieben ist ihm etwa das spektakuläre Gebäude, das Zaha Hadid für 100 Millionen Franken anstelle des Stadtkasinos errichten wollte. Daran war rein gar nichts rechteckig, ganz anders als beim Grossteil seiner Modelle. Wie so viele Modelle von Wettbewerbsbeiträgen liegt es heute irgendwo in einer Schublade des Ateliers.

Zu viele Daten

Seine Arbeit hat sich über die Zeit stark verändert, wie wohl in vielen Holz verarbeitenden Betrieben. «Ohne digitale Plandaten geht heute im Modellbau gar nichts mehr. Wobei unser Problem eher zu viele als zu wenige Daten sind. Wir müssen sehr viel Information herausnehmen, bis wir nur noch jene haben, die wir wirklich für die Umsetzung brauchen. Das ist ein Riesenaufwand, den man nicht unterschätzen darf», erklärt der Modellbauer. «Wenn wir dabei Fehler machen, läuft nachher schlicht und einfach die Maschine nicht.»

Selbstverständlich habe die Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Die Terrassierung im Gelände etwa ist mit ihrer Hilfe sehr gut abzubilden, während früher die Modellbauer einfach mit Gips das Nötige aufspachteln mussten.

Jedes Tramgleis wird heute eingefräst und, bei Bedarf, der Strassenname gleich mit. Auch Auskragungen oder Vordächer werden viel genauer wiedergegeben als früher. Im Modell kann man die Unterschiede in der Ausführung mit aufmerksamem Auge noch feststellen. Teile davon stammen nämlich noch von 1960, als die Stadtväter es in Auftrag gaben. Damals leistete man sich gleich zwei Modelle. Eines wurde unverändert eingelagert, um es für Vergleiche mit der historischen Situation herauszuholen. Das zweite wird laufend aktualisiert.

Unglücksfall bringt frische Farbe

Dass das aktualisierte Modell wie neu daherkommt, liegt nicht nur an sorgfältiger Pflege, sondern auch an einem Unglücksfall. Vor 13 Jahren war in den Lagerräumen ein Schwelbrand ausgebrochen. Das Modell war zwar in einem angrenzenden Raum in Schränken untergebracht. Wegen der starken Rauchentwicklung bekam es trotzdem eine klebrige Russschicht.

Guter Rat war teuer. Schliesslich erwies sich das Abspritzen mit einem laugenartigen Gemisch am effektivsten. Anschliessend wurde sofort mit Wasser nachgereinigt und die Feuchtigkeit rasch wieder getrocknet. Durch die Behandlung wurde das Holz trotzdem teilweise aufgeraut. Es bildeten sich Risse, und die Farben lösten sich stellenweise. Mithilfe wohl sämtlicher rund um Basel ansässigen Modellbauateliers konnten die Schäden dann behoben werden. Die damals aufgefrischten Farben lassen es heute wie aus einem Guss erscheinen, obwohl zahlreiche Teile seit Jahrzehnten ihren Dienst tun.

Öffentlich zugänglich

Das Modell ist seit zwei Jahren öffentlich zugänglich. Fast täglich kommen Besuchergruppen. Sie fragen meist als Erstes nach all den Hochhäusern aus weissem Hartschaum, die sich rund um das Roche-Hochhaus drängen, heute aber noch nicht gebaut sind. Oder nach der Bedeutung der gut drei Dutzend unbemalten Lindenholzquader auf dem Gelände des Novartis-Campus, die ein wenig wirken, als hätte ein Kind seine Bauklötze dazugeschmuggelt.

Andreas Defuns erklärt dann, dass alles, was aus unbehandeltem Holz sei, auch tatsächlich geplant sei. «Die unbemalten Holzquader zeigen das maximale Volumen an, das genehmigt werden kann. Wenn ein Gebäude dann tatsächlich erstellt wird, passen wir die Form den Plänen an. Erst wenn das Baugesuch genehmigt ist, wird das Haus im Modell auch bemalt.» Und eben, all die Türme, die man um den markanten RocheTurm sehe, wolle das Pharmaunternehmen bis 2023 erstellt haben.

Offenen Auges durch die Stadt

Für Defuns ist das der absolute Traumberuf, schon weil er so abwechslungsreich sei. Seine Liebe zum Detail wird bereits beim Blick auf die Grünflächen deutlich. Defuns sagt: «Wir haben vor einigen Jahren alle 45 000 Bäume neu gesetzt. Ursprünglich hatten sie alle eine Einheitsgrösse. Jetzt sind sie massstabsgerecht dargestellt.» Luftbilder machen es möglich.

Auf die Frage, ob er denn einfach nur so in der Stadt spazieren gehen könne, räumt er ein: «Mein Beruf bringt das irgendwie mit sich, dass man genau hinschaut, ob sich etwas verändert hat. Wenn mir vor Ort etwas auffällt, passen wir das im Modell natürlich an.» Gerade erst hat er einen Industriekamin aus dem Modell genommen. Denn beim Spaziergang war ihm aufgefallen, dass dieser offenbar irgendwann gekürzt wurde, ohne dass die Modellbauer davon Kenntnis hatten. Also hat er mit dem Handy ein Foto gemacht, und nun gleicht er das Modell ab. «Unserem Modell nach ist er 120 Meter hoch – ich schätze, heute hat er nur noch um die 70 Meter. Sobald ich die Daten habe, säge ich ihn kürzer.»

www.planungsamt.bs.ch

AVA

Veröffentlichung: 17. Mai 2018 / Ausgabe 20/2018

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