Beschläge auf Wunsch mit Potenzial

Sämtliche Garnituren und Griffe im ganzen Objekt sind von U.S.W. nach einer individuellen Vorlage gegossen. Bild: SZ, Philipp Heidelberger

Sonderlösungen.  Der Wunsch des Kunden nach einer individuellen Note macht auch vor den Beschlägen nicht halt. Es gibt zahlreiche Varianten, um mit Teilen aus Metall eine Schreinerarbeit einzigartig zu machen oder konstruktive Probleme zu lösen. Ein paar Beispiele.

«Da kauft jemand für zwei Millionen eine Wohnung, und die Türen sind dann mit günstigen Standarddrückern ausgestattet», sagt Markus Ziltener. Er ist Mitbegründer der U.S.W. AG in Thalwil ZH, welche sich insbesondere auf die Entwicklung von Edelstahlbeschlägen spezialisiert hat. Im gehobenen Segment sieht er durchaus Poten- zial für individuelle und somit auch teu- rere Beschläge, denn letztendlich profitiere dann auch der Schreiner davon. «Oft wird beim Einkauf von solchen Beschlägen nur auf den Händlerrabatt geschaut statt auf den Betrag, den man dann effektiv in der Tasche hat.»

Eigentlich logisch: Kann man einen doppelt so teuren Beschlag verkaufen, bleibt auch bei einigen Prozent weniger Rabatt immer noch mehr übrig als beim günstigeren Modell. Dies setzt natürlich voraus, dass der Kunde bereit ist, für ein spezielles Design mehr zu bezahlen. Ähnliches berichtet auch Markus Lüthi, Geschäftsführer der Link Beschlagtechnik AG in Volketswil ZH: «Wir spüren, dass vermehrt wieder andere Formen, Materialien und Farben gefragt sind.» Der Grund dafür sei wohl, dass die bekannten Griffe und Drücker, wie beispielsweise aus einem auf Gehrung geschnittenen Rohr in Edelstahloptik, mittlerweile in jedem Heimwerkermarkt erhältlich sind.

Gussteile haben ihren Preis

Doch ab wann lohnt sich eine individuelle Lösung und worauf kommt es dabei an? Markus Ziltener nennt dazu als Erstes ein Beispiel von zwölf einfachen Griffmuscheln mit einer brünierten Oberfläche: «Auf den ersten Blick klingt dies nicht sonderlich speziell. Aber damit wir die Innenseite der Muschel sauber brünieren konnten, mussten wir sie in zwei Teilen fertigen. So konnten wir sie nach dem Brünieren zusammensetzen.» Die Teile konnten gefräst werden, wodurch die Kosten verhältnismässig niedrig ausgefallen sind. Pro fertigen Griff lagen diese bei etwa 200 Franken.

Wesentlich aufwendiger und teurer wird es bei Teilen, die nicht mehr einfach gefräst oder gebogen werden können, sondern eine Gussform oder ein spezielles Werkzeug erfordern. Dabei hängen die Kosten von verschiedenen Faktoren wie Stückzahl, Material, Oberfläche und Form ab. «Da bewegt man sich dann in einem Bereich ab etwa 500 bis 600 Franken aufwärts», sagt Markus Ziltener. Unterschätzt werde dabei häufig die Komplexität und der Umfang solcher individuellen Entwicklungen. Denn meistens bleibt es nicht bei einem einzi- gen Griff- oder Drückermodell. So wünschte sich zum Beispiel die Bauherrschaft einer grossen Villa einen speziellen Türdrücker in Anlehnung an einen, den sie mal in den Ferien im Ausland gesehen und fotografiert hatten. Selbstverständlich sollten dann auch Fenster- und Hebeschiebetürgriffe, Griffstangen und Rosetten im selben Design daherkommen. Dazu wurden zahlreiche Muster angefertigt, bevor die Teile dann im Sandguss hergestellt wurden. Gemäss Markus Ziltener dauerte der ganze Prozess von der ersten Idee bis zum Abschluss rund ein Jahr. «In diesem Fall sind wir dann insgesamt auf etwa 100 Griffe und Garnituren gekommen, wodurch die Kosten für die Bauherrschaft in einem akzeptablen Bereich lagen.»

Vorschriften gelten auch für Individuelles

Noch grössere Dimensionen nehmen solche Projekte an, wenn es sich um Objektbauten handelt. Da komme es schon vor, dass ein Designer oder Architekt speziell für dieses Gebäude einen Beschlag entwerfe. «Da erreicht man zwar grosse Stückzahlen, aber die Herausforderung besteht dann in der Umsetzung des Designs unter Einbezug der Brandschutz-, Einbruchschutz- und Fluchtwegvorschriften», sagt Markus Lüthi. Manchmal schaffen es solche projektbezogenen Entwicklungen später auch in das fixe Angebot eines Beschlägeherstellers oder -händlers.

Bestehendes adaptieren

Überhaupt haben die Beschlägehersteller längst auf die veränderten Kundenwünsche reagiert. Die deutsche Türbandherstellerin Simonswerk GmbH liefert mittlerweile 16 verschiedene Oberflächen-Finishes – von «MattDeepBlack» bis «TrafficWhite» – standardmässig ab Werk. Andere Oberflächen sind auf Anfrage ebenfalls möglich. Für den Schreiner noch interessanter macht es der Umstand, dass zudem verschiedene, individuelle Kröpfungen, Rollenmasse und Bandlappen möglich sind. Als Beispiel nennt Simonswerk ein Projekt, bei dem in einem denkmalgeschützten Gebäude neue Türblätter eingebaut werden sollten, ohne die Rahmen und Zargen zu verändern. Die Bandlappen mussten exakt in die bestehenden Ausfräsungen passen und dennoch modernen Ansprüchen genügen. Als Basis diente die Band-Serie «Variant», die Rolle hat eine Länge von 120 mm, einen Durchmesser von 15 mm und der Belastungswert wird mit 160 kg pro Türflügel angegeben.

Dieses Beispiel zeigt, dass Sonderlösungen in vielen Fällen gar nicht von Grund auf neu erfunden werden müssen. Oft lassen sich bestehende Beschläge für spezielle Situationen adaptieren. Dadurch kann der Schreiner dem Kunden mit geringen Mehrkosten eine Lösung anbieten, welche sich vom Standardangebot abgrenzt. In aussergewöhnlichen Situationen oder bei grossen Stückzahlen können angepasste Beschläge sogar die Lösung eines Problems darstellen, die Produktion in der Schreinerei oder die Montage vereinfachen.

Von der Tür an den Küchenschrank

Ebenfalls massgeschneiderte Lösungen bietet die Astec GmbH aus Deutschland an. Gemäss eigenen Aussagen machen Sonderbeschläge mittlerweile einen wesentlichen Bestandteil der Produktion aus. Kürzlich hat man für Küchenoberbauten einen Schiebebeschlag hergestellt, der auf dem «b.700» basiert. Dabei handelt es sich eigentlich um einen Beschlag, der ursprünglich für gewöhnliche Zimmerschiebetüren entwickelt wurde.

Die Glas- und Holzfronten der Oberbau- ten laufen nun oben und unten auf einer 50-mm-Flachschiene aus Edelstahl. Die Glastür bewegt sich zwischen den Schienen, die Holztüren werden an den Aussenflächen geführt. So lassen sich die beiden Türen übereinanderschieben. Der Materialmix aus Holz, Glas und Edelstahl sowie die notwendigerweise unterschiedlichen Türhöhen ergeben so eine interessante, individuelle Optik.

3D-Metalldruck ein Thema

Noch mehr an Bedeutung gewinnen dürften Sonderlösungen aufgrund des technologischen Fortschritts bei den 3D-Druckern: Bereits jetzt haben diese Geräte die Prozesse beim Bau von Prototypen-Gussformen vereinfacht und beschleunigt. Vielleicht werden also bald individuelle Beschläge auf Wunsch gedruckt.

«Dies wird sicherlich noch ein paar Jahre dauern, aber es ist durchaus ein Thema», sagt Markus Ziltener. Im Moment lassen sich Metallteile insbesondere im Edelstahlbereich noch nicht mit der erforderlichen Präzision und Oberflächenqualität zu realistischen Preisen drucken.

Vielleicht aber können Schreiner in Zukunft sogar selber ihre Beschläge herstellen, so wie es teilweise schon vor Hunderten von Jahren an den Hofschreinereien der Königshäuser der Fall war.

www.usw.chwww.beschlagtechnik.chwww.zierbeschlaege.chwww.simonswerk.dewww.astec-design.de

ph

Veröffentlichung: 17. November 2016 / Ausgabe 44/2016

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