Blätter haben es in sich

Drei hochdämmende Blätter: verstärkt, um die Standfestigkeit zu erhöhen. Bild: Riwag

Aussentüren.  Die Anforderungen an Aussentüren sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Rohlinge. Ihr Aufbau wird immer komplexer. Ein Patentrezept gibt es nicht, denn viele Faktoren müssen berücksichtigt werden.

Eine Spanplatte als Träger, rundum mit Kanten aus Eiche oder Sipo versehen, wird beidseitig mit HDF und einer Absperrung aus Aluminium belegt. So oder ähnlich wurden früher in vielen Schreinereien noch selber Rohlinge für Aussentüren hergestellt – und manchmal auch heute noch.

Was die Tür bringen muss

Was damals als durchaus gutes Vorgehen galt, ist allerdings heute nicht mehr zeitgemäss. Nicht etwa, weil der Aufbau per se schlecht wäre, vielmehr sind die Anforderungen auf verschiedenen Ebenen gestiegen: Seit der Einführung der MuKEn (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich) müssen neue Aussentüren, die beheizte Räume vom Aussenklima trennen, einen Ud-Wert von 1,3 W/m2K aufweisen. Für ein Minergie-Zertifikat liegt der Ud-Wert sogar bei 1,2 W/m2K. Das entscheidende Detail an diesem Wert ist das tiefgestellte «d». Dieses steht für «Door», also Tür, und bedeutet, dass die Tür im eingebauten Zustand diesen Wert erreichen muss – also inklusive Rahmen, Anschlüsse, Schwelle, Beschläge und allfälligem Glas. In der Regel verschlechtern diese Bauteile aufgrund ihrer Wärmeleitfähigkeit den Ud-Wert. Um dies zu kompensieren, setzt man bessere Türblätter ein, deren U-Werte deutlich unter dem Ud-Wert liegen.

Ohne Dämmung geht es nicht

Mit einem Träger aus reiner Spanplatte sind solche Werte allerdings nicht realisierbar, ohne dass das Blatt viel zu dick und zu schwer ausfallen würde. Die Lösung dafür liegt auf der Hand: Man verwendet einfach Dämmmaterialien als Mittellage, um die Wärmeleitfähigkeit des Türblattes zu senken. Zum Einsatz kommen Materialien wie Polyurethan-Hartschaum (PUR), Polystyrol, Glas- und Steinwolle, Vakuumisolationspaneele, Kork oder Holzfaserdämmstoffe. Eingesetzt werden die Dämmmaterialien auch, um die Schalldämmung zu verbessern. Die Türhersteller experimentieren in diesem Bereich laufend mit neuen Werkstoffen und Kombinationen. Vieles müsse man aber wieder verwerfen, erzählt Dominik Dischl, Entwickler bei der Riwag Türen AG in Arth SZ. «Die Materialien müssen nicht nur gut dämmen, sie müssen auch in ausreichender Menge und Qualität vorhanden sein und sich effizient verarbeiten lassen.»

Ein weiterer Aspekt bei der Dämmstoffwahl ist vermehrt auch die Ökologie. So hat zum Beispiel die aargauische Türenfabrik Brunegg auch Rohlinge im Angebot, deren Kern nur aus Kork besteht. «Dort verzichten wir bewusst auf künstliche PUR-Schaum-Materialien, welche in der Herstellung, der Handhabung und bei einer späteren Entsorgung für die Umwelt bedenklich sind», sagt Martin Brübach, Geschäftsführer Entwicklung und Anwendungstechnik. Ein grosser fertigungstechnischer Vorteil der druckfesten Korkmittellage zeigt sich bei Glasausschnitten: Aufwendige Auskantungen sind hier nicht nötig, was schliesslich auch erhebliche Prozesskosten in der Weiterver- arbeitung spart.

Das Stehvermögen zählt

Der Einsatz von Dämmstoffen bringt negative Begleiterscheinungen mit sich. Dämmstoffe sind weniger steif und beeinträchtigen somit die Stabilität des Blattes. Dieser Umstand fällt umso mehr ins Gewicht, da moderne Türen eher grösser denn kleiner werden. Das Stehvermögen lässt sich aber mithilfe von speziellen Einlagen verbessern. Wie bei der Dämmung können diese Verstärkungen aus verschiedenen Materialien bestehen. Je nach Blatt und Aufbau reichen hier schon Multiplex-Streifen oder andere Holzwerkstoffe aus.

Teilweise setzen die Türhersteller auf Materialkombinationen, so werden beispielsweise auch faserverstärkte Kunststoffe eingesetzt. Kostengünstig und effizient ist die Verwendung von Aluminium- oder sogar Stahlprofilen. Sie bringen viel Stabilität, weisen aber eine gute Wärmeleitfähigkeit auf. Dies wiederum beeinflusst den U-Wert des Blatts negativ.

Solche Einlagen stellen eine Herausforderung für die Konstruktion dar, weil die Nachbearbeitungsmöglichkeiten stärker eingeschränkt sind. Nicht unterschätzen darf man ausserdem die unterschiedlichen Eigenschaften dieser Materialien. Während Holz und Holzwerkstoffe bei Veränderungen der Feuchtigkeit schwinden und quellen, reagieren Kunststoffe und Metalle vorwiegend auf Veränderungen der Temperatur. Da beide Faktoren im Aussentürbereich in extremer Weise vorkommen können, müssen sie in der Konstruktion ebenfalls berücksichtigt werden.

Dennoch: «Das Stehvermögen ist die wichtigste Eigenschaft im Aussentürbereich», sagt Dominik Dischl. Ist das Blatt erst einmal krumm, dann schliesst die Tür nicht mehr dicht mit dem Rahmen ab. Es kann Feuchtigkeit in die Konstruktion eindringen und der Schall- sowie der Wärmedämmwert nehmen ab.

Zum Absperren des Türblatts hat sich die Schicht aus Aluminium bewährt. Für manch einen Handwerker ist dies sogar ein Qualitätsmerkmal für eine Aussentür. Andere Materialien können diese Funktion aber ebenfalls erfüllen. So haben Riwag und andere Hersteller mittlerweile auch Rohlinge ohne Aluminiumschicht im Ange- bot. Zum Absperren wird stattdessen die wasserbeständige MDF-Platte «Tricoya» verwendet.

Einbruch- und Brandschutz

Weitere Aspekte in diesem Zusammenhang sind der Einbruch- und Brandschutz. Ein standfestes Blatt ist hier ebenfalls von Vorteil. Einlagen oder Deckschichten aus Metall können die Einbruchhemmung erhöhen, insbesondere wenn der Angriff über das Blatt mit einem scharfen Gegenstand erfolgt. Dies ist besonders dann eine Herausforderung, wenn im Blatt weiche Dämmmaterialien verbaut sind.

Obwohl es bei einer klassischen Hauseingangstür selten Anforderungen bezüglich Brandschutz gibt, ist dies bei anderen Türen ein Thema. Zum Beispiel befinden sich Keller- oder Garagentüren zwar oft nicht direkt im Aussenbereich, aber ebenfalls in schwierigen klimatischen Verhältnissen. Des- halb werden auch dort die gleichen oder zumindest ähnliche Anforderungen an das Blatt gestellt – in Verbindung mit Vorgaben bezüglich Brandschutz.

Eigenproduktion schwierig

Moderne Aussentürrohlinge sind also sehr komplexe Bauteile, die nur noch wenig mit den vom Schreiner selbst hergestellten Rohlingen zu tun haben. Die verschiedenen Prüfverfahren sind sehr aufwendig, kosten viel Geld und stehen in direktem Zusammenhang zueinander. «Erreicht man an einer Stelle eine Verbesserung, kann dies an einem anderen Punkt zu einer Verschlechterung führen», erklärt Dominik Dischl. Alle diese Folgen müssen dann erneut überprüft werden. Dazu kommen die Vorgaben der Produktnorm SN EN 14351-1+A2 Fenster und Aussentüren, die eine werkseigene Produktionskontrolle und Leistungserklärung vorschreibt. Für normale Schreinerbetriebe ist es also kaum noch tragbar, selber Aussentürrohlinge herzustellen. Man ist auf Systeme oder Produkte von grossen Türherstellern angewiesen.

Hilfsmittel nutzen

In der Branche kommt diese Entwicklung nicht bei allen gut an, geht dem Schreiner doch wieder ein Teil der Wertschöpfungskette verloren. Andererseits sind die Vorgaben und Normen klar. Setzt man sich über diese hinweg, riskiert man im Schadenfall, auf den Kosten sitzen zu bleiben. In den vergangenen Jahren ist es aufgrund der immer dichteren Gebäudehülle im Aussentürbereich immer wieder zu Garantie- oder Schadenfällen gekommen.

Den Rohlingherstellern ist dies bewusst, sie stellen dem Schreiner Verarbeitungshinweise sowie Unterlagen für die Erstellung einer Leistungserklärung für das Aussentür- element zur Verfügung. Merkblätter und Dokumentationen über Aussentüren stellen auch der VSSM und der VST zur Verfügung. Weitere Fachartikel zum Thema Türen sind als Dossier auf der Website der SchreinerZeitung zusammengefasst.

www.riwag.chwww.brunex.chwww.vst.chwww.vssm.chwww.schreinerzeitung.ch/dossiers

ph

Veröffentlichung: 10. Mai 2018 / Ausgabe 19/2018

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