CNC-Oberfräse in Profihänden

Die Maschine orientiert sich mit einer Kamera an den gepunkteten Klebebändern.

Fertigungstechnik.  Im Technologiezentrum der IBW in Maienfeld hatten Schreiner die Möglichkeit, die CNC-gesteuerte Handoberfräse «Origin» zu testen und mit CNC-Bearbeitungszentren zu vergleichen. Dabei zeigten sich verschiedene Vor- und Nachteile sowie Einsatzmöglichkeiten.

Die Späneabsaugung läuft und die Fräser der beiden CNC-Bearbeitungszentren (Baz) summen im Technologiezentrum der Höheren Fachschule Südostschweiz (IBW) in Maienfeld GR. Insgesamt 40 Schreiner absolvieren dort die Ausbildung zum Fertigungsspezialisten VSSM/Frecem. 7 davon befinden sich gerade im viertägigen CNC-Aufbaukurs. Nicht alle arbeiten aber ausschliesslich mit den grossen Bearbeitungszentren – auf einem Hubtisch stehen zwei «Origin»-Oberfräsen von der Shaper Tools GmbH.

Die Maschine gleicht aus

Die handgeführte, aber computerunterstützte Oberfräse sorgt in Nordamerika schon länger für Aufsehen. Auch in Europa ist das Interesse der professionellen und semiprofessionellen Handwerker gross.

Der Clou an dieser Maschine ist die Bedienung: Auf dem integrierten Bildschirm sieht der Anwender die zu fräsende Kontur. Mit einem Fadenkreuz fährt man dieser entlang. Dabei gleicht die Elektronik mit der gesteuerten 720-Watt-Spindel Bewegungsfehler im Bereich von plus und minus 6,25 mm in der X- und Y-Achse aus.

«Als ich an der Holz in Basel die ‹Origin› sah, wusste ich, dass wir diese für unser Technologiezentrum brauchen», erzählt Thomas Tschudi, der Leiter des Zentrums. Weil die Maschine in Europa erst ab dem 17. März im Online-Shop erhältlich ist, bewarb Tschudi sich für einen speziellen Vorab-Event von Shaper Tools. Nach einem Workshop in Zürich konnte die IBW eine «Origin» vor dem offiziellen Verkaufsstart kaufen, eine zweite hat sie leihweise erhalten. Die Maschine wird für 2890 Euro netto erhältlich sein.

Technologien im direkten Vergleich

Da stehen sie nun, umgeben von CNC-Maschinen, die ein Mehrfaches kosten und viel mehr Platz benötigen. «Hier im Kurs können die Teilnehmer die beiden Technologien in einem direkten Vergleich einsetzen», sagt Thomas Tschudi. Konkret geht es darum, eine funktionierende Uhr aus Holz herzustellen. Auf dem Hubtisch liegen verschiedene Muster von Zahnrädern, Zifferblättern, Zeigern und weiteren Teilen aus Sperrholz. Beim Baz nebenan finden sich ebenfalls Überreste und Spuren davon.

Der Start verlief aber etwas harzig: Für die «Origin» werden die Fräsdaten im SVG- Format (skalierbare Vektorgrafik) benötigt. Kein Problem, dachten sich Thomas Tschudi und die angehenden Fertigungsspezialisten, denn ihr CAD-Programm erlaubt den Export in dieses Format. Die Ernüchterung kam in der Werkstatt, als sie die Datei auf die «Origin» geladen hatten und mit dem Fräsen beginnen wollten. «Die Konturen liessen sich nicht richtig positionieren», sagt Thomas Tschudi. Es stellte sich heraus, dass der Export aus dem CAD fehlerhaft war. Durch das Exportieren der Konturen in einem anderen Programm konnte man dieses Problem aber umgehen.

«Die Bedienung der Maschine ist wirklich kinderleicht», sagt Tschudi. Er tippt auf den Touchscreen, wählt eine Kontur aus und platziert diese virtuell auf dem Werkstück.

Für die Orientierung ist die Maschine mit einer Kamera ausgerüstet. Sie scannt spezielle Klebestreifen, die wie Dominosteine aussehen und auf dem Werkstück aufgeklebt werden. Weil im Kurs nur relativ kleine Teile gefräst werden, richteten die Teilnehmer zwei fixe Arbeitsplätze auf dem Hubtisch ein. Auf einer separaten Fläche brachten sie die Klebestreifen an. Das zu bearbeitende Werkstück wird dann einfach davor aufgespannt oder angeschraubt.

Eintauchen auf Knopfdruck

Nachdem alles eingerichtet ist, startet Tschudi den Spindelmotor, fährt mit dem Fadenkreuz auf die Kontur und drückt den grünen Knopf am rechten Griff der Maschine. Der 6-mm-Fräser taucht automatisch auf die programmierte Tiefe ein. Begleitet vom typischen Oberfräsengeräusch bewegt er die Maschine der Kontur entlang. Auf dem Bildschirm wird angezeigt, wo er langfahren muss, ob er sich noch im Korrekturbereich der Spindel befindet und welche Stelle noch nicht bearbeitet wurde. Am Schluss drückt Tschudi den orangen Knopf links und der Fräser taucht aus.

Wichtig ist, dass beim Fräsen ein leistungsstarker Staubsauger angeschlossen ist. Ansonsten verstopfen die Späne relativ schnell den abgeschirmten Arbeitsbereich. Gemäss Thomas Tschudi haben sich dabei Sauger mit Fernbedienung zum Ein- und Ausschalten bewährt und er zeigt auf den Knopf am Schlauch. «Steckt man die Maschine an der im Sauger integrierten Dose ein, läuft der Sauger permanent, weil die Maschine ja Strom für den Bildschirm und die Kamera benötigt.»

Unterschiede erkennbar

So weit – so gut, aber wie schlägt sich die «Origin» nun im Vergleich zum Baz? Tschudi zeigt zwei ausgefräste Zifferblätter aus Sperrholz. Bei genauem Hinsehen sind durchaus Unterschiede erkennbar: Während es beim Teil vom Baz kaum dunkle Stellen oder kleine Abweichungen hat, kann man solche am Teil von der «Origin» deutlich sehen. Tschudi führt dies darauf zurück, dass man auf dem Baz mit höherem Vorschub arbeiten kann. Zudem handelt es sich um sehr filigrane Teile, die sich während des Fräsens auch mal verziehen. Gerade die Zahnräder mit ihren zahlreichen kleinen Radien sind auch auf dem Baz nicht ohne. Weil die Oberfräse nach wie vor von Hand bewegt wird, kommt auch immer der Faktor Mensch hinzu. Tatsächlich berichten die Lehrgangsteilnehmer, dass bei filigranen und lange dauernden Fräsarbeiten die Konzentration stark gefordert ist. Ungewohnt sei auch, dass man nur auf die Kontur auf dem Bildschirm achte. Beim Arbeiten mit normalen Handoberfräsen hingegen hat man immer den Fräser und das Werkstück im Blick.

Umso wichtiger ist es, dass man sich für solche Arbeiten eine bequeme Position sucht. Ein Teilnehmer zeigt am Hubtisch, wie er sich eingerichtet hat. Für die feinen Bearbeitungen stützt er beide Arme auf der Arbeitsfläche auf, um die Maschine präzise und ermüdungsfrei führen zu können.

Ergänzung, aber kein Ersatz

Am Ende steht die Frage in der Werkstatt, wo sich die angehenden Fertigungsspezialisten den Einsatz der «Origin» vorstellen könnten. Zusammen mit Thomas Tschudi diskutieren drei Teilnehmer über die Vor- und Nachteile. Einig ist man sich, dass die Maschine sicherlich kein Ersatz für ein leistungsfähiges, aber auch teures Baz ist. Die Schreiner könnten sich aber vorstellen, sie für den Bau von Schablonen, das Einfräsen von einzelnen Beschlägen oder Reparaturarbeiten vor Ort einzusetzen. Insbesondere für Betriebe ohne Baz sehen sie die «Origin» als Erweiterung für individuelle Arbeiten. Die Teilnehmer finden aber, dass die Spindel für schwerere Fräsarbeiten noch mehr Leistung haben könnte. Und die relativ grosse Fläche, welche auch bei kleinen Bearbeitungen für die Markierungsbänder benötigt wird, könne je nach Situation nachteilig sein. Für sie ist aber auch klar, dass die Entwicklung solcher Maschinen erst begonnen hat und noch Fortschritte machen wird.

Den Horizont erweitern

Thomas Tschudi wirft zusätzlich den Ausbildungsaspekt ein. «Mit dieser Maschine kann man CNC-Grundwissen sehr einfach vermitteln.» Themen wie Radiuskompensation, Fräsrichtung und -abfolge lassen sich erklären und direkt erlebbar machen. Und das mit wesentlich geringerem Risiko und tieferen Maschinenkosten. Ausserdem schade es nicht, auch mal über den Tellerrand hinaus zu schauen. Die «Origin» lässt sich via Wlan mit dem Internet verbinden. So erhält man Zugriff auf eine Cloud, in der hunderte Projekte inklusive Fräskonturen frei zugänglich sind. «Da findet man teilweise ganz verrückte Sachen, die von Hobbyhandwerkern umgesetzt wurden», sagt Tschudi. Ausserdem werden über das Wlan automatisch alle Updates und Verbesserungen installiert. «Das funktioniert einwandfrei und dauert jeweils nur wenige Minuten», sagt Tschudi.

Inzwischen hat ein anderer Lehrgangsteilnehmer auf dem Baz nebenan einen grossen Massivholzklotz aufgespannt und beginnt mit der Zerspanung. Skeptisch blickt Thomas Tschudi hinüber und bemerkt, wie der Fräser langsam voll eintaucht. «Jetzt musst du aber Gas geben, sonst wird das Holz schwarz», ruft Tschudi. Der Teilnehmer dreht den Vorschub über die Fernbedienung auf und die Maschine vibriert unter der Belastung. Egal ob Baz oder «Origin» – ohne Erfahrung geht es in der Holzbearbeitung nach wie vor nicht.

www.ibw.chwww.shapertools.com

ph

Veröffentlichung: 27. Februar 2020 / Ausgabe 9/2020

Artikel zum Thema

30. Mai 2024

Holz hoch im Kurs halten

Lignum Schweiz.  Die Lignum-Delegierten traten vergangene Woche in der Schäfer Holzbautechnik AG in Dottikon AG zur Frühjahrsversammlung zusammen. Marketing für den einheimischen Rohstoff bleibt zentral.

mehr
30. Mai 2024

Auf Roland Speck folgt Sven Baumann als Präsident

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Verbandsinfo