Damit es schnell nach draussen geht

Bei der Fluchtwegplanung gibt es einige Normen, Verordnungen und Richtlinien zu beachten. Bild: Noah J. Gautschi

Fluchtwege.  Im Alltag werden die Schilder, Beschriftungen und speziellen Beschläge von Notausgängen und Fluchtwegen praktisch nicht bemerkt. Tritt jedoch ein Notfall ein, sollten diese für jedermann ersichtlich und einfach erreichbar sein.

«Holz aalänge!» – In der Schweiz passieren relativ wenige Zwischenfälle, die eine fehlerhafte oder vernachlässigte Fluchtwegeplanung als Hauptursache haben. Das hat auf der einen Seite mit den Vorschriften und den genauen Regelungen, auf der anderen Seite mit den strengen Kontrollen zu tun. Trotzdem passieren immer wieder Fehler bei Planung und Inbetriebnahme, die auf ein unzureichendes Systemwissen oder auf eine Nichteinhaltung der Regelungen zurückzuführen sind. Sie können zwar meistens behoben werden, doch ist dies immer mit erheblichem Mehraufwand und hohen Kosten verbunden.

Wissen, was wirklich zählt

Wie erwähnt, ist in der Schweiz eigentlich alles in den entsprechenden Normen, Verordnungen und Richtlinien geregelt. Der Türplaner muss wissen, wo was nachzuschlagen ist und welche Anforderungen an seine Tür gestellt werden. Die gesetzliche Grundlage für Fluchtwege und Türen in Fluchtwegen bilden die VKF-Brandschutznorm 15 und die neuen Brandschutzrichtlinien, die am 1. Januar 2017 in Kraft getreten sind. Weiter kommen je nach Einsatzbereich zusätzliche Anforderungen zum Tragen wie zum Beispiel die Verordnung 4 zum Arbeitsgesetz oder die Verordnung 832.30 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Normen und Anforderungen nicht für das Produkt selbst, sondern für die objektbezogene Auslegung und Funktion stehen. Die technischen und funktionalen Anforderungen für mechanische und elektrische Verschlüsse von Notausgangs- und Paniktüren bilden die SIA 343 und die europäischen Normen. Folgende wichtige europäische Normen können zur Geltung kommen, wenn es sich um eine Tür im Fluchtwegbereich handelt (vergleiche SZ 29/30/2017):

  • SN EN 179: Notausgangverschlüsse
  • SN EN 1125: Panikverschlüsse
  • SN EN 13637: Elektronische Ansteuerung

Sobald eine Fluchtwegtür elektronisch angesteuert wird, also beispielsweise durch eine Zusatzverriegelung gehalten wird, muss die SN EN 13637 in Kombination mit der SN EN 179 oder SN EN 1125 berücksichtigt werden.

Obwohl in den Normen grundsätzlich alles geregelt ist, hat der Türenplaner immer noch einen gewissen Interpretationsfreiraum, den es richtig einzuschätzen gilt. «Ich frage immer, ob ich es verantworten kann. Wie würde ich planen, wenn die eigene Frau und die Kinder von der Planung abhängig wären?», sagt Armin Brazda, zuständig für den Vertrieb-Aussendienst bei der BSW Security AG in Zürich. Weiter muss der Türplaner immer auf dem Laufenden sein, was Änderungen und Anpassungen in den entsprechenden Normwerken anbetrifft. «Früher waren die Vorschriften viel beständiger, heute kommt es laufend zu Änderungen», sagt Brazda. In diesem Bereich ist eine laufende Weiterbildung im Normen- und Systembereich nötig.

Korrekte Ausschreibung beachten

Welche Normen gelten, sollte grundsätzlich in der Ausschreibung klar ersichtlich und durch den Generalplaner abgeklärt sein. Da dies leider nicht immer der Fall ist und auch die Generalplaner oftmals nicht genau wissen, welche Anforderungen bei der jeweiligen Tür genau gefragt sind, ist die Normenkenntnis besonders wichtig. Wenn die Ausschreibungsunterlagen zum Beispiel nicht nach SN EN 179 erstellt sind, muss der Türplaner darauf hinweisen, auch wenn dies dem Generalplaner nicht immer passt. «Der Türplaner ist verantwortlich und entscheidet. Wenn nichts vermerkt ist, sollte er in der Offerte anfügen, dass er diese beispielsweise nach SN EN 179 erstellt hat», rät Brazda. Bei der heutigen Menge an technischen und elektronischen Möglichkeiten ist es ratsam, schon bei der Erstellung einer Offerte mit einem spezialisierten Türplaner in Kontakt zu treten, denn je früher Ungereimtheiten bemerkt werden, desto einfacher kann man diese beseitigen.

Verantwortlichkeiten früh klären

Je mehr Anforderungen an eine Tür gestellt werden, desto mehr Teilbereiche gibt es zu berücksichtigen. Sobald zum Brandschutz und Fluchtweg noch elektronische Komponenten hinzukommen, wird es sehr komplex. Oftmals ist in der Praxis für jede einzelne Komponente ein anderer Planer zuständig, und so wird ein Fehler meistens erst auf der Baustelle beim Anschluss ersichtlich. «Einmal stellten wir bei einer Baubesprechung kurz vor dem Anschluss der elektronischen Komponenten fest, dass die falschen Kabel gezogen wurden. Die Unternehmer mussten daraufhin alle Kabel austauschen, was viel Zeit und Geld kostete», sagt Sven Stalder, Leiter Elektrotechnik bei der Rudolf Geiser AG in Langenthal BE.

Die Fachplaner haben in ihrem jeweiligen Bereich meistens ein sehr grosses Fachwissen. Doch ein Elektroplaner versteht die Mechanik einer Tür nicht, und der Türbauer getraut sich nicht an die komplexe Elektronik ran. «Wir machten die Erfahrung, dass sich die einzelnen Spezialisten für die angrenzenden Bereiche nicht mehr verantwortlich fühlen», sagt Markus Jöhr, Leiter Türtechnik und Bereichsleiter Verkauf bei der Rudolf Geiser AG. Hier lohnt sich der Beizug eines externen und systemunabhängigen Türenplaners, denn so werden die Schnittstellen markenunabhängig und funktionell geplant.

Durchgängige Planung

Die ganze Materie ist dermassen komplex und in einem ständigen Wandel, dass es für den Schreiner, der ein paar einzelne Objekte im Jahr umsetzt, sehr aufwendig ist, sich in diese einzuarbeiten. Hier bieten unabhängige Fachplaner ihre Unterstützung an. Von der Offertenerstellung über Planung und Informationen zur Konstruktion bis zur Baukoordination, Inbetriebnahme und Wartung können die Leistungen individuell bezogen werden. So kann der Schreiner zum Beispiel den Türenbereich aus seinem Auftrag komplett auslagern oder nur die Planung und Koordination an den Fachpartner übergeben.

«Es war für uns am Anfang schwer, den Schreiner von unserer Dienstleistung zu überzeugen», sagt Stalder und fügt an: «Langsam kommen die Unternehmer jedoch von sich aus auf uns zu, wenn sie einen Türplaner benötigen. Denn eine systemunabhängige Planung hat den Vorteil, dass keine Systemblindheit eintritt.» Die eingesetzte Marke darf keine zentrale Rolle spielen. Die Komponenten müssen so gewählt werden, dass der Unternehmer und der Kunde ein Optimum erhalten.

Knackpunkte nach der Inbetriebnahme

Ist die Tür im Fluchtweg fertig montiert, alles richtig angeschlossen und durch den VKF-Experten abgenommen, muss dies auch im Betrieb so bleiben. Nur mit einer regelmässigen Wartung kann ein reibungsloser Betrieb sichergestellt werden. «Sobald eine Tür automatisiert wird, beispielsweise durch einen Schiebe- oder Drehtürenantrieb, befindet sich der Unternehmer in der Maschinenrichtlinie und muss den fehlerfreien Betrieb garantieren», sagt Stalder. Aber nicht jeder Schreiner kann einfach eine Wartung bei einer automatisierten Tür durchführen. Für jedes System muss ein Zertifikat über einen Kurs beim jeweiligen Hersteller erworben werden. «Die Schreiner haben oft grundlos Angst, die Wartung oder deren konkrete Kosten anzusprechen», sagt Markus Jöhr und fügt an: «Über den Wartungsvertrag bleibt man jedoch beim Kunden im Gespräch und ist somit für Folgeaufträge präsent.»

Mutige Unternehmer gefragt

Vor allem bei Schreinereien, die zum ersten Mal einen grösseren Türenauftrag durchführen, ist ein reibungsloser Ablauf entscheidend. «Es ist schade, wenn ein Schreiner den Auftrag nicht annimmt, weil er sich den Türenbereich nicht zutraut», sagt Jöhr. Mit kompetenten Fachplanern als Partner an der Seite und dem nötigen Grundwissen kann der Schreiner seiner Kundschaft die komplette Palette anbieten.

www.bsw.swisswww.gela.ch

Weiterbildungsangebot

Speziell für die Thematik «Türsysteme und Notausgänge» bietet die BSW Security AG aus Zürich ein Produktetraining und einen Workshop an.

Angebot für alle Beteiligten

Die Produktetrainings und Workshops richten sich an Errichter, Planer, Architekten, Bauleiter, Sicherheitstechniker, Tür-/Torbauer, Metallbauer, Technische Hauswarte und Schreiner.

Individuelle Anpassung

Neben den vorgegebenen Kursterminen sind auch Wunschtermine möglich. Auch können spezielle Schulungsorte oder komplett auf den jeweiligen Betrieb abgestimmte Firmenschulungen durchgeführt werden.

www.bsw.swiss

njg

Veröffentlichung: 14. Dezember 2017 / Ausgabe 50/2017

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