Das Filetstück des Baumes

Furnier mal anders. Nussbaum, sägerau, im Spa-Bereich des Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa im Berner Oberland. Bild: Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa

Furniergestaltung.  Furnier bietet unzählige Gestaltungsmöglichkeiten: gestürzt, geschoben oder mit Kreuzfuge, Kombinationen verschiedener Holzarten oder auch mal etwas anderes als Holz. Die Ressource des Rohstoffes wird dabei optimal genutzt.

Früh haben Menschen erkannt, dass die Wertschöpfung eines schönen Holzes grös-ser ist, wenn man es in dünne Brettchen unterteilt. Es gibt Gegenstände der Ägypter und Römer, bei denen man die Anwendung von Furnier entdeckt hat. Bereits damals wurden die Furniere zum Überdecken von weniger schönem Holz und zur Dekoration von Ziergegenständen verwendet.

Der Begriff Furnier entstand allerdings erst im 16. Jahrhundert. Er ist abgeleitet vom französischen Ausdruck «fournir», was auf Deutsch «bestücken» oder «beliefern» bedeutet. Früher konnten Furniere nur gesägt werden. Im 19. Jahrhundert gelang dann die Entwicklung der Messer- und Schälmaschinen. So war erstmals die Herstellung ohne Schnittverlust möglich.

Technologie im Wandel

Der Stand der Technik hatte auch schon immer einen Einfluss auf die Standards und Trends in der Gestaltung. So auch in der heutigen Zeit. Mit den modernen Klebstoffen können einzelne Furniere zu massiven Blöcken verleimt werden, um sie danach erneut zu Furnierblättern zu verarbeiten. Mit dieser Methode können etwa exotische oder bedrohte Holzarten nachgebildet werden. Natürlich können auf diese Weise auch völlig neue Oberflächenbilder entstehen.

Mit der Lasertechnik haben die Marketerien (siehe Kasten) plötzlich wieder Aufschwung erhalten, nachdem diese im zeitgemässen Möbeldesign kaum mehr anzutreffen waren. Mit Lasermaschinen lassen sich zudem Strukturen in die Oberfläche einarbeiten. Dies entspricht dem Trend: weg von glatten, glänzenden Flächen hin zu rauer und strukturierter Haptik.

Alle industriell gefertigten Furnieroberflächen haben eines gemeinsam: Sie sind meist nur als Fixmass mit einer vlieskaschierten Rückseite erhältlich. Dies kann für kleine Schreinereien oder für solche, die nur selten Furnier verarbeiten, attraktiv sein. Denn, Furnierzuschnitt- und Fügemaschine braucht es bei der Verarbeitung der Fixmassfurnieren nicht. Die Kaschierung macht die Furnierblätter auch steifer und damit in der Handhabung unempfindlicher.

Wertschöpfung

Bei modernen Bauten und Möbeln sollte nebst der Optik auch das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle spielen. Einheimisches oder fair gehandeltes Holz ist daher immer eine gute Wahl.

In vielen Industriebranchen fallen allerdings Neben- oder Abfallprodukte an, die sich noch weiterverwenden lassen.

Einige davon können zum Beispiel als Furnier weiterverarbeitet werden. Es entstehen einzigartige Oberflächen, die von der Wertschöpfungskette eines Werkstoffes erzählen können.

 

Traditionelles Handwerk 2.0

Im modernen Möbeldesign waren Marketerien oder Intarsien zuletzt kaum anzutreffen. Die traditionelle Herstellung mit Messer oder Furniersäge war schlicht zu aufwendig und zu teuer. Neue Technologien und die industrielle Fertigung haben aber wieder neues Leben in die Furniergestaltung gebracht.

So sind beispielsweise Einlegearbeiten mit der «Shaper»-Oberfräse für den Schreiner und die Schreinerin plötzlich wieder rationell möglich.

Dass Furnieroberflächen auch in der heutigen Zeit nicht nur schlicht und eintönig sein müssen, hat das italienische Unternehmen Tabu Spa erkannt. Seit bald 100 Jahren stellt das Furnierwerk gefärbtes und multilaminiertes Furnier her. Mit «Radiche» und «Graffiti» hat das Unternehmen aber auch zwei Kollektionen mit industriell gefertigten Marketerien im Sortiment. Die lebendigen Muster inspirieren zu neuen Möbelkreationen. Die vlieskaschierten Furnierblätter sind im Format 3060 × 1260 mm erhältlich.

In der Schweiz hat die Bollinger Furniere AG die offizielle Vertretung für Tabu Spa. Es finden sich zehn verschiedene Dekore aus der «Graffiti»-Kollektion im Webshop des Unternehmens.

tabu.itwww.bollinger.ch

 

Restenverwertung

Dass die reiche Vielfalt an Furnieren der Kreativität kaum Grenzen setzt, zeigen die Arbeiten der Künstlerin Christine Meyer-Eaglestone.

Die gebürtige Deutsche wanderte in den 70er-Jahren nach Grossbritannien aus und macht seit 25 Jahren Kunst in Furnier. In einem Interview mit der Initiative Furnier + Natur (IFN) sagte Meyer-Eaglestone etwa: «Furnier ist natürlich, einzigartig und dank seiner vielen Farb- und Maserungsvarianten extrem vielseitig einsetzbar. Darum eignet es sich perfekt als Material für meine Marketerie-Kunstwerke. Man könnte auch sagen, ich male mit Holz.» Bei ihrer Arbeit verwendet Meyer-Eaglestone Furniere, die in der Industrie sonst im Abfall landen würden. Da bei Marketerien meist nur kleine Stücke benötigt werden, können dabei wunderbar die Reste vom letzten Auftrag verarbeitet werden.

Dass dabei nicht immer nur teure oder exotische Holzarten gewählt werden müs- sen, zeigt das nachfolgende Beispiel. Das Eichenfurnier wurde vor dem Aufkleben mit hellem beziehungsweise dunklem Öl behandelt.

 

Umgekehrt wird ein Schuh draus

Für ein gutes Ergebnis auch mal um die Ecke denken, das ist die Bedeutung dieser Redewendung. Um die Ecke gedacht hat man beim «Nuo»-Furnier definitiv und tatsächlich einen Schuh draus gemacht.

Zwar gibt es nun schon seit einigen Jahren vlieskaschiertes Furnier, welches sehr biegsam ist und den Eigenschaften von Textil nahekommt, die praktischen Anwendungsbeispiele haben allerdings noch auf sich warten lassen. Über vier Jahre hat die Nuo GmbH als Tochterunternehmen des deutschen Furnierherstellers Schorn & Groh die Idee des weichen Furniers weiterentwickelt und zeigt nun, was mit dem neuen Material möglich ist. Seine lederartigen Eigenschaften verdankt «Nuo» der gelaserten Struktur auf der Vorderseite und der Kaschierung mit einem Baumwoll- oder Mikrofasergewebe auf der Rückseite.

Wenn der Schreiner und die Schreinerin an Schuhe oder Polstermöbeloberflächen aus Furnier denken, sind sie wohl erst mal skeptisch. Laut dem Unternehmen hat das «Nuo»-Furnier aber eine Scheuerbeständigkeit von 35 000 Touren nach DIN EN 14465. Mit dem richtigen Lack sollen es gar 100 000 Touren sein. Damit ist das Material als vegane Alternative zu Leder auch für den Einsatz bei Polstermöbeln und in Automobilen interessant.

So kommt es bereits bei Modellen von Fiat oder Renault zum Einsatz. Beziehen kann man das Furnier in sechs verschiedenen Holzarten und in drei Standardgrössen über den Webshop der Nuo GmbH.

Wie sich das flexible Furnier im Möbelbau einsetzen lässt, zeigt die Loosli AG, auch als Loosli.swiss bekannt. Bei der Badmöbellinie «Vanity Namiura» verwendet das Unternehmen aus dem Emmental-Oberaargau unter anderem das «Nuo»-Furnier.

Wie Geschäftsführer Matthias Loosli sagt, seien im Badbereich runde Formen zurzeit sehr gefragt. Die abgerundeten Ecken von «Vanity Namiura» würden diesem Trend entsprechen.

loosli.swisswww.nuo-design.com

 

Einheimische Exotik

Die sogenannten technischen Furniere erweitern nicht nur Vielfalt der Oberflächendekors, sie sind auch eine Alternative zur Verwendung seltener oder gar bedrohter Holzarten. Durch das Einfärben und Verkleben in bestimmten Schemata können exotische Hölzer nachgebildet werden. Verwendung finden dabei einheimische Arten wie Pappel oder Linde. Ein weiterer Vorteil der technischen Furniere ist die Wiederholbarkeit einer Oberfläche, was bei Reproduktionen wertvoll sein kann. Hierzulande ist vor allem das «Alpi»-Furnier bekannt. Das Produkt wird in Italien von der gleichnamigen Firma hergestellt und in der Schweiz von der Herzog-Elmiger AG und der Atlas Holz AG vertrieben.

www.alpi.itatlasholz.chherzog-elmiger.ch

 

Vielfalt der Natur

Laut Definition kann der Begriff Furnier nur verwendet werden, wenn das Grundmaterial Holz ist. Das Grundprinzip der dünnen Blätter lässt sich aber auch auf andere Materialien übertragen. Inzwischen gibt es einige Beispiele an Alternativen zu Furnier aus Holz. So wird das «Betula Veneer» des deutschen Unternehmens Nevi GmbH beispielsweise aus der Rinde der Birke gefertigt, und das Regalsystem «Talento» des italienischen Designstudios Laurameroni ist mit Fronten aus Roggenstroh erhältlich. Riva 1920 zeigte am Salone del Mobile eine Oberfläche aus den Blättern des Feigenkaktus. Da die Früchte der Pflanze essbar sind, wird sie unter anderem auch in Italien angebaut. Der schnell wachsende Kaktus muss in regelmässigen Abständen ausgedünnt werden. Aus dieser Regulierung stammt der Rohstoff für die Produktion des Materials.

www.laurameroni.comwww.nevi.iowww.riva1920.it

Einlegetechniken

Der Schreinerin und dem Schreiner ist der Begriff Intarsie wohl geläufiger als derjenige der Marketerie. Im Zusammenhang mit Furnier wäre Letzteres aber die korrekte Bezeichnung.

Intarsie

Bei einer Intarsie handelt es sich um Einlegearbeiten in Vollholz. Es werden dünne Materialplättchen aus Holz, Metall oder anderen Materialien in eine Oberfläche eingearbeitet. Der Begriff Intarsie leitet sich vom italienischen Wort «intarsiare» ab, was auf Deutsch «einlegen» bedeutet.

Marketerie

Bei Marketerien werden ausschliesslich dünne Materialien, meist Furniere, zusammengefügt und auf ein Trägermaterial geklebt.

Parketerie

Dies ist die älteste und technisch einfachste der dekorativen Furniertechniken. Bei Parketerien werden geometrisch gleiche Stücke eines Furniers in Form von Mosaiken verarbeitet. Verschiedene Holzarten oder unterschiedliche Faserrichtungen ergeben ein kontrastreiches Bild.

Sven Bürki, SB

Veröffentlichung: 01. Juni 2023 / Ausgabe 22/2023

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