Das Lager automatisch verdichten

Unterschiedlich hohe Gegenstände stellen dank 25-mm-Tablarraster kein Problem dar.

Lager.  Bauland ist teuer, insbesondere in der Schweiz. Entsprechend effizient sollte daher der Platz genutzt werden, der zur Verfügung steht. Mithilfe von vertikalen Liftsystemen kann die Lagerdichte wesentlich erhöht werden, und es gibt noch einige positive Nebeneffekte dazu.

In jeder Schreinerei gibt es sie: Orte, die mit speziellen Momenten, Geschichten, Mythen oder Arbeiten assoziiert werden. Das Beschlägelager ist eines davon; wohl jeder Schreiner kennt Sätze wie: «Nach einer durchzechten Nacht hat er im Beschlägelager geschlafen.», «Wenn es in der Stifti nichts zu tun gab, musste ich das Beschlägelager aufräumen.» oder einfach «Er hat sich immer im Beschlägelager verschlauft.».

Kompakt, aber wenig flexibel

In vielen Industriebetrieben ist dies schon längst nicht mehr möglich, und künftig wird es auch einigen Schreinereien so ergehen. Automatische Lagersysteme ersetzen die gewohnten Gestelle, die bestenfalls nach einem System geordnet und nummeriert sind. Einige werden jetzt an das Paternostersystem denken, also ein automatisches Umlaufregal. Diese zeichnen sich durch eine kompakte Bauform und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aus. «Aber sie bieten nur eine begrenzte Flexibilität, weil die Tablarabstände fix eingestellt sind. Sprich: Das Lagergut muss immer etwa gleich sein, um den Platz effizient nutzen zu können», erklärt Marc-Theodor Habegger. Er ist Gebietsverkaufsleiter bei der Kardex Systems AG in Volketswil ZH, einer grossen Herstellerin von dynamischen Lagersystemen in der Schweiz.

Chaotisch optimiert

Mehr Möglichkeiten bieten vertikale Liftsysteme. Man kann sich diese wie eine kleine Version eines Hochregallagers vorstellen: Ein Lift zieht ein Tablar aus dem Regal und transportiert dieses zum Ausgabefenster, wo der Bediener vollen Zugriff auf das ganze Tablar hat.

Beim Einlagern erfasst das System jeweils automatisch die Höhe der Gegenstände auf dem Tablar. Im Abstand von 25 mm weist das System dann den idealen Platz im Lager zu. Es handelt sich also um eine chaotische Lagerung, die ständig optimiert wird. «Genau das macht ein vertikales Liftsystem auch interessant für Schreinereien», sagt Unternehmensberater Urs Scherrer von der Tre Innova AG im zugerischen Hünenberg. Seiner Meinung nach darf man nicht nur an die Lagerung von Beschlägen denken. «Klebstoffe, Schrauben, Dübel, Bohrer, Fräser, Hand- und Elektrowerkzeug, Gummidichtungen, Ersatzteile oder Kommissionswaren, einfach alles kann mit solchen Lösungen platzsparend gelagert werden.»

Im Moment begleitet Urs Scherrer zwei Schreinereien, die ein vertikales Liftsystem in Betracht ziehen. Die Obrist Interior AG hat in ihrer neuen, im Bau befindlichen Produktion im luzernischen Inwil ein solches System fix eingeplant.

Nur für Grossbetriebe?

Eignen sich solche Systeme also nur für grosse Betriebe? «Natürlich muss man dies von Fall zu Fall entscheiden. Aber für Betriebe mit 15 bis 20 Mitarbeitern wäre dies durchaus eine Option», sagt Urs Scherrer.

Marc-Theodor Habegger sieht das ganz pragmatisch. Letztendlich müsse man die Kosten pro Quadratmeter Lagerfläche rechnen und entscheiden, ob es sich lohne. Er zeigt auch gleich ein Beispiel auf und nennt einen Richtpreis:

  • Liftsystem «Shuttle XP500»
  • Rund 6 m hohes Gerät
  • Grundfläche 8 m2
  • Lagerfläche 80 m2
  • Richtpreis 45 000 Franken

Hinzu kommen noch allfällige bauliche Massnahmen wie Deckendurchbrüche oder Bodenverstärkungen. Das Modell aus dem Beispiel ruht auf acht Stützen und ist für eine Gesamtzuladung von bis zu 67 Tonnen ausgelegt, die allerdings in der vorliegenden Konfiguration nicht erreicht wird. Sollte es dennoch Probleme mit der Statik geben, besteht die Möglichkeit, das Maximalgewicht pro Tablar zu reduzieren. Denn das Lager kann auch bis zu 30 m hoch gebaut und mit Tablaren bestückt werden, die eine Tragkraft von bis zu 560 kg haben. Habegger empfiehlt eine Mindesthöhe von etwa 3 m, die in den meisten mehrstöckigen Gebäuden problemlos möglich ist. «Das Lagersystem ist modular aufgebaut. Je höher das Gerät gebaut wird, desto wirtschaftlicher ist es, weil die Hauptinvestitionen für Antrieb, Elektronik usw. gleich bleiben.»

Suchen bis gefunden

Die Vorteile eines vertikalen Liftsystems liegen nicht nur in der hohen Lagerdichte. Man spricht hier auch von einem «Ware-zu-Mann»-System. Anhand einer Liste sucht der Bediener den benötigten Gegenstand und ruft das entsprechende Tablar auf. Dieses wird in etwa 20 Sekunden vom Lift aus dem Regal geholt und zur Bedienöffnung transportiert.

Oft höre man dann den Einwand, dass diese Wartezeit unproduktiv sei, erzählt Habegger. «Wenn man aber mehrere Minuten lang eine Kiste im Regal sucht, ist man zwar beschäftigt, aber produktiv ist das nicht, effizient schon gar nicht.» Tatsächlich muss der Suchende dann nicht mehr im Lager herumlaufen, um herauszufinden, dass er die Leiter vergessen hat, um an die Kiste auf dem obersten Tablar zu gelangen.

Reicht das Lager über zwei oder mehr Stockwerke, lässt es sich auf jeder Ebene mit einer Bedienöffnung ausstatten. So lässt es sich zum Beispiel im Erdgeschoss bei der Warenannahme beschicken, und im Bankraum im ersten Stock können die Teile dann entnommen werden.

Theoretisch kann man das Lager auch an ein ERP anbinden oder mit Barcode-Scannern ausrüsten. «Wir empfehlen aber langsam, mit einer einfachen Lagerverwaltung, anzufangen. Ausbauen kann man später immer noch», sagt Habegger.

Ausserdem muss man sich ohnehin mit seinem Lagerbestand auseinandersetzen. Denn welche Gegenstände auf welche Tablare in welchen Gefässen und Stückzahlen aufbewahrt werden, kann man individuell bestimmen. Urs Scherrer erachtet dies als einen weiteren grossen Vorteil: «Man muss das Lager wirklich bewirtschaften, man hat die Kontrolle und Sicherheit, wo sich was befindet.» Sprich: Es schwirren dann nicht mehr mehrere verschiedene Kisten mit demselben Topfband in der Werkstatt umher, und niemand weiss, wie viele man wirklich noch auf Lager hat.

Hilfreich ist dabei eine Funktion, die es erlaubt, bestimmte Tablare mit einem Pin-Code zu sichern. So ist sichergestellt, dass beispielsweise teure Werkzeuge oder Handmaschinen nicht einfach für jedermann zugänglich sind.

Erprobte Technik

Der Inhalt des Lagersystems ist zudem gut vor Staub und UV-Strahlen geschützt, weil die Bedienungsöffnung erst aufgeht, wenn das Tablar angeliefert wird. Trotzdem empfiehlt es sich, das Lager an einer Stelle einzuplanen, wo die Staubbelastung möglichst gering ist. Natürlich könne es wie bei jeder anderen technischen Einrichtung mal ein Problem geben, räumt Marc-Theodor Habegger ein. «Es handelt sich aber nicht um Weltraumtechnik, sondern um einfache, mechanische Bauteile, die sich bewährt haben.» Tatsächlich sind bei vertikalen Liftsystemen nur wenige geschmierte Komponenten verbaut. Dadurch können sie auch keinen Schmutz ansetzen, der verklebt und der somit zu Störungen führt oder auf das Lagergut fällt. Wird die Anlage jährlich gewartet – so die Empfehlung der Hersteller – können Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden.

Dennoch: Fällt das Lager aus, zum Beispiel, wegen eines Stromunterbruchs, dann hat man keinen Zugriff auf den Inhalt. Allerdings stünde dann ohnehin die gesamte Produktion in einer Schreinerei still.

Die Hersteller rechnen übrigens mit einer Lebensdauer von mindestens 15 bis 20 Jahren. Dank der modularen Bauweise lassen sich vertikale Liftsysteme auch zügeln, verkleinern oder aufstocken.

www.kardex-remstar.chwww.treinnova.chwww.obrist-interior.ch

ph

Veröffentlichung: 16. Februar 2017 / Ausgabe 7/2017

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