Das Pulver für die Dinos

Die Dino-Teile kommen direkt von der Maschine auf die Beschichtungsanlage, wo sie im ersten Ofen vortemperiert werden. Bild: SZ, Philipp Heidelberger

Beschichtung.  Lange Zeit war es in der Schweiz still rund um die Pulverbeschichtung von Holz. Nun hat ein kleiner St. Galler Betrieb auf ein Pulversystem umgestellt. Und die Forschung hat ebenfalls Fortschritte gemacht, denn es laufen Pilotversuche zur Beschichtung von Massivholz.

Als vor einigen Jahren Pulverbeschichtungen erstmals auch für Holzwerkstoffe angewendet wurden, war das Interesse der Schreinerbranche gross. Denn insbesondere das Beschichten von MDF-Teilen im Nasslackverfahren ist mit viel Aufwand verbunden. Ein Verfahren, welches ohne Isoliergrund, Füller und den damit einhergehenden Zwischenschliffen auskommt, klingt natürlich verlockend.

Aber für solch eine Anlage sind entsprechende Investitionen nötig. Und um eine adäquate Prozesssicherheit sowie Oberflächenqualität zu gewährleisten, müssen gewisse Vorgaben bezüglich MDF-Qualität und Konditionierung eingehalten werden. In der Schweizer Holzbranche gab es deshalb mit der Ramseier Woodcoat AG bisher nur einen Lohnbeschichter, der ausschliesslich auf die Pulvertechnik setzt (siehe SZ-Nr. 37/2011, Seite 14) .

Zwischenschliff zu aufwendig

Seit rund einem halben Jahr beschichtet nun ein kleiner Produktionsbetrieb im st.gal- lischen Tübach seine Produkte mit Pulverlack: Die Big Belly Bank Production AG stellt Dinosaurier-Spardosen für den internationalen Markt her. Zuvor beschichtete das Unternehmen seine Dinos vollflächig in mehreren Schritten im Nassverfahren. Zum Schluss mussten dann noch die Nase und der Schwanz in einer anderen Farbe lackiert werden. «Der Aufwand für die Vorbereitung und den Zwischenschliff nach dem Grundieren war aber enorm», erzählt Geschäftsinhaber René Hagspiel.

Deshalb setzte man sich vor einem Jahr mit der IGP Pulvertechnik AG aus Wil SG zusammen, um mögliche Lösungen zu finden. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von Pulverbeschichtungen für verschiedenste Industriebereiche. Gemäss Hendrik Albers, zuständiger Projektleiter für Holzbeschichtungen, konnte die Entwicklung der Pulverlacke in den letzten Jahren weiter vorangetrieben werden: «Die Einbrenntemperaturen und -zeiten konnten wir noch mehr senken», berichtet Albers. Konkret heisst das, dass bei einem zweischichtigen Aufbau die Grundierung während vier Minuten und die Deckschicht während fünf Minuten bei 135 °C eingebrannt werden muss.

Massivholz pulvern

Ein grosser Schritt ist aber mit der Entwicklung einer einschichtigen Lösung gelungen. Je nach gewünschter Oberflächenstruktur reicht hier eine einmalige Einbrenndauer von fünf Minuten bei 125 °C oder drei Minuten bei maximal 135 °C. «Die thermische Belastung für das Werkstück ist also beim einschichtigen System nochmals wesentlich tiefer», sagt Hendrik Albers. Und natürlich reduziert eine einmalige Beschichtung den Pulver- und Energieverbrauch sowie die Produktionszeit. Zudem erreicht man gemäss Herstellerangaben gegenüber dem Zweischichtsystem eine gleichwertige, in gewissen Bereichen sogar leicht bessere Oberflächenbeständigkeit. Doch selbst die Werte der Zweischichtlösung sind immer noch mit jenen eines 2K-PUR-Lackes vergleichbar oder sogar besser.

Aufgrund dieser Tatsachen rückt langsam, aber sicher auch das Pulverbeschichten von Massivholz in greifbare Nähe. Erste Pilotversuche wurden bereits durchgeführt, mit offenbar vielversprechenden Ergebnissen. Wie beim Nasslackieren bringen hier feinporige Hölzer wie Buche oder Ahorn die besten Ergebnisse. «Das Auffüllen von Poren oder Unebenheiten ist schwierig, vor allem wenn man auf den Zwischenschliff verzichten will», ergänzt Albers. Bei rustikalen Oberflächen, wie sie momentan im Trend sind, ist dies aber auch kein Thema. Im Gegenteil – Beschichtungen, welche die Natürliche Struktur einer Oberfläche erhalten, sind gefragter denn je.

«Schwieriger ist das Pulverbeschichten von Nadelhölzern», berichtet Hendrik Albers. Der Grund dafür ist einfach: Durch die Erwärmung beim Einbrennen kann es zum Austritt von Harz kommen, was einen negativen Einfluss auf die Qualität hat.

Gleichmässig pulvern

Solche Aspekte spielten aber bei den Dinos von René Hagspiel weniger eine Rolle. Die Teile werden auf einer Nesting-Maschine aus ganzen MDF-Platten in einer Aufspannung gefräst. Ziel war es, dass die Dinos direkt nach der Bearbeitung ohne Schleifarbeit mit dem Zweischichtsystem beschichtet werden können. Das bedingt natürlich eine perfekte CNC-Bearbeitung sämtlicher Kanten, Rundungen und Ausschnitte. «Beim Zweischichtsystem hat man zudem den Vorteil, dass Fehlstellen nach dem Grundieren bei der visuellen Kontrolle sofort auffallen», sagt Hagspiel.

Die Beschichtungsanlage hat die MS Oberflächentechnik AG aus Balgach SG geliefert. Sie besteht aus einem Kettenförderer mit Auf- und Abhängstation, einem Vorwärmofen, Pulverzentrum und Aushärteofen. Hinzu kommt eine Absauganlage mit Zyklonabscheider, um das überschüssige Pulver aufzufangen. So kann es dem Kreislauf zurückgeführt oder rezykliert werden.

Zwei Farben in einem Durchlauf

Das Pulverzentrum ist mit mehreren, vollautomatischen Pistolen ausgerüstet. In ihnen wird das Pulver elektrostatisch aufgeladen und von beiden Seiten auf das Werkstück gesprüht. Dieses ist über die Auf- hängung geerdet, dadurch verteilen sich die Pulverpartikel gleichmässig auf der Oberfläche. Zudem ist die Anlage mit zwei Gegenelektroden ausgerüstet. Mit ihnen lässt sich die Stärke und Homogenität der Pulverlackschicht auf den Kanten beeinflussen. Dies ermöglicht es, ein Werkstück rundum wiederholgenau und gleichmässig zu beschichten. «Aufgrund der vielen Rundungen war es aber nicht ganz einfach, überall eine gleichmässige Schichtdicke zu erreichen. Teile mit geraden Kanten sind da natürlich wesentlich einfacher», erzählt René Hagspiel. Speziell an der Anlage in Tübach ist ausserdem, dass durch den Einsatz unterschiedlicher Pistolen zwei verschiedene Farben in einem Durchlauf aufgebracht werden können. Gemäss Hagspiel ist dies im Moment einzigartig im Bereich der Pulverbeschichtung.

Stapeln ohne Kleben

Nebst dem Wegfall der aufwendigen Schleifarbeiten haben Hagspiel aber noch weitere Aspekte überzeugt. So sei die Anlage beispielsweise schnell und einfach zu reinigen. «Im Pulverzentrum können wir alle Komponenten mit Druckluft reinigen. Ein Farbwechsel ist innert Minuten erledigt.» Ausserdem können die beschichteten Teile am Ende der Hängebahn ohne Abkühlphase direkt gestapelt werden, ohne dass sie aneinander kleben bleiben. Eine Trocknungskammer, die wiederum Platz und Energie verbraucht, sucht man in der Produktion also vergebens. «Und die Anlage stösst keinerlei VOC aus. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern spart auch die VOC-Abgaben beim Lack.»

Dennoch war es eine grosse Investition für den Betrieb. Zumal die beiden Öfen mit Gas beheizt werden und das Produktionsgebäude über keinen Anschluss an das Gasnetz verfügt. Es musste also noch ein Gastank installiert werden. Die Öfen könnten aber auch problemlos mit Strom beheizt werden. Gemäss René Hagspiel ist dies in Bezug auf die Energiekosten aber bis auf Weiteres uninteressant.

Die Entwicklung geht weiter

Von den Kapazitäten her ist die Anlage so ausgelegt, dass täglich bis zu 400 Dinos fertig beschichtet werden können. Hagspiel ist aber auch im Gespräch mit Schreinereien, die vielleicht künftig Teile bei ihm beschichten lassen wollen. Ausserdem ist man laufend dabei, mit neuen Werkstoffen, Farben und Oberflächenstrukturen zu experimentieren. Hendrik Albers stellt klar, dass man bei der Pulvertechnik im Holzbereich nach wie vor am Anfang der Entwicklung stehe. «Im Nasslackbereich ging das ja auch nicht von heute auf morgen. Da hat man über hunderte von Jahren Erfahrungen gesammelt.»

Erst kürzlich hat René Hagspiel zum Beispiel einige Dinos probeweise mit einer neuen Metallic-Farbe beschichtet. Nach dem Einbrennen wirkt dies dann wie gehämmertes Metall ...

www.bigbellybank.chwww.igp-powder.comwww.msnews.chwww.woodcoat.ch

ph

Veröffentlichung: 10. März 2016 / Ausgabe 10/2016

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