Das Spiel mit der Reflexion

Das Licht zeichnet jede Wölbung des glänzend schwarzen Gitarrenkörpers perfekt nach. Bild: Votteler AG

Polieren.  Trotz der immer besser werdenden Produkte bei der Beschichtung braucht es für das perfekte Erscheinungsbild noch viel Handarbeit mit Können, Zeit, Geduld und Disziplin. Bei wahrem Hochglanz mit Tiefenwirkung ist die oberste Qualitätsstufe an Lackierarbeiten erreicht.

Es macht Spass, die Finger ganz leicht über absolut glatt wirkende Oberflächen gleiten zu lassen und keinen Reibungswiderstand zu spüren. Auch die kleinste Unebenheit wird sofort fühlbar. Je glatter eine Oberfläche ist, desto mehr Licht wird von ihr reflektiert, desto mehr glänzt sie. Durch die Reflexion sind jede Wölbung und jede ebene Fläche optisch perfekt erkennbar, und die ausserordentliche Qualität des Produktes wird mehrfach erlebbar.

Ein Spiegel mit grosser Tiefe

Eine perfekt spiegelnde Fläche mit scharfzeichnenden Reflexionen und einer gros-sen Tiefenwirkung wird als Hochglanz bezeichnet. Mit einem Refraktometer kann dieser Glanzgrad gemessen werden. 100G bezeichnet dabei den höchsten Wert. Laut Gebi Ochsner, dem Anwendungstechniker der Votteler AG in Schwarzenbach SG, wird eine Reflexion von über 90G als hochwertig wahrgenommen. Das bestätigt auch Marco Dossenbach. Er ist Anwendungs- und Schulungsexperte der Adler Lack AG am Servicestützpunkt in Tuggen SZ. «Stark glänzende Oberflächen können mit zahlreichen verschiedenen Möbellacken – auf Wasser- und Lösemittelbasis – in Glanzgraden zwischen 70G bis 90G erzielt werden», sagt er. Darüber beginnt für beide Experten die Königsdisziplin in der Beschichtung von Möbeloberflächen. Über 90G beginnt ein äusserst aufwendiger Aufbau mit Feinschliffen und Polierdurchgängen. Es lohnt sich, mit dem Kunden vorgängig genau zu klären, wie viel Glanz tatsächlich für den Auftrag erforderlich ist. Muster – deutlich grösser als A4 – sind dabei hilfreich.

Abkürzen verboten

Grundvoraussetzung für eine gute Qualität im Hochglanzbereich ist der Faktor Zeit. Die Firma Teknos AG aus Gamprin-Bendern im Fürstentum Liechtenstein gibt beispielsweise einen Zeitrahmen von sieben bis zehn Tagen an, den man für eine Hochglanzlackierung vorsehen sollte.

Schwankungen bei der Raumtemperatur und der Luftfeuchtigkeit haben dabei ihren Einfluss und müssen berücksichtigt werden. Als ideal wird eine relative Luftfeuchtigkeit von 50 bis 60 % bei 20 bis 22 °C angegeben. «Zu niedrige Temperaturen und Luftfeuchtigkeit verlängern die Aushärtezeit. Das gilt ebenfalls bei einer Reduktion der Temperatur über Nacht», sagt Bernd Günther vom Chemiewerk Graf & Günther AG in Strengelbach AG. Bekommt eine Lackschicht zu wenig Trocknungszeit und kann nicht vollständig durchhärten, bleibt Lösemittel eingeschlossen und wandert erst sehr viel später durch die Schichten. Erfolgt der Zwischenschliff noch davor, kann es später zu einem Nachfallen, also Absacken der Fläche kommen, wodurch Wellen entstehen. Durch die Lichtreflexion sind diese Unebenheiten dann besonders gut sichtbar, und die Arbeit ist wertlos. Somit geht es bei der Produktion nicht nur darum, dass eine Oberfläche schleifbar, sondern ob die Beschichtung durchgehärtet ist – was dann auch den zu erwartenden Zeitrahmen erklärt.

Der geprüfte Ablauf ist der Schnellste

Für Hochglanzflächen werden spezielle, polierfähige Lacke verwendet, die exakt nach den Vorgaben des Herstellers verarbeitet werden müssen. Es lohnt sich somit, diese Verarbeitungshinweise und die darin vorgegebenen Schleif- und Poliermittel zu besorgen. Mit einem improvisierten eigenen Vorgehen, statt der erprobten Variante, ist das Risiko zu scheitern sehr gross.

Natürlich gibt es bei den unterschiedlichen Produkten Abweichungen in den Vorgaben. Diese beziehen sich aber grösstenteils auf die jeweiligen Trockenzeiten. Unterschieden wird der farblose Hochglanzaufbau zum farbigen, wobei eine deckend farbige Fläche mit Farblack oder Klarlack beendet werden kann.

Je dunkler eine Farbe ist, desto intensiver ist die Glanzwirkung und desto gnadenloser zeigen sich auch kleine Fehler. Ein Abschluss mit Klarlack wirkt noch intensiver mit mehr Tiefe und Brillanz – braucht dafür auch einen Arbeitsgang mehr. Holzflächen beanspruchen die Blicke der Betrachter zusätzlich durch ihre Maserungen.

Den Untergrund vorbereiten

Jede gute Beschichtung beginnt mit dem entsprechend vorbereiteten, geeigneten Untergrund. Da jede Schicht nur sehr dünn sein wird, versteht es sich von selbst, dass alle Flächen und Übergänge, wie Rundungen und dergleichen, perfekt und mit der richtigen Kornfeinheit geschliffen sein müssen, denn allfällige Konturfehler werden alle sichtbar. Je kompakter und porenfreier das Werkstück ist, desto weniger muss mit Füller grundiert werden. Für klare Lackierungen gibt es farblose geeignete Füller. Wer das Porenbild einer Holzart bewusst zeigen will, kann das, wird aber an der Glanzwirkung Einbussen zu akzeptieren haben. Die Durchhärtung des Füllers gehört zum Wichtigsten, denn die Oberfläche muss nach dem Zwischenschliff absolut durchgängig geschlossen sein. Dazu ist es auch wichtig, die Flächen bei jedem Arbeitsgang sorgfältig vorzubereiten und zu reinigen, damit keine Kratzer oder Pickel entstehen können – Schleifen und Ausblasen im Spritzraum ist dabei keine gute Idee. Die Feinheit des letzten Schliffs sollte ohne durchzuschleifen bei P600 bis P800 liegen. Das ergibt einen Ablauf von nacheinander P320, P400, P600 und allenfalls noch P800 – je nach Vorgabe. Überspringt man eine Körnung, wird das Ziel nicht erreicht.

Matt hat ähnliche Ansprüche

An dieser Stelle im Arbeitsablauf lohnt es sich kurz, auch einen Blick auf ein anderes aktuelles Thema zu werfen: Auch sehr matte Möbeloberflächen erreichen das Maximum an edler Ausstrahlung dann, wenn der Untergrund eine ebenso saubere Vorbereitung erfahren hat wie eine Hochglanzfläche. Eine Beschichtung ganz ohne Lichtreflexion ist nicht machbar, und auf einer Fläche mit sehr geringen Reflexen können Abweichungen auffallen und somit stören.

Die letzte Lackschicht

Das Fertigspritzen erfolgt mit einem dafür geschaffenen Hochglanzlack kreuzweise, um, wie bei der Grundierung, eine genug dicke Schicht zu erhalten. Nach der wieder ausgiebigen Aushärtezeit erfolgt der mehrstufige Feinschliff bis P3000 oder sogar noch feiner, um anschliessend mit der mehrstufigen Politur zu beginnen.

Während sich mit einem Schwing- oder Exzenterschleifer besonders ebene Flächen besser als von Hand bearbeiten lassen, ist eine gute Poliermaschine mit hochwertiger Polierpaste für die abschliessenden Durchgänge eine sinnvolle Wahl. Für einen besseren Schutz der Oberfläche vor Kratzern empfiehlt die Adler Lack AG anschliessend noch ein Schutzwachs aufzutragen.

Alternative Beschichtungen

Polierfähige Hochglanzlacke sind lösemittelhaltige Lacke. Polierbare, wässrige Hochglanzlacke gibt es bisher noch keine, es wird aber daran gearbeitet. Und Öle lassen sich in der Regel nur zusammen mit Wachsen verwenden, da nur auf dem Werkstück aufliegende Beschichtungen poliert werden können. Die Kombination dieser beiden ergibt eine gute Durchdringung des Holzes und sorgt laut Adler für eine gute Polierbarkeit.

www.votteler.chwww.adler-lacke.comwww.teknos.chwww.gg-lacke.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 12. Oktober 2023 / Ausgabe 41/2023

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