Das Wasserschloss ist passé

Kein Zutritt für Wind und Wetter: Die Berner Fachhochschule und Glutz haben den Be-schlag entwickelt. Bild: Glutz AG

Beschläge.  Eine Schweizer Forschergruppe hat ein Schliesssystem für Aussentüren entwickelt, in dem kein Kondenswasser entsteht. Erreicht wurde das durch Eliminierung von Wärmebrücken und durch Dichtungen am Beschlag gegen Feuchtigkeit und Luftzug.

Bisher sind auf dem Markt für energieeffiziente Bauten keine spezifischen Schliesssysteme erhältlich. Bei den immer dichteren Gebäudehüllen stellen die konventionellen Beschläge aber zunehmend ein Problem dar. An den heutigen Schliesssystemen ist wegen Undichtigkeiten und wegen ihrer Wirkung als Wärmebrücken eine verstärkte Bildung von Kondenswasser zu beobachten. Dieses entsteht durch Luftströmungen oder durch den Temperaturverlauf im Querschnitt. Das beeinträchtigt zum einen die Funktion der elektronischen Bauteile, zum anderen treten an den Beschlägen als Folge der Korrosion Schäden auf. Weitere Schäden entstehen durch die Feuchte an den Holzwerkstoffen der Türen.

Dicht gegen Luftzug und Wasser

Um solche Probleme künftig zu vermeiden, hat ein Projektteam aus Vertretern der Berner Fachhochschule Biel (BFH) und der Solothurner Beschlägeherstellerin Glutz AG einen neuen Beschlag für mechanische und mechatronische Schliesssysteme an Eingangstüren entwickelt. Gefördert wurde das Projekt durch die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes.

Die Ziele waren hoch gesteckt: bessere thermische Eigenschaften, Schlagregendichtheit und geringere Luftdurchlässigkeit (weniger Kondenswasser).

Das schlechte Wetter im Labor

In der zeitgenössischen Architektur sind viele Eingangstüren der Witterung direkt ausgesetzt. Die meisten Schliesssysteme, die heute angeboten werden, bieten aber keinen ausreichenden Schutz gegen Schlagregen. Die Prüfnormen enthalten ausserdem keine speziellen Vorgaben.

Im Technologiepark der BFH in Biel wurden umfangreiche Vorversuche durchgeführt. Um möglichst realistische Bedingungen zu erhalten, bauten die Forscher die Beschläge in eine Tür ein. Zur Temperaturmessung brachten sie Thermoelemente auf der Oberfläche und im Querschnitt der Beschläge an. Die Feuchtemessung erfolgte mit Sensoren an ausgewählten Stellen im Querschnitt der Beschläge.

Versuche unter realen Bedingungen

Nach diesen Vortests führte das Forscherteam der BFH an zwei bewohnten Einfamilienhäusern Feldversuche durch. Neben einem Minergie-P-Haus mit mechanischer Lüftung wurde ein Minergie-Haus ohne mechanische Lüftung geprüft. Bei beiden Gebäuden wurden während der Heizperiode über mehrere Monate sämtliche relevanten Klimadaten im Innen- und im Aussenbereich erfasst. Am Beschlag wurden an verschiedenen Stellen Temperatur und Feuchtigkeit gemessen, um die Wechselwirkung zwischen den Umgebungsbedingungen und den Bedingungen direkt am Schliesssystem zu analysieren. Zusätzlich wurde auch die Druckdifferenz zwischen Innen- und Aussenbereich gemessen, da im Laufe der Vortests im Technologiepark der Hochschule der grosse Einfluss der Konvektion (Luftströmung) erkannt wurde.

Feuchtigkeit im Bereich des Schliesssystems (aber auch an allen anderen Durchbrüchen in der Gebäudehülle) entsteht am ehesten dann, wenn warme, feuchte Luft durch einen Überdruck im Gebäude nach aussen strömt und an kalten Stellen kondensiert. Bei einer Innentemperatur von 20 °C, einer relativen Luftfeuchte von 54 %, einer Aussentemperatur von 0 °C und einem Überdruck im Innenraum von 4 Pa beträgt das sogenannte Auffeuchtungspotenzial in den untersuchten Beschlägen 0,9 g Wasser pro Stunde. Das ist ungefähr so, wie wenn man jeden Tag ein Schnapsglas voll Wasser in den Beschlag schütten würde.

Um den Einfluss der Konvektion besser untersuchen zu können, wurde eine spezielle Prüfeinrichtung entwickelt. Mit dieser ist es möglich, den Beschlag mit Druckdifferenzen von 2 bis 150 Pa zu belasten und die dadurch verursachte Luftströmung durch den Beschlag zu messen.

Neues System erfüllt alle Anforderungen

Auf der Basis der gesammelten Erkenntnisse aus den Felduntersuchungen, aus den Klimatests im Labor und aus den Erfahrungswerten in der Praxis entwickelten, teste- ten und optimierten die Projektmitarbeiter mehrere Prototypen. Das Ergebnis ist ein Schliesssystem, das alle Anforderungen erfüllt. Erreicht wurde es im Wesentlichen durch eine technische Trennung von Innen- und Aussenseite bei der Verschraubung. Sie kann so keine Wärmebrücken mehr bilden. Unter dem Aussenschild wurde gegen den Schlagregen eine vollflächige, 1 mm dicke Kunststoffdichtung angebracht. Und im Hohlraum rund um den Dorn vermindern Radialdichtungen den Luftaustausch.

Raumseitig wurden dadurch am Türblatt im Bereich der Schliesssysteme, am Innenschild und an den Wärmebrücken des Beschlags Temperaturerhöhungen zwischen 1 und 3 °C realisiert. Die Luftdurchlässigkeit der Schliesssysteme wurde bei einem Differenzdruck von 2 Pa bis 150 Pa um den Faktor 20 bis 25 verringert. Durch die massive Verringerung der Luftdurchlässigkeit konnte die Kondensatbildung im Beschlag auch dann verhindert werden, wenn raumseitig Überdruck herrschte.

Die Verbesserung der Schlagregendichtheit ist ebenfalls markant. Bis zu einem Druck von 150 Pa dringt kein Wasser mehr bis zu den elektronischen Bauteilen und den Bohrungen und Fräsungen im Türblatt vor. Damit stellt das Schliesssystem eine wesentliche Verbesserung zu konventionellen Beschlägen dar. Es bietet eine Lösung für energieeffiziente Gebäude an. Daneben eignet es sich auch für spezielle Anforderungen (Staub, Druck). Im dritten Quartal 2015 soll das Produkt auf den Markt kommen.

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Veröffentlichung: 14. Mai 2015 / Ausgabe 20/2015

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