Den Boden kaum noch berühren

Die hängenden Ahornleisten sind im Treppenauge bis über 7000 mm lang. Bild: Roos Treppenbau AG

Schwebend.  Besonders leicht wirkende Treppenkonstruktionen können oft nicht mehr auf dem Boden stehen, sondern sie werden aufgehängt. Die statischen Berechnungen müssen in diesem Fall auch das Gebäude mit einbeziehen.

Treppen sind in jedem Gebäude eine absolute Notwendigkeit, denn sie verbinden die unterschiedlichen Ebenen und machen sie zugänglich. Man kann einen Treppenschacht beispielsweise so im Gebäude und hinter einer Tür verstecken, dass die Gleichmässigkeit des horizontalen Geschosses durch diese vertikale Verbindung nicht gestört wird. In solchen Fällen braucht es dann ein Hinweisschild oder eine etwas auffälligere Tür, damit der Zugang zum Treppenhaus nicht mit einem anderen verwechselt wird.

Anders ist das, wenn man Treppen wie ganz besondere, grosse Möbel inszeniert und damit die vertikale Verbindung hervorhebt. Damit lassen sich optische Akzente setzen, und selbst sehr schlicht gestaltete Räume erhalten dadurch eine eigene Ausstrahlung.

Die Wirkung des Gewichtes

Eine Treppe im Eingangsbereich repräsentiert im Idealfall das Gebäude und das, wozu es erbaut wurde. So oder so gibt sie jedem Besucher einen Eindruck von Identität, den dieser mitnimmt und der ihn auch während seines Aufenthaltes beeinflusst. Es hat eine ganz andere Wirkung, wenn Stufen in eine Wand mit eingemauert sind oder wenn sie als Kragarm wie aus der Wand zu wachsen scheinen. Ob geschlossene Brüstungen die Stufen tragen und, sicher auf dem Boden stehend, zum oberen Stockwerk führen oder ob die Tritte an Stangen von der Decke herunterhängen, schafft eine Schwere oder Leichtigkeit im Raum. Auf ihre eigene Art schwebend sind die Treppen, welche auf den kommenden Seiten vorgestellt werden.

Ein elliptischer Stangenvorhang

Etwas ganz Besonderes, etwas das so noch niemand hat, wünschte man sich beim Holzwerkstoffhersteller Swiss Krono AG in Menznau LU. Der neue Empfang sollte einen Aufgang in das darüberliegende Stockwerk erhalten, der eine besondere Ausstrahlung aufweist und aus Holz besteht, denn das ist der Werkstoff, den dieses Unternehmen verarbeitet. Der Auftrag ging an die Roos Treppenbau AG in Buttisholz LU, und es entstand eine elliptische Wendeltreppe im Ausmass von 5600 mal 4100 mm, deren 70 mm dicke Eichenstufen an Geländerstäben aus Ahorn aufgehängt wurden. Diese haben einen ellipsenförmigen Querschnitt von 40 mal 80 mm. Die Stäbe an der Treppenaussenseite wurden an der Stirnseite der auf 4500 mm Höhe liegenden Betondecke befestigt und enden im Rücklaufgeländer im oberen Stockwerk – dem Brüstungsgeländer um die Treppenöffnung herum. Die Stäbe im Treppenauge reichen bis zur heruntergehängten Decke im Obergeschoss hinauf und wurden mit einer Verbindungskonstruktion an die Betondecke darüber gehängt. Die Gesamthöhe über alles beträgt 7560 mm. Thomas Bucheli von der Roos Treppenbau AG betont, dass ein solches Projekt eine Zusammenarbeit mit einem Ingenieurbüro erfordert.

Die vielbegangene Treppe wurde für eine hohe Belastung konstruiert, sodass viele Personen sie gleichzeitig nutzen können. Damit beim Betreten der Antrittsstufe keine radialen Kräfte die langen Holzstäbe in Schwingungen versetzen, erhielt der unterste Tritt drei dezent angebrachte Verbindungsstützen zum Hallenboden.

Grenze der Leichtigkeit

Die Wendeltreppe über zwei Stockwerke rechts im Bild ist in doppeltem Sinn eine hängende Treppe der Treppenbau.ch AG in Ganterschwil SG. Mit nur gerade fünf Stahlstangen wurde die Treppe in die Dachkonstruktion gehängt. Die Tritte wurden durch Hülsen miteinander verbunden und an den geschwungenen Handlauf gehängt, was den Bereich zwischen den Stangen tragfähig macht. Die Verbindung der Antrittsstufe mit dem Hallenboden wirkt hier den radialen Kräften entgegen.

Diese Treppe befindet sich im Gästehaus einer privaten Villa in Meggen LU. Die Treppe wird wenig benutzt und ist keinen hohen Belastungen ausgesetzt, weshalb eine derart leichte Konstruktion möglich war. Damit der Freiraum zwischen den Stufen nicht mehr als die erlaubten 120 mm beträgt, mussten die Tritte, wie bei vielen neuen Treppen, allerdings recht dick sein.

Auf Zugkraft belastbarer

Nicht alles, was optisch auf dem Boden steht, tut und kann das auch. Das gilt beispielsweise für eine Treppe im Museum Rietberg in Zürich, welche von der Firma Treppenbau.ch AG gefertigt wurde. Es handelt sich um eine Faltwerktreppe mit Podesten, die drei Etagen verbindet. Faltwerk nennt man das, weil die durchlaufende Holzfläche der Tritt- und Stirnflächen wie gefaltet wirkt.

Schmale, senkrechte, wie Pfosten wirkende U-Profile aus Eiche bilden die Tragstruktur, an welche der Aufgang befestigt wurde. Weil nur jede zweite Stufe mit einem Profil verbunden werden konnte, erhielten die Stufenelemente eine Innenkonstruktion aus treppenförmig geschnittenen Schichtholzstreifen, welche mit Eichenholz beplankt wurden. Das Ganze ergab eine sehr steife Hohlkonstruktion mit dicken Stufen, die zudem relativ leicht ist.

Die U-Profile brauchte es, damit die Leuchten und deren Verkabelung Platz fanden. Die vertikalen Zwischenräume wurden mit Holzgittern ausgefacht, was auf besondere Weise transparent wirkt und die gesamte Konstruktion steifer macht. Auf der obersten Etage endet die Tragstruktur in einem Rücklaufgeländer.

Die U-Profile sind in ihrer Dimension zu schwach, um die Last mit all den Museumsbesuchern auf dem Boden stehend tragen zu können. Anders sieht das aus, wenn sie auf Zug belastet werden. Sie wurden daher, mit einer eigens zusammen mit einem Ingenieur entwickelten Aufhängevorrichtung, in den Stirnflächen der beiden Betondecken verankert und somit aufgehängt. Tatsächlich schwebt die gesamte Konstruktion wenige Millimeter über dem Boden der untersten Etage, was für die Besucher aber nicht zu erkennen ist.

An hängenden Stahlbändern

«Gerade bei hängenden Konstruktionen ist die Verhinderung von Körperschallübertragungen wichtig und eine konstruktive Herausforderung», sagt Wendelin Brägger von der Treppenbau.ch AG. Das zeigt auch das nächste Konstruktionsbeispiel von halbgewendelten Treppen in drei Reiheneinfamilienhäusern in Berschis SG, wo Schallübertragungen enorm stören würden. Bei diesen Treppen befestigte man die Tritte im Treppenaugenbereich an senkrechte Hohlkörper aus Mehrschichtplatten, welche davor mit u-förmig abgewinkelten Blechen aus Schwarzstahl verkleidet wurden. Diese Mittelwände stehen auf Schallschutzmatten, und die Stufen, die aussen an den Betonwänden befestigt wurden, erhielten, wie bei allen solchen Treppen, Schallschutzdübel.

Die Herausforderung lag vor allem auf der offenen Raumseite. Dort wurden über die gesamten, offenen Bereiche vertikale Flachstahlbänder aus Schwarzstahl aufgehängt und daran die Stufen mit Bolzen verschraubt. Die Stahlkonstruktionen selbst wurden verschweisst, damit sie keinerlei Spiel wie beispielsweise bei Verschraubungen aufweisen. Durch die Länge der durchlaufenden Flacheisen musste auch einiges vor Ort geschweisst und nachbehandelt werden. Damit der Trittschall nicht direkt durch die an der Stahlkonstruktion befestigten Tritte auf die Betonwände übertragen wird, mussten alle Anschlüsse so konstruiert werden, dass man sie schalldämmend lagern konnte. Wichtig war dem Treppenbauer, dass die Komplexität der Anschlusstechnik nicht sichtbar ist und somit das ruhige Bild der gesamten Treppe nicht beeinträchtigt wird.

An der Grenze der Reduktion

Nichts von ihrer Konstruktion zeigen auch Kragarmtreppen, deren Stufen aus der Betonwand zu wachsen scheinen. Normalerweise haben diese Stufen eine kubische Form und sind ziemlich dick – nicht nur damit der freie Zwischenraum unter 120 mm bleibt, sondern um eine kaum federnde Konstruktion zu erlauben. Mit einer Karbontreppe hat die CNC Holz Group SA diese schwebende Wirkung etwas auf die Spitze getrieben. Und die Erfahrungen zeigen, dass die funktionellen Anforderungen darunter nicht leiden. Mit Kohlenstofffasern und Epoxidharz wird jede Stufe in einer Muschelkonstruktion hergestellt, in der auch alle Anschlusselemente mit eingebunden sind.

www.roos-treppenbau.chwww.treppenbau.chwww.cncholz.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 20. Januar 2022 / Ausgabe 3/2022

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