An den richtigen Punkten ansetzen

Digitale Werkzeuge helfen bei der Wartung. Vor allem braucht es dafür aber viel Erfahrung und Detailwissen.

Wartung.  Wird eine Tür regelmässig gewartet, vermeidet dies in der Regel einen Defekt und damit eine Beeinträchtigung von zugesicherten Eigenschaften des Bauteils. Die Serviceleistung wird immer wichtiger und kann mit digitalen Hilfsmitteln ein Türmanagement sein.

Es gibt Aufträge, die vergisst man nicht. Etwa, wenn man nach Berlin in die Schweizer Botschaft gerufen wird. Der Anlass: die Wartung der Türen vor Ort, genauer gesagt, die Festlegung, wie das zu erfolgen hat. Auch für den Türexperten und Gutachter Martin Kunz ein aussergewöhnlicher Vorgang. Seine Werkzeugtasche musste er dafür nicht durch die Kontrolle am Flughafen bringen, denn die blieb in der Werkstatt. Er sollte lediglich mit dem Schreiner vor Ort die auszuführenden Arbeiten besprechen. «Wir haben zusammen geschaut, wie die Schlösser funktionieren und die Einstellungen vorzunehmen sind», sagt Kunz, Gründer und Inhaber der gleichnamigen Schreinerei in Ostermundigen BE und der Firma Tuerservice.ch.

Die Wartung von Türen ist vielschichtiger, als man denkt. Erfahrung könne man dafür gar nicht genug haben, sagt Kunz. Seit Jahren werden Türen mit zugesicherten Eigenschaften in zunehmender Stückzahl produziert und verbaut. Werden die Bauteile komplexer, gilt das auch für die Instandhaltung. «Die Wartung anspruchsvoller Türelemente erhält am Markt vermehrt Beachtung. Denn die Eigentümer und Nutzer von Bauten und Anlagen sind dafür verantwortlich, dass Einrichtungen für die technische Funktionalität, wie etwa Brandschutz oder Fluchtweg, bestimmungsgemäss instand gehalten werden. Diese müssen jederzeit betriebsbereit sein», teilt das Wartungsteam der RWD Schlatter AG in Roggwil TG schriftlich mit.

Auch für Kunz geht es beim Thema Wartung nicht um simple Innentüren im privaten Bereich. «Wenn eine einfache Tür nicht mehr richtig funktioniert, ruft man den Schreiner, der das behebt», sagt der Experte. Es ginge vielmehr um die komplexen Türen, wie Kunz sie nennt. Das sind solche mit Motorenschlössern, Zutrittsregelungen, Einbruchhemmung, Brandschutz wie auch Türen, die als Fluchtweg dienen. Diese müssen stets tadellos funktionieren und sollten deshalb regelmässig gewartet werden, bestätigt Kunz.

Digitales Zählwerk für die Wartung

Allerdings würden nur etwa 10 Prozent der Türen optimal gewartet, erklärt Thomas Kössler, Co-Gründer der Portanet AG in Emmen LU. Gemeint sind dabei allerdings nur die Türen, für die es einen Wartungsvertrag gibt, und das ist nur ein kleiner Teil der Türen in der Schweiz. Gibt es eine Vereinbarung, wird meist jährlich nach den Türen geschaut. Im Schnitt etwas zu viel des Guten für den Start-up-Unternehmer Kössler: «Das wäre in etwa so, als wenn man sein Auto jedes Jahr in den Service fahren würde, obwohl es kaum genutzt wurde. Bei Türen führt es dazu, dass nur etwa jede zehnte Tür optimal, sprich nach deren Nutzung gewartet ist. Die grosse Mehrzahl der Türen wird zu oft kontrolliert, dem gegenüber allerdings werden stark frequentierte Türen zu wenig gewartet», so Kössler. Dies könne trotz Wartungsvertrages zu Störungen oder gar Ausfällen führen.

Kösslers Erkenntnisse entstammen einem Innosuisse-Projekt, bei dem 200 Türen mit dem sogenannten Cycle Counter des Unternehmens ausgestattet wurden. Die Plakette zum Einlassen in den Falz oben an der Tür misst über Sensoren die relative Luftfeuchtigkeit, die Neigung der Tür und meldet Erschütterungen, etwa durch Schläge. Die vielleicht wichtigste Funktion: Mittels Kontaktmagnet zählt die Technik die Zyklen als Grundlage für eine planmässige Wartung. «Vorher einzuschätzen, wie häufig eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wird, ist schwierig», sagt Kössler. Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich Laufwege durchaus entgegen einer Planung entwickeln können. Mit dem digitalen Zählwerk sind solche Abweichungen einfach zu erkennen. Die Tür kann gewartet werden, wenn sie eine gewisse Zyklenzahl erreicht hat, ähnlich wie beim Auto nach einer festgelegten Anzahl zurückgelegter Kilometer.

Was den Kunden nützt

Wartungsverträge von Türen kommen vor allem bei grösseren Einheiten zustande. «Gebäude im Bundesbern, Spitäler, Hotels oder grössere Unternehmen nehmen unsere Dienstleistungen in Anspruch», sagt Kunz. Die Tür- und Mängelmanager beurteilen jede Tür und dokumentieren die Ergebnisse in einem unveränderbaren Dokument, das dann wiederum der Tür hinterlegt wird und über den angebrachten QR-Code abrufbar ist. Kommt ein Cycle Counter zum Einsatz, wissen die Fachleute genau, wann die vom Hersteller angegebene Zyklenzahl erreicht ist und die garantierte Lebensdauer des Beschlages endet. «Dann kann man vorausschauend planen und budgetieren. Wenn wir etwa für ein grosses Unternehmen wie die SBB Türen prüfen und erkennen, dass demnächst einige Hundert Türen ein neues Schloss bekommen sollten, kann das dann durch den Schreiner entsprechend umgesetzt werden», sagt Kunz. Die Arbeit der Experten von Tuerservice.ch umfasst nicht die praktische Ausführung, sondern endet mit der Dokumentation der durchzuführenden Massnahmen. Der Kunde kann sich sein gewünschtes Unternehmen für den Tausch des Schlosses selbst aussuchen. «Wir beurteilen und dokumentieren unabänderbar, damit stets Rechtssicherheit herrscht», sagt Kunz.

Auch für Kössler funktioniert eine Aufteilung der Zuständigkeiten ohne Weiteres. «Wer die digitale Werkzeugkiste nutzt, kann den Auftrag für die Wartung auch an Externe geben. Der Türbauer verkauft dann Sicherheit und nicht die Wartung», erklärt er.

Die Trennung von Diagnose und Eingriff scheint auf den ersten Blick aufwendig. Laut Kunz täuscht das jedoch. Auch der Schreiner oder eine Service-Fachkraft hat bei einem Gebäude mit unzähligen Türen nicht zwangsläufig die richtigen und benötigten Ersatzteile dabei und muss deshalb einen zweiten Termin vereinbaren.

Industrielle Hersteller von Türen begeben sich mehr und mehr auf das Feld der Türenwartung. So arbeitet man bei RWD Schlatter in Roggwil SG ebenfalls mit digitalen Hilfsmitteln wie dem Cycle Counter und elektronischen Etiketten. «Die Türwartung sollte von kompetenten Unternehmen ausgeführt werden, die sich mit Produkten, Richtlinien, Gesetzen und Merkblättern auskennen», schreibt das Team von RWD Schlatter. Deshalb empfehle man, die Wartung der eigenen Türen auch durch RWD Schlatter durchführen zu lassen.

Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen

Seit etwa 2015 ist auch die Schreinerei Bigler im Geschäft mit der Türwartung. «Wir hatten ein etwas wildes Portfolio an Türen mit einem Spital und verschiedenen Privatkunden. Da habe ich gemerkt, dass eine Person ganz schön was zu tun hat mit der Wartung», sagt Urs Bigler, Geschäftsführer und Inhaber der Schreinerei in Mühlethurnen BE. Seitdem hat sich das Geschäft mit der Wartung entwickelt. Dabei nimmt Bigler seiner Kundschaft viel ab. Diese bekommen etwa eine Nachricht, wenn die Wartung turnusgemäss wieder ansteht.

Inzwischen hat ein Experte mit den Wartungsarbeiten schon ein ansehnliches Pensum. «Die Türwartung ist eine gute Möglichkeit, einen erfahrenen Monteur mit über 60 Jahren von dem anstrengenden Montagealltag zu entlasten und seine grosse Erfahrung stattdessen bei der Wartung gewinnbringend einzusetzen», erklärt Bigler seine Strategie. So liessen sich die erfahrenen Leute in der Branche halten. Weiterer Vorteil: Neukunden gegenüber kann das Unternehmen dank dem erfahrenen Wartungspersonal offen sein.

Die digitalen Hilfsmittel unterstützen die Fachleute bei der Wartung, ersetzen diese aber nicht. Erfahrung und Wissen sind die wesentlichsten Werte bei der Wartung. Man muss auch sehen, ob es sich um einen gravierenden Mangel handelt oder nur um einen leichten. «Funktioniert bei einer reinen Fluchtwegtür der Türschliesser nicht, so ist dies ein leichter Mangel, da die Tür zu jeder Zeit ohne Hilfsmittel geöffnet werden kann. Ist dies bei einer Brandschutztür der Fall, stellt dies einen gravierenden Mangel dar, da sich die Tür im Brandfall nicht selber schliesst und sich das Feuer im Gebäude ausbreiten kann», erklärt Kunz die täglichen Herausforderungen. Das alles dokumentiert der Experte in manipulationssicheren Dokumenten digital. Diese sind dann wiederum über den QR-Code des Mangelreports abrufbar.

Zusammen klappt es gut

Die Dokumentationen braucht es zwingend, auch wenn ein Cycle Counter zum Einsatz kommt. Mit diesem können einige Parameter erfasst werden, aber auch nicht alle möglichen Mängel erkannt werden. Ob die Gummidichtungen und Dämmschichtbildner in tadellosem Zustand sind und das Schloss richtig funktioniert – das kann ein Sensor bislang nicht erfassen.

Manchmal muss Kunz sogar auf Spezialmessgeräte zurückgreifen. So sei etwa der Widerstand eines Drückers, der Paniktür-Funktion hat, in einer gewissen Bandbreite definiert. Um diesen Widerstand vor Ort zu messen, komme dann schon mal das spezielle Gerät zum Einsatz. Mutmasslich wissen viele aber gar nicht, dass der Drückerwiderstand einer solchen Tür einen festgelegten Grenzwert hat.

Für Schreiner Bigler hat das Thema der Türwartung noch grosses Potenzial. Der Schreiner sieht das als ein Instrument der Kundenbindung. Eine typische Situation: Sind die Türen vor Ort erledigt, soll der Serviceexperte dann schon mal ein Fenster ansehen oder ein anderes Problem beheben. «Wir hatten aber auch schon Kunden, die nach 22 Jahren das Gefühl hatten, das kaputte Türschloss müsste auf Kulanz repariert werden», erzählt Bigler und lacht. Nicht nur für ihn liegt bei der Wartung noch so manches brach.

www.tuerservice.chwww.rwdschlatter.chwww.portanet.comwww.bigler-schreinerei.ch

Türen unter Kontrollen

Es braucht einen 16er-Fräser, um den Cycle Counter am oberen Falz der Tür auf eine Länge von 226 mm knapp 4 mm tief einzulassen. Mehr aber auch nicht. Das runde, magnetische Gegenstück wird am Rahmen aufgeklebt. Für die Stromversorgung der Sensoren sorgt eine integrierte Batterie. «Acht bis zehn Jahre soll sie je nach Sendeintervallen halten», sagt Thomas Kössler von Portanet. Für gewöhnlich erfolgt die Datenübertragung alle 14 Tage. Dann braucht es eine neue Plakette. Die Übertragung erfolgt über ein Funknetz der Swisscom, die Daten der Cloud werden über die Schweiz gehostet. 

Der kleine Bruder ist einfach ein Tag mit QR-Code. Solche elektronischen Plaketten nutzen inzwischen einige Wartungsexperten, um schnell alle wichtigen Daten einer Tür parat zu haben.
«Es ist wie bei einer Patientenakte», sagt Türexperte Martin Kunz. Alle Massnahmen, die Historie und die grundlegenden Daten sind hinterlegt. Der Tag ist im Falz der Schlossseite aufgeklebt, damit man den QR-Code direkt scannen kann. ch 

→    www.portanet.com

 

christian härtel

Veröffentlichung: 28. September 2023 / Ausgabe 39/2023

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