In der grossen Truppe macht es Spass

Gruppenbild der acht Lernenden mit den Begleitern und Berufsbildner Noel Kipfer (ganz rechts). Bild: PD

Wie ist es, sieben Mitlernende zu haben? Zum Abschluss des ersten Jahres haben die Lernenden der Röthlisberger AG – die Schreinermanufaktur drei Tage zusammen verbracht. Es ging um Zusammenhalt, Werte und Durchhaltewillen.

In der ersten Nacht schlug ein Blitz ein, und der Strom war weg. In der Lernendenwoche der Röthlisberger AG – die Schreinermanufaktur in Schüpbach BE im Emmental gab es Ende Juli für die acht Lernenden des ersten Jahres einiges zu erleben. Geplantes und Ungeplantes. Der Blitzeinschlag verlief zum Glück glimpflich. «Es hatte laut geknallt, und ich bin aus dem Schlaf geschreckt. Es kam kurz Hektik auf, aber es ist nichts Gröberes passiert», sagt Sabrina Kobel. Die 16-Jährige ist eine der acht Jugendlichen des Betriebs, die gerade das erste Lehrjahr erfolgreich absolviert haben. Als Abschluss des Ausbildungsjahres ging es für die Gruppe mit dem Berufsbildner und weiteren Betreuerinnen und Betreuern für drei Tage in eine abgelegene Hütte in Schangnau BE zur Lernendenwoche. «Ich fand das Lager eine gute Sache. Natürlich habe ich die anderen Lernenden bereits gekannt, aber nicht alle gleich gut. Ich fand es schön, sie ausserhalb der Arbeit besser kennenzulernen. Wir sind ein sehr gutes Team.»

Neben verschiedenen Wanderungen standen Gruppenaktivitäten auf dem Programm, gemeinsames Kochen sowie kurze Referate zu den Themen Unternehmenswerte, Teamwork und Vertrauen fördern. Zudem kam Sven Bürki, der Weltmeister der Möbelschreiner von 2017, vorbei und berichtete den Lernenden von seinen Erlebnissen und Erfahrungen an den Berufsmeisterschaften und den World Skills in Abu Dhabi. Er motivierte die Lernenden, ebenfalls an den Meisterschaften teilzunehmen. Egal, wie weit sie kämen.

Gemeinsam Hindernisse überwunden

Am zweiten Tag musste die angehende Schreinerin Mut beweisen. Die Gruppe besuchte in Affoltern im Emmental einen X-Trail mit verschiedenen Aufgaben. Zum Beispiel mussten alle über ein Drahtseil balancieren, ohne dass jemand runterfiel. Zudem ging es auch mächtig in die Höhe: Auf 17 Metern hatten die Lernenden in Zweierteams ein Hindernis zu überwinden. «Ich habe Höhenangst und musste mich zusammenreissen. Aber wir haben uns gegenseitig unterstützt, da konnte ich mich überwinden. Ich bin stolz auf mich und das ganze Team», erzählt Sabrina Kobel.

Auch Carden Wilson hatte Spass an den Aufgaben und dem Lager allgemein. «Eine tolle Idee. Vor allem haben wir uns alle viel besser kennengelernt und verstehen uns als Gruppe noch besser. Ich konnte die Freundschaften stärken oder neue knüpfen», sagt der 16-Jährige aus Burgdorf. Er findet es gut, dass so der Zusammenhalt und der Teamgedanke gestärkt wurden.

Feedback ausserhalb des Betriebs

«Das war genau das Ziel dieser drei Tage», sagt Noel Kipfer, der Berufsbildner der Röthlisberger AG. Die Lernendenwoche wurde erstmals durchgeführt, als Abschluss des ersten Jahres. «Ich wollte von den Lernenden mal ausserhalb des Betriebs erfahren, wie es ihnen geht, und Feedback erhalten. Eine Ausbildung hat ja in der Regel Höhen und Tiefen.» Die Jugendlichen sollten sich zudem bewusst werden, dass sie nun auch eine Vorbildfunktion innehätten und Verantwortung übernehmen müssten, denn im August haben im Betrieb acht neue Lernende angefangen. «Dazu gehört auch, dass die Neuen alle eine Gotte oder einen Götti erhalten, an die oder den sie sich jederzeit wenden können. Ich bin gespannt, ob das funktionieren wird.» Kipfer freute sich allgemein, wie gut die angehenden Schreinerinnen und Schreiner mitziehen und mit Freude bei der Sache sind.

Der Schreinerbetrieb im Emmental beschäftigt derzeit insgesamt 23 Lernende. Zum dritten Mal haben im August gleich acht Lernende die Ausbildung begonnen. «Das Unternehmen hat sich in den letzten Jahren gewandelt und ist gewachsen. Wir sind bereit, viele junge Schreinerinnen und Schreiner auszubilden. Natürlich mit dem Ziel, nach dem Abschluss einige weiterzubeschäftigen», erklärt Noel Kipfer. Die Mitarbeitenden hätten sich an die vielen Lernenden gewöhnt und leisteten ihren Beitrag zur Ausbildung. Ihm sei bewusst, dass die Jugendlichen eine höhere Eigenverantwortung als in einem kleineren Betrieb aufbringen und Wissen und Hilfe auch mal einfordern müssten. So würden sie selbstständig. «Ich schaue aber täglich bei allen vorbei. Und bisher konnten wir die Lehrstellen gut besetzen. Ich hoffe, das bleibt so.»

Carden Wilson kommt gut mit der Situation klar. «Ich finde es gut, dass wir viele sind. Am ersten Tag wurde mir erst richtig bewusst, wie viele. Für den Berufsbildner und die Vorgesetzten ist es wahrscheinlich schwieriger, alle unter Kontrolle zu halten», sagt er und lacht. Er fühle sich gut betreut und möge es, selbstständig zu sein, mitdenken zu müssen, und habe keine Probleme, andere um Rat zu fragen. Für ihn passe es. «Das erste Lehrjahr ist gut verlaufen. Die Arbeit macht mir Spass, und ich finde es gut, dass wir Lernende in allen Abteilungen eingesetzt werden.» Er habe schon sehr viel gelernt und freue sich auf das zweite Jahr.

Rotation alle sechs Wochen

«In der Regel arbeiten wir jeweils sechs Wochen in einer Abteilung», erzählt Sabrina Kobel. «Immer eine Lernende oder ein Lernender des ersten und zweiten Jahres zusammen.» Betreut werden sie dort von den jeweiligen Abteilungsleiterinnen und -leitern sowie den Mitarbeitenden. «Ich finde, es läuft gut. Natürlich hatte ich auch mal zu beissen.» Der Emmentalerin gefalle es zum Beispiel in der Küchenabteilung gut, und sie arbeite gerne mit Massivholz. Auch auf den Baustellen fände sie es spannend. «Nicht so interessant finde ich es hingegen, wenn wir als Maschinenhelferinnen und -helfer an der Reihe sind. Die Arbeit wiederholt sich, und wir können nur wenig selbst machen.»

Dass sie so viele Lernende sind, habe sie zu Beginn etwas schwierig gefunden. Und es gebe ab und zu einen kleinen Konkurrenzkampf. Man könne auch nicht mit allen Kolleginnen und Kollegen gleich viel Kontakt haben, obwohl im ersten Monat alle zusammen gearbeitet hätten. «Nach dem Lager ist das aber besser. Nach Feierabend plaudern wir oft noch.» Dass sie nun als Gotte eine Vertrauensperson für einen neuen Lernenden ist, finde sie gut. «Klar hat man auch sonst Kontakt, aber nun ist man dazu gezwungen, einen der Neuen besser kennenzulernen. Und ich helfe gern.»

Sabrina Kobel fühlt sich im Lehrbetrieb sehr wohl. «Ich war auch noch an einem anderen Ort schnuppern, wo es mir ebenfalls gefiel, und habe sehr lange überlegt, wo ich arbeiten möchte. Ich habe es aber nicht bereut», erzählt sie. Auch die Berufswahl bereut sie nicht. «Die Arbeit als Fachbetreuerin für Kleinkinder fand ich ebenfalls toll, weil ich Kinder mag. Aber es war die richtige Entscheidung, Schreinerin zu werden.»

Holz ist sein Element

Auch bei Carden Wilson kamen mehrere Berufe in die engere Auswahl. «Ich wusste von Beginn weg, dass ich mit Holz arbeiten möchte. Aber noch nicht genau wie. Deshalb habe ich Schnuppertage als Zimmermann, Bodenleger und Schreiner gemacht», erzählt er. «Letzteres hat mich schliesslich am meisten überzeugt. Und das ist gut so.» Er ist sehr motiviert für das zweite Lehrjahr und freut sich auch auf die Zusatzaufgabe als Götti. «Ich bin froh, dass ich nun nicht mehr zu den Jüngsten gehöre.»

www.schreinermanufaktur.ch

nicole d’orazio

Veröffentlichung: 07. September 2023 / Ausgabe 36/2023

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