Der Stuhl wurde zum Tisch

Das ist der «Three Wood»-Tisch von Chaska Schuler. Sie hat ihn aus Restholz hergestellt. Bild: Chaska Schuler

Freizeitprojekt. Chaska Schuler aus Steinen SZ interessiert sich nicht nur für das traditionelle Schreinerhandwerk. Die 19-Jährige hat auch gelernt zu schnitzen und zu drechseln. Alle Bearbeitungsformen hat sie in einem Tisch vereint. Ihr Traum: Das als Selbstständige weiterzuführen.

Eine Sehnenscheidenentzündung hat sie gestoppt. Chaska Schuler musste wegen ihrer Verletzung einige Wochen lang ihre Hand schonen und konnte nicht arbeiten. Für die 19-Jährige eine leidige Sache. Herumsitzen ist so gar nicht ihr Ding. Nebst ihrer Ausbildung zur Schreinerin bei der Lindauer AG in Steinen SZ ist sie in ihrer Freizeit meistens in der eigenen Werkstatt zu finden. Die Garage ihrer Eltern hat sie dafür umfunktioniert. «Ständig habe ich neue Ideen, was ich alles herstellen könnte», erzählt sie und lacht.

Ein besonderes Projekt hat sie wegen ihrer Hand, die endlich wieder belastbar ist, erst kürzlich beenden können: Einen Drechslertisch, der in der Form an einen japanischen Tempel erinnert. «Zuerst war er als Stuhl gedacht. Doch in der Pause habe ich die Idee zu einem Tisch weiterentwickelt.»

Schnitzereien für die Übergänge

Die Idee war, mit Drechseln eine Tragkonstruktion für einen Stuhl oder Tisch zu gestalten. «Die Einzelteile habe ich mit einer stabilen Verzapfung, dem Dominosystem von Festool, verbunden. Ich habe sie zusätzlich verstärkt, indem ich die Übergänge geschnitzt habe.» Fliessende und weiche Formen seien ihr wichtig gewesen. Denn die Konstruktion soll nicht nur dem Auge, sondern auch den Händen des Besitzers schmeicheln.

Inspirieren liess sich die Lernende im vierten Lehrjahr dabei von den beiden amerikanischen Möbeldesignern und -bauern George Nakashima und Sam Maloof. Von Letzterem ist sie besonders beeindruckt. «Mich fasziniert sein zeitloser Stil, den er über Jahre hinweg weiterentwickelt hat. Die Linienführung, die traditionellen und neu entwickelten Holzverbindungen und seine Arbeitsweise sind beeindruckend.» Wenn Maloof seine Arbeit beschrieb, habe er auch immer die Begriffe Seele und Geist verwendet, was für sie wichtig sei. «Die Begegnung mit dem lebendigen Werkstoff Holz fasziniert mich. Mit meinem Möbel möchte ich dem Baum neues Leben schenken und dessen Energie weitergeben.»

Kurs auf dem Ballenberg

Die Arbeit mit Holz fasziniert Chaska Schuler in vielerlei Hinsicht. «Ich habe mich neben der Schreinerlehre auch für die Ausbildung als Holzbildhauerin interessiert. Ich schnitze gerne.» Im Herbst vor zwei Jahren ist das Drechseln hinzugekommen. Zum Geburtstag wurde ihr ein einwöchiger Kurs auf dem Ballenberg geschenkt. «Ich war so begeistert, dass ich mein Erspartes für eine Drechselmaschine ausgegeben habe», erzählt sie. Diese kommt regelmässig zum Einsatz. «Ich stelle gerne Schalen, Dosen, Schmuck oder Kreisel her.» Am lokalen Weihnachtsmarkt konnte sie vieles davon verkaufen.

Für ihren Lehrbetrieb hat die Schwyzerin auch schon kleinere Aufträge drechseln dürfen, was sie sehr freut. Zum Beispiel Halter für Toilettenpapier für eine neue Liegenschaft oder Beine für einen Couchtisch. «Mein Lehrmeister meint, dass es schneller geht, wenn ich diese Dinge drechsle. Nur schon das Programmieren des CNC-Bearbeitungszenters würde länger dauern.»

Drei Arbeitstechniken in einem

Beim Drechseln ist auch die Idee für den Stuhl beziehungsweise den Tisch entstanden. «Er soll das traditionelle Schreinern mit dem Drechseln und Schnitzen vereinen», sagt die Innerschweizerin. Die Grundkonstruktion ist gedrechselt, die Tischplatte traditionelles Schreinerhandwerk und die Übergänge an den Beinen sind geschnitzt. Da der Tisch die Form eines japanischen Tempels haben soll, hat die junge Schreinerin überall einen Winkel von sieben Grad gewählt. «Das war eine Herausforderung. Ich musste sehr genau arbeiten.»

Die Platte hat die Lernende aus einem Birnbaum aus ihrem Dorf gefertigt. Das sei der erste Stamm gewesen, den sie selber gekauft und um den sie mit dem Händler gefeilscht hatte. «Eines der Bretter war total verknorzt, eine super spannende Stelle», erzählt Chaska Schuler. «So ein Fehler würde normalerweise im Hacker landen. Doch bei mir spielt sie eine prominente Rolle.» Der Baum hat schliesslich einiges erlebt, das sollte man nicht einfach so wegwerfen. So hat sie den ganzen Tisch letztlich aus Material aus dem Restengestell hergestellt. Nebst Birnbaum hat sie Ahorn und Nussbaum verwendet und ihr Werk deswegen «Three Wood»-Tisch genannt.

Für das oben frei endende Tischbein hat sich Chaska Schuler noch etwas Besonderes einfallen lassen: «Ich habe einen Aufsatz aus Ebenholz gedrechselt, um darauf eine schöne Kugel zu stellen. Das sieht super aus.»

Schritt in die Selbstständigkeit

Im nächsten Sommer wird Chaska Schuler ihre Ausbildung abschliessen. Auf die IPA, ihre individuelle praktische Arbeit, ist sie schon gespannt. «Das werde ein kurzfristiger Kundenauftrag sein, hat mein Lehrmeister gesagt», erzählt sie. Was sie nach dem Berufsabschluss machen möchte, weiss sie schon genau: Selbstständig tätig sein.

«Ich möchte handgearbeitete, elegante Möbel bauen. Es werden Einzelanfertigungen sein, die schön, zweckmässig, praktisch und handwerklich gut verarbeitet sind.» Zudem möchte sie in ihrem Alltag das Schreinerhandwerk mit dem Schnitzen und Drechseln verbinden. «Meine Arbeit ist Handwerkskunst, keine Massen- oder Serienproduktion. Es ist aber keine reine Kunst, sondern sie soll einen Zweck haben und funktional sein.» Wie ihr Vorbild Sam Maloof glaubt die junge Frau fest an das Spirituelle in der Handwerkskunst. «Ich gehe mit dem Material eine Verbindung ein. Mit dem neuen Besitzer schliesst sich der Kreis.» Sie werde deswegen auch den direkten Kontakt mit den Kunden suchen. Der zwischenmenschliche Austausch ist ihr sehr wichtig.

Als zweites Standbein schwebt Chaska Schuler eine Kurswerkstatt vor. «Ich habe den grossen Wunsch, mit Kunden ihre eigenen Möbel zu entwickeln und zu bauen», sagt sie. «Ich möchte Interessierte bei der Umsetzung ihres eigenen Möbels begleiten.» In Kursen könnten diese den Umgang mit dem Werkzeug lernen. «Solche Kursangebote gibt es nur wenige, wie meine Recherchen gezeigt haben.» Sie ist überzeugt, dass solch ein Angebot gefragt sein wird.

In ihrer Vertiefungsarbeit setzt sich die junge Schreinerin mit dem Thema «Selbstständig machen» auseinander. «Die Finanzen und ein Businessplan sind natürlich ein wichtiger Teil.» Damit es auch vom Budget her aufgeht, kann sie sich vorstellen, zuerst noch einen Teilzeitjob anzunehmen und ihr Geschäft nebenbei aufzubauen. «Ich bin sicher, dass es klappt.»

www.chaskart.chwww.lindauerag.ch

Nicole D'Orazio

Veröffentlichung: 05. November 2020 / Ausgabe 45/2020

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