Der Weg zum Runden

Formteile.  Nur rein kubische, flächige Arbeiten reichen nicht mehr. Immer mehr wird auch vermehrt nach runden und organischen Formen verlangt – eine lösbare Aufgabe für innovative Schreiner, die eine Zusammenarbeit zu nutzen verstehen.

Nachdem die Formensprache im Wohnen und Arbeiten über viele Jahre vor allem schlicht und kubisch war, finden sich in jüngerer Vergangenheit wieder vermehrt Ansätze zu organisch wirkenden Elementen. Nicht üppig runde Formen treffen den Nerv der Zeit, sondern fliessende Übergänge aus den vertrauten flächigen und kantigen Grundelementen – eine neue Herausforderung gerade für Schreinereien, die sich bisher dem Plattenbau verschrieben haben.

Durchlaufende Holzfasern

Formteile aus Holz und Holzwerkstoffen erfordern Spezialwissen und oftmals auch Einrichtungen, die sich für kleine Stückzahlen nicht lohnen. Dennoch kann jede Schreinerei ihren Kunden solche Dinge anbieten. Davor sollte aber klar sein, was in welchem Fall zu berücksichtigen ist. Gerade die statischen Eigenschaften von Massivholz sind für viele Dinge sehr interessant. Verhilft doch die röhrenartige Struktur mit den teilweise recht langen Fasern zu hoher Festigkeit in verschiedenen Richtungen bei recht geringem Gewicht und mit anderen positiven Eigenschaften.

Um diese Festigkeit geht es auch, wenn Elemente bogenförmig sein sollen. Sie ist nur gegeben, wenn der Faserverlauf gleich dem Bogenverlauf ist. Ursprünglich wurden daher in einem solchen Fall entsprechend gewachsene Bäume oder Äste gesucht. Doch schon vor sehr langer Zeit fand man heraus, dass sich Holz auch so biegen lässt, das es anschliessend exakt diese Form behält.

Mit Dampf biegen

Die Firma K. Winkler AG in Felsenau AG ist ein Holzbiegewerk. In Druckkammern werden vorformatierte, lufttrockene Hölzer erst bei 108 °C und 0,5 Bar Überdruck gedämpft, bis sie rund 30 bis 40 % Holzfeuchtigkeit aufweisen. Daraufhin werden sie auf der Aussenseite der späteren Rundung mit einem Stahlband fixiert, um dann mit einer Biegemaschine über eine Form gebogen zu werden. Verstellbare Haltestangen fixieren anschliessend diese Position über die ganze Zeit in der Trockenkammer, wo das Holz auf die letztendlich erforderliche Holzfeuchte für die Weiterverarbeitung heruntergetrocknet wird.

Durch die äussere Fixierung mit dem Stahlband beim Biegen wird sichergestellt, dass die Fasern nicht längs auseinandergezogen und zerrissen, sondern zusammengestaucht werden. Diese Stauchung wird bei engen Biegeradien sogar erkennbar. Je gerader das Holz gewachsen ist und je weniger Unruhe durch Fehler und Äste besteht, desto sauberer lässt es sich biegen. Schlichte Bögen mit dünnem Material wie beispielsweise Tischkanten lassen sich auch gehobelt in Form bringen.

Gebogen werden Hölzer bis 4500 mm Länge und 100 mm Dicke. Ideal sind Breiten bis 200 mm – möglich sind aber auch 400 mm. Mittlerweile gelingen immer engere Radien, was von der Holzart und Stärke abhängig ist und von Fall zu Fall angesehen werden sollte.

Bogenförmige Massivholzplatten

Vor allem dann, wenn die Rundung quer zur Holzlaufrichtung sein soll, bietet sich die bogenförmige Verleimung von Friesen oder gar Segmentklötzchen an. Die Firma Ja-De im deutschen Delbrück hat sich auf diese Technik spezialisiert und fertigt vor allem Serien für die Möbelindustrie.

Durch die Vielzahl dieser Arbeiten verfügt der Hersteller über ein grosses Arsenal an Leimformen, wodurch es ihm möglich ist, auch sehr kleine Stückzahlen attraktiv zu produzieren, denn der Formenbau ist das teuerste an dieser Arbeit. Die Beispielfronten im Bild rechts unten machen deutlich, dass die Produktionstechnik einiges an Gestaltungsfreiraum bietet. Wichtig ist für interessierte Schreiner, dass sie sich vor Planungsbeginn mit der Firma austauschen, um die vorhandenen Möglichkeiten optimal nutzen zu können.

Formverleimen

Grosse Teile, etwa bogenförmige Wände oder Möbelelemente bis hin zu Sitzbänken in Warteräumen, kann man auch ganz anders machen als mit Massivholz. Das hat Vorteile: Mit Furnier, aber auch mit anderen Materialien, können ausserordentliche Bilder und Effekte zusammengestellt werden. Die Bachmann Holz in Form GmbH im st.gallischen Uznach kann mittels Formverleimungen im Schichtaufbau äusserst viele formale Wünsche in Holz erfüllen. Dabei sind Radien ab 30 mm und sogar dreidimensionale Formen realisierbar. Durch das Verleimen von Schichten über einer Form werden die einzelnen Lagen formal fixiert und können nach dem Aushärten des Leimes nicht mehr zurückfedern.

Die Formteile der Firma haben nicht nur einen Sperrholz- oder MDF-Kern, sondern können auch wasserfest, schwer entflammbar oder nichtbrennbar ausgeführt werden. Ebenso vielseitig sind die Decklagen: Zur Anwendung kommen praktisch alle Furnierarten, HPL-Platten, Desktop und Metalle. Was noch nicht verwendet wurde, wird zuerst ausprobiert.

Die Kombination von Kompetenzen

Auch die Meyer AG in Ennetbürgen NW bietet formverleimte Halbfabrikate an. Die Verwendung von sehr flexiblem Kernmaterial und speziell dreidimensional formbarem Furnier erlaubt eine überschaubare Fertigung auch extremerer Formen.

Sollen Innenausbauten oder Möbel in organischen Formen entstehen, kann es vorkommen, dass eine Zusammenarbeit zwischen dem Schreiner, dem Formverleimer und dem Holzbieger am sinnvollsten ist – eine Tendenz, die gerade bei hochwertigeren Produkten durchaus zunimmt und den Zulieferern nicht fremd ist. Auch hier ist eine frühe Kontaktaufnahme sinnvoll.

Formsperrholz

Manch einer wird auf den ersten Blick keinen Unterschied zwischen formverleimten Elementen und Formsperrholz erkennen. Erstere kann man beispielsweise mit mehreren dünnen Pappelsperrholzplatten und zwei Furnierdecklagen herstellen. Die Sperrholzplatten sind dabei ursprünglich gerade und zurückfedernd. Formsperrholz besteht hingegen in der Regel ausschliesslich aus Furnierschichten, die zudem je nach statischem Zweck ausgerichtet miteinander verleimt werden. Die Laufrichtung der Fasern verschafft so gezielt Stabilität. Gerade im Bereich dynamischer Belastungen sind diese Produkte äusserst ausdauernd, weshalb sie speziell bei Stuhlschalen zur Anwendung kommen.

Verpresst wird das Ganze unter hohem Druck zwischen einem positiv und negativ geformten Formklotz. Das Verfahren ist grundsätzlich für Serienproduktionen bestimmt, da vor allem die Formkosten hoch sind und sich diese erst über grosse Stückzahlen gut amortisieren lassen. Besteht aber bereits eine Form, ist der Einrichtungsaufwand in einem Rahmen, der auch sehr kleine Stückzahlen zulässt.

Die Sperrholzfabrik Hess & Co. AG im aargauischen Döttingen hat in ihrer Formsperrholz-Abteilung etliche freie Formen. Der Kunde bestimmt die Decklagen, die auch aus anderen Materialien als Furnier bestehen können, und hat anschliessend die Möglichkeit, aus der Rohschale eine individuelle Kontur zu fräsen oder fräsen zu lassen.

Gedrehte Elemente

Formteile sind aber nicht einfach nur plastisch verformte Platten, sondern auch dreidimensionale Gebilde, die aus dem Vollen gefräst werden. Die Möglichkeiten moderner CNC-Bearbeitungscenter scheinen da unendlich zu sein, und die Meyer AG bietet auch da einiges.

Aber auch eine andere uralte Technik kann dem Schreiner zusätzlichen Nutzen bringen: das Drehen von Holzteilen. Die Drechslerei Müller in Ellighausen TG dreht so ziemlich aus allen Holzsorten und in allen Dimensionen. Sei es ein kleiner Möbelknopf, der erst noch auf eine gewölbte Front aufgesattelt werden muss, oder eine Säule von fünf Metern Länge – herstellbar ist alles.

Für den Schreiner sind aber auch die weniger offensichtlichen Dinge interessant. Beispielsweise lassen sich auch Halb- oder Viertelsegmente drehen oder sogar solche mit linsenförmigem Querschnitt. Dieses Handwerk ermöglicht unter Umständen den Verzicht von Metallteilen bei einer Möbelkonstruktion oder steigert den Unikatscharakter einer Arbeit.

Alle Herstellungsmethoden haben etwas gemeinsam: Die frühe Kontaktaufnahme schafft Planungssicherheit und zeigt in der Regel weit mehr Möglichkeiten auf, wie eine Kundenarbeit noch optimierter und einzigartiger werden kann.

www.holzbiegen.chwww.ja-de-delbrueck.dewww.holzinform.comwww.meyer-systeme.chwww.hesco.chwww.muellerdrechslerei.ch

ab

Veröffentlichung: 24. November 2016 / Ausgabe 47/2016

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