Die Nuss ist zu knacken

Holzgewinde werden meistens eher spiele-risch angewendet. Das Prinzip ist aber längst nicht ausgereizt. Bild: Christian Härtel

Gewinde in Holz.  Meist eher als Spielerei abgetan, fristet das Gewinde in Holz ein Nischendasein. Tatsächlich lassen sich Gewinde einfach und wirkungsvoll in Holz erzeugen. Lediglich bei den Einsatzbereichen für die Schrauben braucht es etwas Fantasie, wie die Beispiele zeigen.

Gewinde aus Holz sind den meisten schon einmal begegnet. Sei es im Heimatmuseum an maschinellen Vorrichtungen oder auf dem Estrich der Werkstatt an alten Spannvorrichtungen, wie sie früher in Schreinereien oft eingesetzt wurden. Meist jedoch wohl in Form von hölzigem Kinderspielzeug oder Utensilien wie dem Nussknacker, der über die Betätigung des Gewindeganges jede auch noch so harte Nuss knackt.

Die weit verbreitete Meinung ist: Das Gewinde in Holz hat man früher gebraucht und wird heute noch für spielerische Anwendungen eingesetzt. Der höhenverstellbare Hocker mit Holzspindel ist dabei meist das höchste der Schreinergefühle. «Ein typischer Anwendungsfall ist nach wie vor die Herstellung von Spindeln für Bankzangen», sagt Daniel Pschenitza, zuständig für das Produktmanagement beim deutschen Werkzeuglieferanten Dictum.

Spielerisch das Potenzial erkennen

Öfter als man denken mag, kommen Holzgewinde unsichtbar zum Einsatz. Immer dann, wenn deutlich unterschiedliche Durchmesser miteinander verbunden werden sollen. Dies kann bei Küchenutensilien vorkommen oder bei dekorativen Elementen, bei denen ein Stab auf eine Fläche trifft, wie dies zum Beispiel bei einer Stehlampe mit Standfuss der Fall ist.

Trotzdem gilt das Holzgewinde im Handwerk eher als Spielerei. Das könnte aber auch einfach daran liegen, dass es nur wenige Ideen mit dem Gewinde in Holz gibt und die Profis sich wenig bis gar nicht damit beschäftigen.

«Dabei hat die Verbindung durchaus Potenzial», ist sich Roger Lindauer aus dem schwyzerischen Steinen sicher. Der Schreiner gilt als Spezialist für leimfreie Holzverbindungen. Sowohl Breitenverbindungen in Vollholz mit Klick-System als auch gestemmte Konstruktionen bei Türen fertigt Lindauer gänzlich ohne Leim. Klar ist für ihn ein Gewinde in Holz auch deshalb grundsätzlich interessant. Und er hat den Dreh raus. Da Lindauer nicht nur ein ökologisch versierter Schreiner, sondern auch ein technikaffiner CNC-Spezialist ist, produziert er eine Art «Gewindenippel» aus Holz, die als Aufhängefixierung von vorgehängten Doppeln bei Türen dient.

Die Holzfeuchte nutzen

Im Gegensatz zu einer Schraubverbindung in Metall erlauben Hölzer aufgrund ihrer hygroskopischen Eigenschaften das Spielen mit verschiedenen Holzarten und unterschiedlichen Holzfeuchtigkeiten. Dies kann dem Verarbeiter interessante Varianten eröffnen, die nur in Holz gehen, nicht mit Metall. Weist etwa das für eine dauerhafte Verbindung einzudrehende Holzgewinde eine geringere Holzfeuchte als das umgebende Material und als die sich für den jeweiligen Einsatzzweck einstellende Ausgleichsfeuchte des Holzes auf, dann quillt das Gewinde etwas in der Verbindung auf und verspannt so die Schraube kaum mehr lösbar. Nach diesem Prinzip funktionieren schon die mittels einfacher Dübel verbundenen, leimfreien Brettstapelelemente im konstruktiven Holzbau. Noch besser geht dies mit Gewindestäben, da die Verbindung neben dem reinen Reibungswiderstand auch noch eine Art Verzahnung zwischen den Materialien darstellt.

Diesen Umstand hat Holzbauer Rolf Rombach im Schwarzwald zu einem System entwickelt. Dabei werden die Brettlagen für Wand- und Deckenelemente in Form von Brettsperrholz mittels eingedrehter Gewindestangen kraftschlüssig und dauerhaft miteinander verbunden. Das harte Buchenholz der Gewindestäbe «quetscht» beim Eindrehen das weichere Fichten- und Tannenholz der Lagenhölzer etwas, wodurch eine besonders feste und dauerhafte Verbindung entsteht.

Viele Wege führen zum Gewinde

Die einfachste Art und Weise, ein Innen- und Aussengewinde in Holz zu fertigen, erfolgt mittels Schneidkluppe und Gewindebohrer in Handarbeit. Einen gleichmässig runden Holzstab und ein winklig gebohrtes Loch vorausgesetzt, ist mit den Handwerkzeugen eine Gewindeverbindung ziemlich exakt und einfach zu realisieren. Der Stab sollte dabei je nach Holzart gleich stark oder um 0,5 Millimeter dicker sein als das Nennmass des Gewindes.

Bei der Bohrung des Innengewindes kommt es massgeblich auf die verwendete Holzart an. Je weicher das Material, desto kleiner der Bohrdurchmesser. Bei einem 12-Millimeter-Gewinde reicht in weichem Nadelholz eine Bohrung von 9,5 Millimeter. In Hainbuche dagegen sollte ein Millimeter grösser, also mindestens 10 oder 10,5 Millimeter gebohrt werden. Die Lieferanten der Handwerkzeuge empfehlen grundsätzlich bei harten Hölzern den Einsatz von Schneidöl. Dafür lässt sich auch einfaches Leinöl verwenden. Sind die Werkzeuge scharf, braucht es dies aber in den meisten Fällen nicht, es sei denn, man muss schwierige Hölzer bearbeiten. Auch in Holzwerkstoffen wie MDF oder Sperrholz lassen sich Gewinde sauber schneiden. Das Anfasen von Loch und Rundstab erleichtert dabei das Ansetzen der Gewindeschneider.

Techniken mit Vor- und Nachteilen

Sowohl mit dem Gewindebohrer beim Sackloch als auch mit der Schneidkluppe bei einem abgesetzten Zapfen lässt sich aber nicht exakt bis auf einen Grund schneiden, was für einige Anwendungen eine Beschränkung darstellt. Auch ist man hinsichtlich der Gewindesteigung beim Einsatz der Handwerkzeuge gebunden. Auf der anderen Seite lassen sich kinderleicht laufmeterweise saubere Gewinde mit den Handwerkzeugen erstellen. Ein so erstelltes Gewinde läuft satt ineinander. Soll es dagegen leichtgängig und einfach lösbar sein, braucht es Varianten bei den Werkzeugen oder andere Techniken.

Mehr Flexibilität erreichen etwa Drechsler beim Fräsen von Gewinden, da sie Zusatzwerkzeuge einsetzen. Dabei kommen Anbaufräsen, wie etwa eine Vorrichtung von Hager, zum Einsatz. Im Grunde handelt es sich dabei um eine an der Drechselbank angebrachte Oberfräse. Über Kurbel und Kette wird das rundgedrehte Teil gefräst, das sich dadurch dreht. Der Vorschub der Fräse erfolgt gleichzeitig über das Getriebe. Durch Einsatz von unterschiedlichen Ketten und Fräsern lassen sich so verschiedene Gewindgeometrien realisieren, auch Linksgewinde sind möglich. Vorteil ist hierbei, dass ein rundgedrehtes Teil, an dem ein Gewinde angefügt werden soll, zentrisch auf der Maschine gespannt bleiben kann und so äusserst exakt bearbeitet wird.

Auch auf der CNC ein Kinderspiel

Das Holzgewinde lässt sich auch recht einfach mit einem Bearbeitungszentrum realisieren. Damit befindet sich Roger Lindauer in guter Gesellschaft. Denn das Ganze stellt dabei, zumindest für den versierten Maschinisten, nicht wirklich eine Herausforderung dar, wie Lindauer betont. «Die Schraubverbindung ist viel einfacher zu bewerkstelligen, als sie scheinen mag, und einfacher als viele andere Verbindungen, die auch mit der CNC gemacht werden. Auf dem Bearbeitungszentrum muss man einfach die Z-Achse etwas zustellen und schon ist das machbar. Im Grunde kann man das mit einer 3-Achs-Maschine bewerkstelligen», so Lindauer.

Dass dies geht, zeigt auch der litauische Designer Andrius Sta mit seiner hobbyartigen CNC-Maschine X-Carve. Er fertigt damit ein in der Dimension flexibles Regal mit Schraubverbindungen in Holz. Für seinen denkbar einfachen Entwurf stellt Sta auf der Website instructables.com sogar die Datengrundlage zum Herunterladen zur Verfügung. «Ich wollte ein einfaches Holzregal mit durchlaufenden Stangen entwerfen, dass werkzeuglos zusammengebaut werden kann. Da war das Holzgewinde eine elegante Lösung, um die Konstruktion einfach zu fertigen», sagt Andrius Sta.

Der Spielebox längst entwachsen

Ganz anders – und wohl auch einzigartig – realisiert Holzbauer Rombach seine Gewindestangen für die Verbindung der Brettlagen im konstruktiven Bereich für Wand- und Deckenelemente. Dabei durchlaufen die quadratischen Buchenleisten zunächst die Kehlmaschine, wo sie zu einem Rundstab gefräst werden. Danach fräst eine eigens dafür konstruierte Maschine das Gewinde an: Dabei werden die Rundstäbe einem Vorschubaggregat zugeführt und gleichzeitig in Rotation um die eigene Achse versetzt. Ein feststehendes Sägeblatt sägt dann das Gewinde im Durchlauf an.

Über eine halbe Million Laufmeter Gewindestäbe hat der Holzbauer inzwischen auf diese Weise selbst produziert und verarbeitet. Mutmasslich ist er damit der ungekrönte «Gewindekönig in Holz».

www.dictum.comwww.lindauerag.chwww.nur-holz.comwww.drechslershop.chwww.instagram.com/andrius_sta

ch

Veröffentlichung: 09. Mai 2019 / Ausgabe 19/2019

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