Die Zukunft ist gläsern

Die Scheibe eines Raumtrenners ist auch ein Fernseher Bild: Frank Weber (Guardian Glass Europe)

Multifunktionalität.  Schaltbare Gläser ersetzen den Sonnenschutz, Multimediafassaden verändern die Architektur, Verglasungen wandeln sich dank integrierter Sensorik zu aktiven Bauteilen. Die Funktionalität von Gläsern geht heute weit über die Basiseigenschaften hinaus.

Wie schnell eine neue Technologie das Leben verändern kann, haben die Digitalisierung und – damit verbunden – der unvergleichbare Siegeszug der Smartphones und Tablets gezeigt. Das Dünnglas spielte hierfür dank seiner Touch-Eigenschaften eine entscheidende Rolle. Und es legte die Basis für die weitere Entwicklung multifunktionaler und interaktiver Eigenschaften, wobei die Grenzen des Machbaren noch lange nicht ausgeschöpft sind. Der Werkstoff Glas wird künftig bei der regenerativen Energiegewinnung, im Gebäudemanagement, in der Medizin- und Biotechnik, im Entertainment und Gesundheitswesen sowie im Verkehrssektor eine aktive und vielseitige Rolle spielen.

Erste Anwendungen sind marktreif

Die Funktionen und Eigenschaften von Gläsern stehen vor einem fundamentalen Wandel, der aus dem passiven Werkstoff oder Produkt ein multifunktionales und interaktives Medium macht. Dieses wird in der Architektur, im Innenausbau, in der Fahrzeugindustrie und in vielen anderen Hightech-Sparten tiefgreifende Veränderungen und Entwicklungen hervorbringen.

Sehr deutlich wird dies an modernen Glasfassaden, bei denen es nicht mehr länger nur um optimale Wärme- und Schallschutzwerte geht, sondern deren Oberflächen durch entsprechende Applikationen und Beschichtungen manuell, automatisiert oder über Sensoren aktivierbar sind. Mit den schaltbaren und Licht aussendenden Gläsern sind die ersten Anwendungen in diesem Bereich bereits marktreif.

Die fortschreitende Digitalisierung schafft ein immer grösseres Interesse für Medien- und Informationsscreens, und die Energiewende forciert Gläser und Scheiben zu Energiewandlern und Energiespeichern. Die Integration von Sensoren bindet Gläser in Steuerzentralen und Gebäudeautomationssysteme ein. Wie der Regensensor in der Frontscheibe eines Autos den Scheibenwischer in Bewegung setzt, regeln Temperatur- und Feuchtesensoren in Glasfassaden das Raumklima, vermitteln Lichtsensoren zwischen Tages- und Kunstlicht oder warnen Witterungs- und Bewegungssensoren vor Schäden und Einbruch.

Glas verändert den Alltag

In naher Zukunft wird es möglich sein, dass Lenker auf der Frontscheibe ihres selbstfahrenden Autos die Navigation steuern, ihnen die Fahrzeit mit Spielfilmen verkürzt wird, sie interaktiv Nachrichten abrufen oder E-Mails schreiben können. Architektur und Technik werden dank multifunktionaler und interaktiver Gläser ebenso miteinander verschmelzen wie das Design von Konsumgütern mit deren Funktion – sei es beim Bus, bei der Bahn oder beim Flugzeug, im Haushalt, in der Freizeit- oder in der Multimediabranche. Smartphones und Tablets werden gemeinsam mit interaktiven Gläsern als Steuerzentrale für verschiedenste Anwendungen und Produkte dienen. Schon heute regeln die installierten Apps die mit der Gebäudeautomation vernetzten Komponenten vom Sonnenschutz über die Heizanlage bis hin zur Beleuchtung und vieles mehr.

Ebenso wie multifunktionale Glasfassaden und Fensterscheiben die Architektur beeinflussen und gebäudetechnische Konzepte verändern, schicken sich Bodenbeläge aus Panzerglas-Panels an, die Verkehrssicherheit an kritischen Punkten auf bislang ungewohnte Weise zu erhöhen, zum Beispiel indem die in das Glas eingebauten und von Solarzellen gespeisten LED bei Tag und Nacht die Fahrbahn markieren, bei Bedarf die Farbe wechseln oder an Gefahrenstellen blinken. Zudem könnte der mit den Panels erzeugte Solarstrom die Speicher umliegender Haushalte versorgen.

Dauerhaft und nachhaltig

Somit vermag multifunktionales Glas in der Architektur, im Städte- und im Strassenbau das Ressourcenmanagement von Gebäuden, Gemeinwesen und im Verkehrssektor nachhaltig zu verbessern. Einzelne «passive» Produkteigenschaften werden durch anpassungsfähige und interaktive Funktionalitäten erweitert, und zugleich entsteht eine gestalterische Wirkung. Hinzu kommen der Trend zu immer grösseren Scheiben und andere technologische Entwicklungen im konstruktiven Glasbau und in der Fügetechnik, speziell durch Kleben.

In Kombination mit den Touch-Eigenschaften erlangt der moderne Werkstoff Glas durch seine vielseitigen und flexibel nutzbaren Funktionalitäten eine hohe Bedeutung, um den Ansprüchen an eine gedeihliche Zukunft gerecht zu werden. Zu beachten ist in dem Zusammenhang die Dauerhaftigkeit, das Reparatur- und Selbstheilungsvermögen – insbesondere bei grossformatigen Gläsern – sowie die Zerlegbarkeit der einzelnen Schichten und Elemente im Sinne der Wiederverwertung nach dem Prinzip «Cradle to Cradle».

Visionen werden Realität

Kaum ein Material ausser Glas ist in der Lage, seine spezifischen und ureigensten Eigenschaften wie die Transparenz zu ändern, vor chemischen und mechanischen Einwirkungen zu schützen und als Trägermaterial für verschiedene funktionale Schichten zu fungieren, ohne seine Optik, Haptik und Grundfunktionen einzubüssen. In naher Zukunft werden Fensterscheiben das TV-Gerät ersetzen, die Leuchten durch blendfreies Kunstlicht ergänzen und wärmebrückengefährdete Rollladenkästen überflüssig machen. Was sich für manchen noch wie eine ferne Vision anhört, findet längst in den Entwicklungslaboren der Universitäten und Hersteller statt.

www.glasstec.de

sz

Veröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019

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