Dünner ohne Luft

Frontale Bei diesem Prototyp zieht sich das Laibungslicht als gerade Linie von innen nach aussen. Bild: Fensterbau

Vakuumisolierglas.  Scheiben mit luftloser Füllung haben hinsichtlich der geringen Aufbaustärke Vorteile gegenüber herkömmlichen Isoliergläsern. Um in der europäischen Fensterbranche einen festen Platz zu bekommen, gilt es aber noch ein paar Herausforderungen zu meistern.

Schon seit mehreren Jahren ist der Begriff Vakuumisolierglas (VIG) im Rahmen von Fenstermessen und Fachtagungen immer wieder ein zentrales Thema. Einst als Fensterscheibe der Zukunft angekündigt, wurde es für eine lange Zeit wieder still um die Gläser, da diese unter anderem nur mit entsprechend hohem Aufwand und langen Lieferzeiten aus dem asiatischen Raum bestellt werden konnten. Mit der Eröffnung des ersten europäischen Produktionsstandortes bietet das Unternehmen Fineoglass nun auch in Europa gefertigte Vakuumgläser an. Die Firma liegt im belgischen Lodelinsart, wurde 2019 gegründet und gehört zur europäischen AGC-Gruppe. Seit September 2019 ist das Vakuumglas «Fineo» bereits im Heimmarkt Belgien und in den Niederlanden verfügbar und wird auch kontinuierlich nachgefragt. Jetzt startet der Vertrieb auch in den deutschsprachigen Märkten, und es wird spannend, wie sich die Nachfrage in der Fensterbranche entwickeln wird.

Vielversprechende Möglichkeiten

Vakuumgläser verdanken ihre bessere Dämmwirkung nicht einem dickeren oder neuartigen Schichtaufbau, sondern einfach einer luftfreien Schicht zwischen zwei Flachglasscheiben. Deshalb können Vakuumisoliergläser gegenüber herkömmlichen Zwei- oder Dreifachisoliergläsern um einiges dünner gefertigt werden und trotzdem die gewünschten Dämmwerte bieten. Die Vakuumzwischenschicht unterbindet die Wärmeübertragung zwischen den beiden Scheiben fast vollständig. Der luftfreie Abstand wird von einer Vielzahl winziger, zwischen den Scheiben verteilter Stützen gehalten, die als kleine Punkte in der Scheibe sichtbar bleiben.

Während beim Übergang von der Zwei- auf die Dreischeibenverglasung die verbesserte Dämmwirkung durch höhere Systemstärken erreicht wurde, wird diese beim Vakuumisolierglas durch die Ausschaltung der Gaswärmeleitung im Scheibenzwischenraum verbessert. So sind auch im Zweischeibenaufbau Ug-Werte von bis zu 0,5 W/m²K bei Systemstärken unter 10 mm möglich. Eine herkömmliche Dreifachisolierglasscheibe weist in der Regel einen Ug-Wert von zirka 0,7 W/m²K auf.

Technische Herausforderungen

Trotz der auf den ersten Blick eindeutigen Vorteile für die Vakuumisoliergläser haben diese nebst der umständlichen Beschaffung, vor allem über den asiatischen Markt, auch sonst noch ein paar Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Denn erst wenn ein ausreichend dichter und thermisch stabiler Randverbund ermöglicht wird, können diese Gläser auf dem anspruchsvollen europäischen Markt konkurrenzfähig werden. Folgende zwei technischen Herausforderungen sind massgebend für den Einsatz von Vakuumisolierglas im Fenster:

  • Der Randverbund muss dicht sein und die Längenänderungen aufnehmen, welche durch die Temperaturschwankungen zwischen der äusseren und der inneren Scheibe entstehen. Ist dieser zu starr ausgebildet, führt dies bereits bei geringen Temperaturunterschieden zu hohen mechanischen Spannungen. Mit einer dünnen Metallfolie, welche auf die Glasscheibe aufgelötet und in einer Vakuumkammer gasdicht verschweisst wird, konnten Entwickler das Problem im Ansatz lösen. Jedoch kommt dieser Randverbund preislich und technisch noch nicht an die bis ins Detail erprobten bekannten Randverbunde herkömm- licher Isolierscheiben heran.
  • Die Abstandhalter zwischen den beiden Glasflächen sorgen dafür, dass der Druck der umgebenden Atmosphäre das Vakuum zwischen den Scheiben nicht zusammenpresst. Hierfür müssen die Stützen in einem regelmässigen Raster platziert sein. Zusätzlich haben die Grösse der Abstandhalter, der eigent- liche Rasterabstand und die Wärme- leitfähigkeit des eingesetzten Materials einen direkten Einfluss auf die Dämm- wirkung des Vakuumglases. Während für die Optik und Thermik kleine Stützen günstig wären, benötigt die Mechanik genau das Gegenteil. Als bester Kompromiss wurden bisher kleine Edelstahlzylinder mit einem Rasterabstand von rund 30 mm ermittelt. Dank dem Durchmesser von lediglich 0,5 mm werden die Stützen erst ab einem Abstand von weniger als einem Meter wahrgenommen.

Nicht nur im Renovationsbereich

Besonders wenn alte Fenster wegen baulicher Gegebenheiten oder wegen Denkmalschutzvorschriften nicht komplett ausgetauscht werden können, bieten Vakuumisoliergläser eine spannende Lösung. In die bestehenden Rahmen sind herkömmliche Dreifachisoliergläser aufgrund ihrer Gesamtdicke keine Option. Dünne Vakuumisolierglasscheiben, wie beispielsweise «Spacia Cool» von Pilkington, bieten bei einer Dicke von lediglich 6,2 mm einen Ug-Wert von 0,9 W/m²K. Die Vakuumeinheit besteht aus zwei 3 mm starken Glasscheiben und 0,2 mm Vakuumschicht. Über ein Ventil auf der inneren Scheibe wird die Luft aus dem Scheibenzwischenraum entzogen. Mit einer speziellen Antikondensat-Beschichtung verringert Pilkington die Wärmeleitung sowie Konvektion im Scheibenzwischenraum, und die äussere Scheibe kann je nach Fall sogar als Gestaltungselement genutzt werden, beispielsweise als Ornamentglas oder mit sandgestrahlten Motiven für Türfüllungen. Wie bereits erwähnt, sind Vakuumisoliergläser momentan vor allem im geschützten Renovationsbereich eine interessante Alternative. Mit einem eigenen Produktionsstandort in Europa sinken die Lieferzeiten sowie Kosten, und mit den immer ausgereifteren technischen Lösungen werden die dünnen Isoliergläser jetzt auch immer spannender für den Einsatz in neuen Fenstern, Fassaden oder Glasüberdachungen. Zusätzlich könnten die Eigenschaften durch den Einsatz von Sicherheitsgläsern aus ESG oder VSG sowie speziellen Wärme- oder Sonnenschutzverglasungen gegenüber dem herkömmlichen Floatglas zusätzlich erweitert werden.

Nebst den erwähnten Einsatzgebieten ist eine Verwendung im Fahrzeugbau oder bei Kühlgeräten und Theken denkbar. Besonders bei gekühlten Verkaufsgondeln mit grossen Glasfronten könnten Vakuumisoliergläser durchaus punkten.

www.fineoglass.euwww.pilkington.com

Noah GAutschi

Veröffentlichung: 07. Januar 2021 / Ausgabe 1-2/2021

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