Ein Haus für alle Fälle

Die Schreinerei Röthlisberger AG baute die Empfangstheke des Verwaltungsgebäudes. Bilder: Paul Lehmann

Schreiner im Stadthaus.  Am Bau des neuen Stadthauses Winterthur waren nicht weniger als sechs Schreinereien beteiligt. Sie nahmen eine wichtige Rolle ein beim Innenausbau des nüchternen Bürokomplexes für die Stadtregierung und für mehr als 800 Verwaltungsangestellte.

«Superblock» – der Name sagt schon viel aus über Form und Dimensionen des neuen Stadthauses Winterthur. Das Gebäude ist gross und kantig, nur ein vorgelagerter, mehr als 150-jähriger Backsteinbau erinnert noch an die industrielle Vergangenheit dieser Adresse auf dem altehrwürdigen Areal des einstigen Weltkonzerns Sulzer.

Alt- und Neubau zusammen bilden einen Komplex, der seit einigen Wochen einen grossen Teil der Winterthurer Stadtverwaltung beherbergt. Zuvor waren die Abteilungen in der ganzen Innenstadt verstreut, jetzt sind die verschiedenen Ämter zusammengeführt an einem Ort. Ob man ein Baugesuch einreichen will, Fragen hat zur Steuerrechnung oder sich trauen lassen möchte: Die Winterthurerinnen und Winterthurer müssen sich nur noch eine Adresse merken, wenn sie es mit der städtischen Verwaltung zu tun bekommen. Rund 800 Verwaltungsangestellte arbeiten im neuen Stadthaus, auch die Büros und das Sitzungszimmer der sieben Mitglieder der Stadtregierung sind hier untergebracht.

Grosse Bedeutung des Innenausbaus

Der wuchtige Bau des Wiener Architekten Adolf Krischanitz hat also eine Mehrfachfunktion: Einerseits ist er ein nüchterner Bürokomplex, andererseits muss er auf freundliche Art und Weise Publikum empfangen können, ja sogar in gewissem Masse repräsentative Aufgaben übernehmen.

In diesem Zusammenspiel der Aufgaben bekommen der Innenausbau und die Inneneinrichtung eine besonders grosse Bedeutung. Im «Superblock» wurde Wert darauf gelegt, mit feinen Schreinerarbeiten etwas Wärme ins Gebäude zu bringen. Nicht weniger als sechs verschiedene Schreinereien waren am Bau beteiligt. Sie bauten Empfangstheken sowie Einrichtungen für Eingangs- und Wartebereiche, frischten Möbel für das Trauzimmer auf, richteten das Sitzungszimmer der Stadtregierung ein, möblierten Begegnungszonen und kleideten Schalterhallen mit Akustikelementen aus.

Die Schreinerei Hugener AG aus Winterthur war zum Beispiel für Restaurierungsmassnahmen im Trauzimmer zuständig. Der getäferte Raum mit Holzboden befindet sich im vorgelagerten Altbau und soll einen würdigen Rahmen bieten. Dazu wurde unter anderem antikes Mobiliar aufgefrischt. «Das ist immer wieder eine grosse Herausforderung», sagt Schreinerei-Inhaber Walter Hugener. Ausgebrochene Furnierteile mussten ergänzt, Kanten und eingesetzte Teile nachgebeizt und neu lackiert werden. «Sorgfalt, Liebe zum Detail und Fachwissen sind Voraussetzungen, damit unsere Mitarbeiter solche Aufträge erfolgreich ausführen können.»

Vor allem maschinelle Fertigkeiten waren dagegen beim Bau der wellenförmigen und konischen Empfangs- und Beratungstheke des Sozialdepartements gefragt. Auch diese wurde von der Schreinerei Hugener ausgeführt. Die Theke besteht aus 16 Elementen. Sie wurde aus Multiplexplatten gefertigt. Obwohl die Materialisierung relativ einfach erscheine, sei die Bearbeitung der Teile hochkomplex und nur mithilfe eines modernen CNC-Bearbeitungszentrums mög- lich gewesen, sagt Hugener.

Schallschutz garantiert Diskretion

Die Winterthurer Schreinerei LMG Produktions AG verantwortete die akustischen Wandverkleidungen im Bereich der Schalter, der Türen sowie der Verglasungen. Verwendet wurde «Topakustik»-Täfer aus amerikanischem Kirschbaum, furniert und lackiert. Eine grosse Herausforderung waren laut LMG-Geschäftsführer Andreas Winzeler die Verglasungen der Türen in puncto Schallschutz. Insbesondere die Nebenübertragungswege habe man genau im Auge behalten müssen. Im Grossen und Ganzen sei aber alles nach Plan verlaufen.

Die Harder Schreinerei AG, ebenfalls aus Winterthur, war in den Begegnungszonen zuständig für Lounge-Möbel mit Polsterung, für diverse Tische mit geölten Buche-Dreischichtplatten sowie für Automatenverkleidungen, teils mit Schiebetür. Zudem erledigte die Firma Anpassungen an Möbeln, welche den Umzug in den «Superblock» mitmachten. «Wir lackierten Stühle neu und kürzten die Tischplatten an 600 Schreib- tischen», sagt Inhaber Stefan Harder.

Konferenztisch fürs Regierungszimmer

Die Zurbuchen Büromöbel AG aus dem thurgauischen Amlikon produzierte die Möbel für das Sitzungszimmer der Stadtregierung. Der Auftrag umfasste unter anderem einen Konferenztisch mit Strom- und Medienanschlüssen, ein zweiteiliges Sideboard mit vier flächenbündigen Schiebetüren sowie ein mobiles Rednerpult mit integrierter LED-Beleuchtung. Bei der Bearbeitung kamen ein CNC-Bearbeitungszentrum mit Kantenanleimaggregat sowie Standardmaschinen zum Einsatz.

Die Flächen wurden mit einem schlichten Eichenfurnier belegt, passend zum übrigen Innenausbau. In die horizontalen Flächen von Sideboard und Tisch wurden mit Korklinoleum beschichtete Platten eingelegt. Die Umrandung wurde in Massivholz ausgeführt. Die Holzoberflächen wurden mit einem PUR-Naturholzeffektlack behandelt.

Sämtliche handwerklichen Herausforderungen hätten ohne Probleme bewältigt werden können, bilanziert Projektleiter Peter Egli von der Zurbuchen Büromöbel AG. «Geholfen haben sicher unsere grossen Erfahrungen im Planen und Herstellen von Konferenztischanlagen.» Wegen seiner Länge wurde das Sideboard in Einzelteilen geliefert und erst dann zusammengebaut. Nachträglich wurden die flächenbündigen Schiebetüren mit einem zusätzlichen Magnetanschlag ausgerüstet. Ebenfalls vor Ort wurden später die Linoleumeinlagen genau in die Tischplatte eingepasst.

Die Schreinerei Bantli AG aus Eschenz TG war im «Superblock» zuständig für die Servicezonen mit Einbauschränken, die Druckerpoints, die Garderoben und alle Schliessfächer. «Da in unserem Betrieb in 3D gezeichnet wird und die PC-Daten direkt mit den Maschinen verknüpft sind, konnten wir die meisten Arbeiten über unsere CNC-Maschinen laufen lassen», sagt Firmeninhaber und Geschäftsführer Oliver Bantli. Verwendet wurden vorwiegend hellgrau beschichtete Spanplatten «U708» von Egger. «Bei den grossen Materialmengen, die benötigt wurden, stellte die Logistik eine besondere Schwierigkeit dar. Da wir kein grosses Materiallager haben, mussten Anlieferung, Fertigung, Transport auf die Baustelle und Montage exakt aufeinander abgestimmt werden», sagt Betriebsleiter Remo Schmied. Verzögerungen hätten das gesamte Projekt kurzfristig aus den Fugen bringen können. Die Produktion sei aber dank der detaillierten Planung und der Durchgängigkeit der Daten ohne Pannen über die Bühne gegangen.

Rücksicht auf historische Substanz

Die Schreinerei Röthlisberger AG aus dem bernischen Schüpbach war unter anderem beauftragt mit der Herstellung von Empfangsmöbeln, Treppen, Türen, Wandverkleidungen, Sitzbänken, Steigzonenfronten, Schränken und Raumteilern. Zur Herstellung wurde hauptsächlich eine 5-Achs-CNC- Maschine verwendet. Verarbeitet wurde herkömmliches Plattenmaterial, Furnier vom europäischen Kirschbaum und Eiche massiv. «All die architektonischen Details umzusetzen, war herausfordernd», sagt Projektleiter Falk Ebert. Wie für die Schreinerei Bantli waren auch für Röthlisberger die grossen Materialmengen eine Knacknuss. «In der Produktion hatten wir einen gros-sen Materialumschlag in kurzer Zeit zu bewältigen. Ebenso waren kurzfristige Bestellungen nötig.»

Im «Superblock»-Neubau sei alles nach Plan verlaufen, sagt Ebert. Im Altbau hätten dagegen immer wieder neue Probleme gelöst werden müssen. «Eine neue Treppe musste aus Gründen des Denkmalschutzes optisch zu 100 % ihrer Vorgängerin entsprechen, gleichzeitig aber alle heute gültigen Anforderungen erfüllen.» Auch die neuen Innentüren mussten einerseits ihrem historischen Vorbild ähnlich sehen und zugleich den Brandschutznormen entsprechen.

www.lmg-produktion.chwww.schreinereihugener.chwww.harderag.chwww.zurbuchen.comwww.bantli.comwww.schreinermanufaktur.chwww.superblock.ch

Projekt «superblock»

Das neue Stadthaus soll die Kosten senken

Das neue Stadthaus Winterthur steht auf dem ehemaligen Industrieareal der Firma Sulzer AG in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Gebaut wurde es vom Versicherungkonzern Axa Winterthur, die städtische Verwaltung hat sich in mehreren Gebäudeflügeln eingemietet. Dazu gehören auch ein Altbau des Industrieareals, ein weiterer Altbau dient als Kindertagesstätte. In einem zweiten, ebenso grossen Teil der Neubebauung haben Abteilungen von Axa Winterthur ihr Domizil erhalten. Zusammen arbeiten rund 2000 Personen im «Superblock», 800 für die Stadt Winterthur, 1200 für Axa. Die Versicherung hat rund 200 Mio. Franken in den Bau des Komplexes investiert.

Frei werdende Gebäude umnutzen

Der «Superblock» ist ein Sparprojekt. Der Stadtrat erhoffte sich durch die Zentralisierung der Stadtverwaltung eine Reduktion der Kosten um jährlich knapp 2,5 Mio. Franken. Mehr als ein Dutzend Gebäude an zentralen Lagen, die bislang von städtischen Dienststellen besetzt waren, können jetzt einer neuen Nutzung zugeführt, vermietet oder verkauft werden. Gemäss einer Studie sollen durch die Umnutzung der frei werdenden Liegenschaften zusätzliche Erträge von jährlich mehr als 3 Mio. Franken entstehen. Die Winterthurer Bevölkerung hatte dem Umzug der Verwaltung in den «Superblock» Ende 2010 zugestimmt.

Zusammenspiel mit Privaten

Das Zusammenspannen eines privaten Bauträgers mit einem öffentlichen Nutzer hatte Auswirkungen auf die Vergabe der Arbeiten im Innenausbau. Mieterspezifische Aufträge, die durch die Stadt Winterthur vergeben wurden, fielen je nach Auftragsvolumen und -art lokalen Schreinereien zu. Allerdings musste sich die Stadt an Bestimmungen halten, die für das öffentliche Beschaffungswesen gelten: Sie musste Submissionsverfahren durchführen, bei denen sich die Schreinereien für die ausgeschriebenen Arbeiten bewerben konnten. Planung und Organisation des Grossprojekts vergab Axa an das Totalunternehmen Allreal AG.

ChL

Veröffentlichung: 03. September 2015 / Ausgabe 36/2015

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