Eine Transportbox der besonderen Art

Das ist die Autodachbox von Aron Neiger und Janik Pfund. Bild: Aron Neiger

Für die Vertiefungsarbeit in der Allgemein- bildung im vierten Lehrjahr haben Aron Neiger und Janik Pfund zusammengespannt. Aus Räuchereiche haben die Berner Oberländer eine Box fürs Autodach gebaut.

Vorgegeben war das Thema Nachhaltigkeit. Der Lehrer für Allgemeinbildung an der Berufsschule für Schreinerinnen und Schreiner in Frutigen BE hatte den Auftrag für die Vertiefungsarbeit im vierten Lehrjahr an Zweierteams gestellt. Aron Neiger aus Hasliberg BE und Janik Pfund aus Zweisimmen BE haben lange überlegt, was für ein Projekt sie verfolgen möchten. «Zuerst dachten wir an eine Murmelbahn, aber wir waren nicht überzeugt», sagt Pfund. Die Mutter von Aron Neiger hatte schliesslich die passende Idee: eine Box aus Holz fürs Autodach. «Das fanden wir gut, weil uns keine solche Boxen bekannt waren, obwohl Holz ja viel nachhaltiger als Plastik ist», erzählt Neiger. «Wir wollten zudem die Idee prüfen, ob es sich wirtschaftlich lohnen würde, solche Holzboxen auf den Markt zu bringen.»

Also machten sie sich an die Planung. «Wir haben verschiedene Formen entworfen und uns dann für eine eckige mit einer Spitze entschieden», beschreibt der 18-jährige Aron Neiger. Auf der Seite beträgt die Schräge 15 Grad, an der Spitze 30 Grad. Die Aerodynamik habe dabei eine grosse Rolle gespielt. Genauso wie der Benzinverbrauch und das Fahrverhalten des Autos. Vorlagen haben sie im Internet keine gefunden. Nur Beispiele, die sie nicht gut fanden und weswegen sie es besser machen wollten.

Bezüglich der Aerodynamik haben sie herausgefunden, dass eine geschwungene Form am besten wäre, da die Luft geschmeidig über die Box ziehen kann. Mit Holz wäre dies grundsätzlich realisierbar. Es sei für sie in der verfügbaren Zeit jedoch nicht drin gelegen, das Holz zu biegen, sagen sie. Deswegen haben sie versucht, mit den kompakten, verschiedenen Schrägen das Gleiche zu erreichen. Durch die Spitze mit einer Schräge von 30 Grad wird verhindert, dass die Dachbox abheben kann. Denn der Luftwiderstand drückt sie aufs Auto. Die Schräge von 15 Grad an den Seiten bewirkt, dass der Wind geteilt wird. So entsteht weniger Druck, der das Fahrverhalten negativ beeinflussen könnte.

Räuchereiche ist robust und edel

Als Material haben sie Räuchereiche gewählt. «Einerseits weil sie halt massiv ist und sich gut für den Einsatz draussen eignet, andererseits weil sie schön dunkel ist und edel aussieht», sagt Neiger. «Meinen Eltern hat das Holz auch gut gefallen. Sie haben die Kosten übernommen, deswegen hatten sie ein Mitspracherecht. Und wir wollten einheimisches Holz verwenden.» Die Seiten haben sie aus Massivholz gefertigt. Für den Boden und den Deckel haben sie eine belastbare 22-Millimeter-Dreischichtplatte aus Fichte mit zwei Schichten Furnier überzogen. Im Innern ist die Box 650 Millimeter breit und 1950 Millimeter lang und bietet so Platz für Ski und Material oder einen kleinen Koffer. Den Boden haben sie mit Polster abgedeckt, damit die Gegenstände weniger hin- und herrutschen. Weil dies nicht reicht, haben die beiden noch Ösen befestigt, durch die Spanngurte gezogen werden können.

«Unser Auto darf eine maximale Dachlast von 75 Kilogramm tragen», sagt Neiger. «Also haben wir das Leergewicht der Box auf 38 Kilogramm berechnet.» Die Box mussten sie übrigens nicht vom Strassenverkehrsamt abnehmen lassen. «Es gelten die Regeln für Dachlasten. Der Fahrer ist für diese verantwortlich.»

Die Gehrungen waren knifflig

Die Produktion der Box ist gut verlaufen. «Eine Herausforderung waren die Gehrungen und die Ecken. Sie waren schwierig zu schneiden, weil es Schrägen und verschiedene Winkel gab», sagt Pfund. Im CAD sei es fast unmöglich gewesen, alle Schrägen der Kanten aufzuzeichnen. Sonst hätten sie das Projektionszeichnen in 2D machen müssen, was zu aufwendig gewesen wäre. «Deswegen haben wir entschieden, die Schrägen der Gehrungen selbst herauszufinden und mit Probestücken zu arbeiten, bis sie passten.» Die Gehrungen haben sie an der Tischfräse gemacht. Und als Verbindungen haben sie Clamex von Lamello verwendet.

Bezüglich der Deckelöffnung haben die Berner Oberländer ebenfalls tüfteln müssen. «Für die Öffnung benötigten wir ein Band. Zuerst haben wir uns für ein Futterband entschieden. Doch bei einem Test mit einem Muster haben wir gemerkt, dass wir die Box nur 200 Millimeter öffnen könnten», beschreibt Neiger. «Also mussten wir uns etwas anderes überlegen.» Sie probierten es mit einem Stollenband für überfälzte Fronten von Blum. Sie seien sehr erleichtert gewesen, als der Test mit einem Muster funktioniert hatte. Mit dem Stollenband sei eine Öffnung von 95 Grad möglich, was ihnen beim Einhängen des Deckels sehr geholfen hat.

Für die Öffnung, die Schlösser und die Befestigung haben die beiden eine ältere Dachbox gekauft und diese zerlegt. Auf den Dachträgern wird die Holzbox mit U-Profilen mit Gewinden, die sie von der alten Box entfernt und mit Leisten verstärkt haben, festgemacht. Die Oberfläche haben sie mit einem Wetterlack behandelt. Der Lack basiert auf Nitroverdünner, der nach dem Auftragen verdunstete, und härtete aus. «Der Wetterlack hat eine gute Filmbildung, somit werden Poren und kleine Löcher im Holz wasserdicht geschlossen. Die hohe Witterungsbeständigkeit und die Standhaftigkeit gegen UV-Strahlen machten ihn zu einem perfekten Lack für unsere Box», beschreibt Pfund.

Serienproduktion wäre zu teuer

Arbeiten konnten die beiden im Lehrbetrieb von Aron Neiger, der Rufibach und Schläppi AG in Guttannen BE. «Meine Arbeitskollegen waren an unserem Projekt interessiert, haben uns aber etwas verspottet, weil die Box wie ein Sarg aussieht», sagt dieser. «Das stimmt schon. Deswegen haben wir die Beschriftungen angebracht.» Mit dem Ergebnis sind die beiden sehr zufrieden. Bei der Produktion einer zweiten Box würden sie allerdings die Form ändern, damit sie nicht zu sehr an einen Sarg erinnert. Die Frage zu einer möglichen Serienproduktion haben die beiden in der schriftlichen Dokumentation negativ beantwortet. «Unsere Box müssten wir zu einem Preis zwischen 5000 bis 6000 Franken verkaufen. Das ist viel teurer als Modelle aus Plastik, die zwischen 340 und 1450 Franken liegen.» Allerdings sehen sie die Möglichkeit, Einzelanfertigungen auf Anfrage nach Preis und Aussehen herzustellen.

«Die Arbeit hat Spass gemacht, hatte einige Tücken und war zeitintensiv», bilanziert der Hasliberger. «Sehr schwierig war, dass wir keine Informationen oder Vorlagen hatten und nichts nachbauen konnten. Meines Wissens ist das die erste aerodynamische Dachbox aus Holz.» Janik Pfund findet, dass sie etwas produziert hätten, das gut aussieht und tatsächlich verwendet werden kann. Trotz Startschwierigkeiten hätten sie ein tolles Ergebnis erzielt. «Der Einblick in den Lehrbetrieb von Aron war für mich spannend, und ich habe Neues gesehen und gelernt.» Der Lehrer war vom Projekt der zwei Lernenden ebenfalls begeistert und hat dieses mit einem glatten Sechser benotet, worüber sich die beiden sehr freuen.

IPA der nächste Schritt

Die zwei Berner Oberländer sind nun im Schlussspurt der Schreinerlehre. Aron Neiger hat seine IPA, die Individuelle Praktische Arbeit, schon fast beendet. Nur die Oberflächenbehandlung steht noch aus. Für die Ausstellung seines Lehrbetriebs produziert er ein TV-Möbel mit Klappe. Janik Pfund beginnt demnächst mit seinem Objekt, einem Beistellmöbel mit gestemmten Türen. Er stellt dieses für einen Kunden seines Lehrbetriebs her, der Galler Schreinerei AG in Saanen BE.

Die zwei freuen sich, den Abschluss bald in der Tasche zu haben. «Es ist gut, wenn ich nicht mehr zur Schule muss», sagt Pfund. Einen Tag Schule sei okay, auch wenn es gegen den Schluss hin wegen der Endprüfung nochmals strenger werde, findet hingegen Neiger. «Vielleicht mache ich noch die Berufsmatura. Zuerst möchte ich ein halbes Jahr arbeiten, ehe ich zur Schweizer Armee gehe.» Der Zweisimmer hingegen hat schon einen konkreten Plan: «Drei Tage nach der Abschlussfeier muss ich nach Chur in die Rekrutenschule einrücken. Ich bin den Infanteristen zugeteilt.»

Die Schreinerlehre war für beide die richtige Wahl. «Absolut, ich möchte Schreiner bleiben und kann mir gut vorstellen, Weiterbildungen zu machen», erzählt Aron Neiger. Allerdings kann er sich nicht vorstellen, später nur als Projektleiter im Büro tätig zu sein. «Ich möchte weiterhin auch in der Werkstatt arbeiten. Eine Mischung aus handwerklicher und planerischer Arbeit wäre perfekt für mich.»

Über die Montage nicht einig

Janik Pfund hatte zwischen der Ausbildung als Schreiner und jener als Automechaniker geschwankt. «Beim Schnuppern habe ich aber gesehen, dass man als Mech gar nicht mehr gross an den Fahrzeugen herumschraubt, sondern viel am Computer arbeitet. Der Schreinerberuf hatte mich mehr überzeugt.» Dafür werkelt er in seiner Freizeit an Autos herum und hilft seinem Vater, der gelernter Mechaniker ist. Die schnellen Boliden haben es dem 19-Jährigen angetan. Gelegentlich fährt er nach Deutschland oder Frankreich und flitzt in einem Rennkart über die Strecken. Seine berufliche Zukunft sieht er ebenfalls in der Schreinerbranche. «Zuerst will ich Geld verdienen. Dann mache ich mir Gedanken, ob ich eine Weiterbildung oder doch noch etwas anderes machen möchte.» Er kann sich gut vorstellen, als Monteur zu arbeiten. Denn das Gewusel und das Durcheinander auf den Baustellen gefällt ihm.

«Nein danke, das wäre nichts für mich. Ich mag das Puff auf Montage nicht», erwidert Neiger und lacht. «Zum Glück gibt es verschiedene Einsatzmöglichkeiten als Schreiner. Für jeden, was zu ihm passt.»

Nicole D'Orazio

www.bzi.chwww.schreinerei-guttannen.chwww.galler-ag.ch

 

Veröffentlichung: 06. April 2023 / Ausgabe 14/2023

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