Erhaltenswerte und kritische Reparaturen

Wie diese Turnhalle während des ersten Weltkrieges wurde der Festsaal im Kloster St.Urban während der napoleonischen Feldzüge als Lazarett genutzt. Bild: Stadtarchiv Worms

Restaurierung.  Bei der Bestandesaufnahme am Parkett im Festsaal des Klosters St. Urban stiessen die Experten auf verschiedenste Reparaturen der Vergangenheit. Einige waren von guter Qualität, andere wiederum waren der Auslöser für grossflächige Schäden am Parkett.

Der Parkettboden im Festsaal St. Urban wurde von Februar bis August 2014 konserviert und restauriert. Beim Ausbau der Parketttafeln zeigten sich Schäden aus der Vergangenheit und wie diese Gebrauchsspuren in früheren Jahren durch notwendige Reparaturmassnahmen behoben wurden. Dies belegen auch quellenkundige Baurapporte, in denen Schadensbehebungen im grossen Umfang vermerkt sind. Der vorliegende Arbeitsbericht zeigt einen Einblick in die Nutzungsgeschichte mit den erfassten Renovationsarbeiten.

1814, nach Abzug der Armee

Die erste quellenkundlichen Veränderungen wurden im Jahr 1814 festgehalten. Darin wird erwähnt, dass der Festsaal während der Kriegswirren der napoleonischen Feldzüge als Lazarett diente. Es herrschte eine Typhusepidemie und der festliche Saal wandelte sich zu einem Ort des Elends und des Todes. Nach etwa vier Monaten zog die kaiserliche-königlich österreichische Armee Mitte Juni wieder ab. Anschliessend mussten die Räume aufgefrischt werden.

Die Reparaturmassnahmen wurden noch in alter bauzeitlicher Technik ausgeführt und konnten deshalb bei der aktuellen Restaurierung nicht mehr eruiert werden. Die Experten gehen aber davon aus, dass bei dieser Massnahme die gesamte Bodenfläche überarbeitet wurde. Dies bedeutete damals ein Abziehen mit Ziehklingen und das Aufbauen einer neuen Oberflächenbeschichtung (siehe auch Teil 2 der Serie).

Parkettrestaurierung von 1940

Während des Zweiten Weltkrieges wurde beschlossen, im Zuge des Einbaus einer neuen Direktionswohnung das gesamte Tafelparkett auszubauen und den Bodenaufbau wärmetechnisch zu ertüchtigen. Dies geschah im Jahr 1940 von Oktober bis etwa Mitte Dezember. Dabei wurde der darunterliegende Bretterboden samt Schiebeboden ausgebaut und die Hohlräume mit Ziegelschrot verfüllt. Um die Feuchtigkeit fernzuhalten, wurde auf dem wiedermontierten Blindboden eine Dachpappe verlegt.

Diese Rahmenbedingungen waren für biologische Schädlinge optimal und förderten die Entwicklung holzzerstörender Pilze. In dieser Bauteilzone, zwischen Blindbodenbrettern und Dachpappe, herrschte in den kalten Jahreszeiten eine erhöhte Holzfeuchte mit Bildung von Oberflächenkondensat. Durch das begünstigte Klima zersetze der holzzerstörende Pilz etwa 150 m2 des bauzeitlichen Bretterbodens.

Finish nach Weihnachtsfeier

Beim erwähnten Komplettausbau durchtrennten die Handwerker die bauzeitliche Nagelbefestigung. Für die Facharbeiten am Parkett beauftragte man den Parkettier Albisser aus Geuensee LU. In den Abrechnungsunterlagen heisst es: «Es mussten einige Tafeln ergänzt werden.» Wegen der traditionellen Weihnachtsfeier der Klinik wurde der Finish – das Abschleifen und Neuwachsen – erst im Februar durch Iwan Studer aus Luzern vorgenommen. Im Jahresbericht der Klinik wird 1941 lakonisch bemerkt: «Teilweise neuer Boden im gros-sen Festsaal».

Diese neuen Bauteile sind nur von der Tafelrückseite aus klar erkennbar. Sie zeichnen sich durch helles Holz und entsprechende Bearbeitungsspuren aus. Es kann davon ausgegangen werden, dass die betroffenen Parketttafeln fachgerecht zerlegt und die neuen Bauteile in den bestehenden Verband eingebaut wurden. Diese Instandstellungsarbeiten sind korrekt ausgeführt worden und nähern sich sehr stark dem originalen Bestand an. Der Parkettier Albisser hat also offenbar die barocke Machart des Versailler-Parketts noch verstanden. Iwan Studer schliff und bearbeitete die Bauteiloberfläche maschinell nach. Der Oberflächenaufbau erfolgte vermutlich durch einen Ölauftrag mit anschliessendem Wachsen und Aufpolieren.

Ungenügende Eingriffe von 1964/65

Zum Jubiläumsfest 250 Jahre Kirchweihe der Klosterkirche wurde in den Jahren 1964 bis 1965 der gesamte Festsaal restauriert und aufgefrischt. Bei dieser Renovation nahm man erneut eine Reparatur der gesamten Bodenfläche vor, schliff sie ab und wachste sie neu. Diese «Renovation» wurde allerdings nur von der Sichtseite her ausgeführt. Die Eingriffe waren wiederum an der Tafelrückseite klar erkennbar und wiesen nach 50 Jahren eine Vielzahl von Schadstellen auf. Die Abbildung oben zeigt den Ersatz eines Rahmenfrieses: Die Zapfenverbindungen sägte man einfach durch. Das neue Bauteil wurde nicht formschlüssig mit den angrenzenden Bauteilen verbunden, wodurch es seine Festigkeit und Masshaltigkeit verlor.

Auf der nächsten Seite ist eine Füllungsreparatur im Detail zu sehen: Die eingebrochenen Nutwangen wurden durch Nadelholzleisten ersetzt, welche am Eichenfries durch eine Nagelverbindung befestigt wurden. Weil die Eingriffe nur von der Sicht-seite her durchgeführt wurden, mussten die Handwerker die neue Füllung in drei Teilen in die Nadelholzverbindung einschie- ben und dann verleimen.

Bei der Bestandsaufnahme von 2014 hat sich gezeigt, dass diese Reparaturmassnahmen ihre Funktion nicht mehr erfüllten. Das Restauratorenteam beschloss darum, alle diese Elemente sowie Verbindungen zu entfernen und durch Überplattungen zu ersetzen.

Laufende Reparaturen der Fehlstellen

Durch die stetig fortschreitende Zerstörung des Blindbodens durch den Pilzbefall erfolgten ebenfalls laufend Reparaturarbeiten. Dabei mussten die lokalen Eingriffe auch von der Sichtseite her ausgeführt werden. Dies ermöglichte weiterhin die Nutzung des Saals, welche laufend intensiver wurde. Aber durch die fortschreitende Schwächung des Blindbodens ermüdeten die Reparaturen von 1965 zusehends. Dies hatte zur Folge, dass vermehrt eingebrochene Füllungsbauteile durch Vernagelung, Verschraubung und Hinterfüllung mit PU-Schaum gesichert und stabilisiert werden mussten. Diese als notfallmässig einzustufenden Massnahmen stellten nur eine temporäre Sicherung dar und wurden bei der Restaurierung von 2014 ebenfalls zurückgebaut und entfernt.

Priorisierung der Massnahmen

Seit dem Einbau des Tafelparketts vor über 250 Jahren wurde es vielfach überarbeitet und verändert. Um die gesamte Komplexität dieser Eingriffe und ersichtlichen Schäden zu erfassen, mussten sich die Restauratoren einen Überblick erarbeiten über diese Reparaturtechniken. Dieser Einblick in die Reparaturgeschichte war erst möglich nach der Zustandserfassung der Tafelrückseite. Dabei erfolgte eine Interessenabwägung zwischen ersichtlichen Bauteilschäden, alten Reparatureingriffen und schadenvorbeugenden Massnahmen.

Bei den ausgeführten Massnahmen von 2014 haben die Restauratoren die historischen Herstellungstechniken von 1749 als prioritär eingestuft. Die Reparatureingriffe von 1814 und 1940 bewerteten die Experten als erhaltenswert. Die ausgeführten Eingriffe von 1964 bis 2013 stufte man aufgrund der Qualität und den verwendeten Materialien als eher kritisch ein und mussten zum grossen Teil ersetzt oder nachgebessert werden.

www.p-egloff.chwww.bboog.chwww.st-urban.chwww.da.lu.ch

ph

Veröffentlichung: 27. August 2015 / Ausgabe 34/2015

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