Es gibt noch viel zu tun

Die Vernetzung der einzelnen Schritte in Planung, Fertigung und Montage ist ein Zukunftsthema, das auch das Schreinerhandwerk mit einschliesst. Bild: Blum

Planungshilfen.  Blätterkataloge haben nicht ausgedient. Aber digitale Planungshilfen für Beschläge gewinnen auch im Schreinerhandwerk zunehmend an Bedeutung. Denn diese können dem Schreiner helfen, Zeit einzusparen und an Planungssicherheit zu gewinnen.

Planungshilfen gelten heute als wirksames Verkaufsargument. Kein Wunder, läuft das Thema inzwischen in vielen Zulieferbereichen jeglicher Branchen auf Hochtouren. Kernstück ist dabei die Digitalisierung. Ohne den Datenfluss wären die verschiedensten Werkzeuge zur leichteren und beschleunigten Arbeitsbewältigung nicht denkbar. Die Gemeinschaftsplattform von Verbänden auf www.industrie2025.ch erklärt: «Industrie 4.0 bezeichnet ein Konzept, das auf der Grundlage der Digitalisierung und Vernetzung der Wertschöpfungsflüsse eine Transformation der Industrie ausgelöst hat. Die 4 deutet dabei die vierte industrielle Revolution an.»

Fertige Datensätze

Die Hersteller von Möbelbeschlägen bedienen Industrie und Handwerk gleichermassen. Auch deshalb läuft hier die sogenannte vierte Revolution nicht ohne das Handwerk ab. Die Frage, welche Planungshilfen bei Beschlägen im Möbelbau wie auch im Innenausbau für das Handwerk hilfreich und nötig sind, werden noch intensiv diskutiert. Standard sind die Bereitstellung von Beschlagdaten für das eigene CAD-Programm und die e-Shops der Anbieter.

Der Beschlaglieferant Häfele stellt allein etwa 40 000 solcher herstellerneutralen Daten für das Handwerk zur Verfügung. Bei den CAM-Daten zur Übertragung auf CNC-Maschinen ist es nicht ganz so üppig. Hier sind es noch rund 6000 Datensätze in den gängigen Formaten. Bei den erweiterten Ansätzen zur Planungs- und Ausführungshilfe geht es vor allem um Vereinfachung und Zeitersparnis.

Die Entwicklung läuft weiter

Beschlagherstellerin Julius Blum GmbH sieht das Thema in der Möbelindustrie, dem Handel und dem Handwerk allgegenwärtig. Das Ganze könne jedoch nur dann funktionieren, wenn fehlerfreie und vollständige Daten im Hintergrund verfügbar seien. Bei Blum will man das Angebot an Verarbeitungshilfen und Serviceangeboten erweitern. Neu hinzukommen sollen etwa ein verbesserter Korpuskonfigurator, ein Werkzeug für die rechnerunterstützte Ermittlung der Befestigungsposition von hauseigenen Beschlägen und zusätzliche Funktionen für die Montage-App.

Am besten einfach

«Das Thema Planungshilfen nimmt einen grossen Stellenwert ein, da den Schreinern mit diesen ein relevanter Mehrwert für effizientes Arbeiten geboten wird, was diese auch ausserordentlich schätzen», erklärt Reto Eggimann, Teamleiter Marketing und Kommunikation bei der Hawa Sliding Solutions AG. Vorteil von solch spezialisierten Beschlagherstellern ist natürlich, dass diese sich bei Planungshilfen auf wenige Bereiche konzentrieren können, was einen interessanten Ansatz für solche Hilfswerkzeuge ist. So stellt Hawa für die Produktfamilie Eku-Frontino ein Online-Tool zur Verfügung, das nach Eingabe der Schrankmasse die Zuschnitte millimetergenau berechnet und eine individuelle Werkzeichnung generiert. Parallel dazu wird dem Verarbeiter eine Bestellliste mit den entsprechenden Artikelnummern ausgegeben.

«Das alles erfolgt in vier Minuten, wodurch der Schreiner rund zwei Stunden Arbeit spart», sagt Eggimann. Entsprechend werde das Werkzeug von den Schreinern gut angenommen und oft genutzt. «Der Schlüssel dabei ist, dass die Eingabe einfach und schnell erfolgt und auch für Anwender verständlich ist, welche nicht täglich damit arbeiten», weiss Eggimann.

Auch die Montage wird begleitet

Planungshilfen bei Beschlägen umfassen heute viele Werkzeuge, die den Anwender sogar bis zur Montagearbeit vor Ort unterstützen sollen. So fällt auf, dass es immer mehr Kurzvideos gibt, die den Vorgang der Beschlagmontage und der Justierung von Beschlägen in bewegten Bildern darstellen. Diese sind über das Smartphone des Montierenden auch vor Ort abrufbar. Nächster Schritt dürften Montage-Apps sein, die diesem Zweck dienen und umfängliche Daten hinterlegt haben können.

Ein Blog für Fragen und Diskussionen

So soll dieses Hilfsmittel von Blum bei allen Fragen rund um die Montage wie dem sicheren Einbau, der Positionsfindung und der Einstellung helfen. Blum hat das Werkzeug vor zwei Jahren vorgestellt und nun überarbeitet. «Auf einem eigenen Blog sind nun auch Neuigkeiten und Tipps rund um allgemeine Montagethemen sowie zur App selbst zu finden. Hier können Fragen gestellt und Diskussionen mit Experten geführt werden. Das Ganze erfolgt interaktiv und zeitnah. Für erste Märkte stellt das Unternehmen auch einen Live-Support vor – mit Telefon-, Chat- und Video-Funktion», so die Auskunft des Unternehmens.

Die App-Inhalte sollen sich künftig nach den persönlichen Bedürfnissen des Schreiners zusammenstellen und verwalten lassen, indem ausgewählte Informationen, die bei der Montage auf der Baustelle tatsächlich benötigt werden, auf das jeweilige Endgerät geladen werden. Planungs- und Umsetzungshilfen gehören zusammen und sollen sich so ergänzen.

Teilschritte schnell online erledigen

Zentrale Elemente der Hilfe zu einer besseren Beschlagplanung sind Konfiguratoren. Bei den Beschlägen findet dieses Verkaufswerkzeug im Zusammenhang mit der Online-Bestellmöglichkeit schon länger seinen sinnvollen Einsatz. Zunehmend tauchen auch ganze Korpuskonfiguratoren auf. Dienen erstere dazu, schneller den geeigneten Beschlag für den jeweiligen Einsatz zu finden, und vor allem dazu, nötige Hilfsmittel und Zusatzteile bei der Auswahl und der Bestellung nicht zu vergessen, gehen Korpus-konfiguratoren noch deutlich weiter und stellen den nächsten Schritt dar. Diese können entweder nach Bauart wie Schubladen- oder Klappenschränke aufgeteilt sein, oder sie vereinen das gesamte Konstruktionsspektrum in sich. Eingegeben werden mittels Maske die Masse und die Konstruktionsdetails. Dann generiert das von der Beschlagindustrie bereitgestellte Werkzeug alle für die Fertigung benötigten Informationen, wie etwa die Bohrbilder und natürlich die Bestellliste für den Partnerlieferanten vor Ort.

Entsprechende zwei- und dreidimensionale Zeichnungen können sodann per Mausklick erzeugt werden. Durch die programmierte Benutzerführung solcher Konfiguratoren ergeben sich Vorteile. «Mit der integrierten Kollisionsprüfung lassen sich Planungsfehler vermeiden, Anschlagversuche sind nicht mehr notwendig», beschreibt Blum den neuen, angekündigten Korpuskonfigurator.

Der Weg zur Maschine

Die so generierten Daten können dann dem Workflow der CAD-Programme in der Schreinerei eingefügt werden. Es geht um Zeitersparnis und Fehlervermeidung bei der Beschlagplanung. Ein Export in die Branchensoftware ist aufgrund der bereitgestellten unterschiedlichen Datenformate weitestgehend problemlos.

Auch hier liegt ein gewisser Engpass derzeit eher an der Durchgängigkeit des Datenflusses zu den Maschinen. CAM-Daten sind noch selten verfügbar. Beim Beschlaganbieter Häfele erfolgt dies bis jetzt mit den drei Kooperationspartnern Imos, Vectorworks und Interiorcad, mit denen sich direkt aus dem Konfigurator CAM-Daten generieren lassen.

Automatisierte «Minipress»

Da so mancher Beschlaghersteller auch eigene Bohr- und Einpressmaschinen für Beschläge anbietet, geht etwa auch Blum eigene Wege. «Easystick für Minipress» besteht aus einem Lineal mit automatisierten Anschlägen und einer Steuereinheit mit Display. Die Ermittlung von Bohrpositionen an der Verarbeitungsmaschine und das Rüsten der Bohr- und Beschlagsetzmaschinen sollen damit vereinfacht werden.

Die neue Verarbeitungshilfe macht das händische Einstellen der Anschläge überflüssig. Die Bohrpositionen können direkt an der Maschine eingegeben werden. Der Verarbeiter kann das Möbelstück aber auch im Korpuskonfigurator planen und die Daten danach auf Easystick übertragen. Die rechnergesteuerten Anschläge fahren dann automatisch in die richtige Position. Die neue Lösung soll die Verarbeitung unabhängig von Arbeitsweise und Ausstattungsgrad des Schreiners unterstützen.

Die Kritik der Konfiguratoren-Nutzer

Inzwischen gibt es kaum einen Beschlägeanbieter, der nicht mindestens einen Konfigurator bereitstellt. So manches dieser Werkzeuge dürfte aber für viele Schreiner nicht geeignet sein. Etwa wenn bei einem Konfigurator für Schiebetürbeschläge auch gleich das Türblatt mit ausgewählt (und bestellt) werden muss. Beim Werkzeug- und Beschlägeausstatter Würth AG geht man noch einen Schritt weiter. Hier dient der Konfigurator nicht nur als Planungshilfe, sondern das Unternehmen will dem Handwerker die Fertigung der Teile gleich mit abnehmen. Was im Einzelfall sinnvoll sein kann, dürfte als Bedingung für die Nutzung von Planungshilfen durch den Schreiner aber kaum zielführend sein.

Da wartet noch mancher Stolperstein

Auch die reibungslose Funktion der Planungstools ist längst nicht immer gegeben.Wer derzeit die verfügbaren Werkzeuge online ausprobiert, dem kann es durchaus passieren, dass er auf einer Seite namens «404» landet – Fehlermeldung. Bei internationalen Akteuren sind zudem nicht immer alle Werkzeuge auf den Seiten der Schweizer Niederlassung zu finden. Denn hinter den Planungshilfen steht ein enormer Aufwand und damit auch hohe Kosten, vor allem für die grossen Anbieter von Beschlag-sortimenten.

Das zeigt aber auch: Die Anbieter bemühen sich, ganz vorne mit dabei zu sein, um den Kunden einen Mehrwert bieten zu können. Das führt vereinzelt auch dazu, dass Konfiguratoren benannt werden, die im Grunde gar keine sind, sondern eher als digitale Bestellformulare angesehen werden müssen. Das Wesen der Werkzeuge ist eine Vereinfachung des ganzen Prozederes. Wenn alle Informationen ohne Unterstützung eingetippt werden müssen, bringt das Verfahren jedoch kaum eine Erleichterung, weil dann der Blätterkatalog oder das Fenster des Online-Kataloges gleichzeitig verwendet werden muss.

Manches ist auch Spielerei

Auch gibt es Beschläge, die nur schwer über Konfiguratoren abgebildet werden können, deren Wesen ja auch die unmittelbare Sichtbarkeit des Endproduktes ist. Leuchten für Möbel etwa. Wer am Rechner die Wahrnehmung von Lichttemperaturen, Farb- wiedergabe und Platzierung von Leuchten begutachten will, wird online nicht so einfach zum Ziel kommen. Gerade beim Licht fällt auf, dass es andere Dinge sind, die dem Schreiner eine Hilfe geben. Etwa das massgeschneiderte Vorkonfigurieren der Bau-teile seitens der Qualitätslieferanten, wie es in der Schweiz inzwischen schon fast üblich ist.

www.haefele.chwww.blum.comwww.eku.chwww.hettich.com

ch

Veröffentlichung: 06. Juli 2017 / Ausgabe 27-28/2017

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