Freiraum für Kernkompetenzen

Die Infrastruktur für eine wirklich gute Oberflächenbearbeitung lohnt sich, wenn sie konstant genutzt werden kann. Bild: SZ, Andreas Brinkmann

Fremdvergabe.  Die perfekte Oberfläche ist in vielen Fällen mit ausschlaggebend für die Zufriedenheit eines Endkunden. Die Erschaffung derselben stellt Schreiner aber immer wieder vor Probleme bezüglich der eigenen Möglichkeiten oder der Platzressourcen. Was hilft?

Die Oberflächenbearbeitung ist seit jeher ein Spezialgebiet, das Schreiner in besonderem Masse herausfordert. Schliesslich ist das mit grossem Können gefertigte, handwerkliche Produkt für den Kunden erst wertvoll, wenn es im gewünschten Farbton und Glanzgrad bei ihm montiert ist. Auch soll die Oberfläche resistent gegen allerlei äussere Einflüsse sein und lange Freude bereiten.

Der eigene Oberflächenbereich

Die Lackindustrie bietet ein riesiges Feld an Möglichkeiten und auch immer mehr Spezialeffekte, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wer nicht einfach sein Standardsortiment an Klarlackoberflächen anbieten, sondern dem Kunden umfassende Möglichkeiten präsentieren will, muss sich dauernd auf dem neuesten Stand halten und auch die manuellen Fähigkeiten schulen. Das bedeutet: Der Schreiner braucht einen selbständig arbeitenden Spezialisten, der auch entsprechend ausgelastet ist. Zudem sollten die Spritz-, Auftrags- und Bearbeitungsgeräte in einem Zustand sein, der es erlaubt, Arbeiten ohne Zeitverlust anzugehen.

Vor- und Nachteil eigener Ausführung

Zeit ist ja sowieso immer einer der ganz wichtigen Kostenfaktoren. Kurze Wege sind daher von grossem Vorteil, da ein zusätzliches Transportieren mit Verpackungsaufwand und Beschädigungsrisiko klein gehalten werden kann. Was selber gemacht werden kann, ist direkt beeinflussbar, führt zu weniger Missverständnissen und Leerläufen. Das fertige Produkt ist die Referenz der Schreinerei, und diese steht und fällt – neben den gut gewählten Materialien und der einwandfreien Ausführung – auch mit der perfekten Oberfläche.

Demgegenüber stehen immer umfassendere Vorschriften, was den Spritzraum und dessen Ausrüstung sowie die Handhabung der Mittel betrifft. Die separaten Räume, die von der Holzbearbeitung abgegrenzt sein müssen, nehmen konstant einen gewissen Raum in Anspruch, der sonst kaum nutzbar ist. Ein umfassendes Angebot braucht auch die richtigen Mittel und das Können, Farbnuancen vorgegebener Muster zu erreichen.

Was bringt die Fremdvergabe?

So wie viele Betriebe CNC-Bearbeitungen von entsprechend ausgerüsteten Firmen machen lassen, können auch Oberflächenarbeiten auswärts vergeben werden. Die Traber AG Beizerei in Stäfa ZH ist ein solch spezialisierter Betrieb. Seit vielen Jahren werden dort Oberflächenarbeiten im Auftrag von Schreinern und Architekten ausgeführt. «Wenn eine kleine Schreinerei beispielsweise einen Kirchenumbau ausführen darf, reicht deren Kapazität in der Regel nicht noch dazu aus, auch die Oberflächenarbeiten machen zu können», erklärt Hans Traber. Er leitet den Betrieb in Stäfa und sein Bruder Roland die Zweitniederlassung in Baar ZG. «Da wir ausschliesslich Oberflächen machen, können wir sehr flexibel auf alle möglichen Wünsche reagieren.» Das Angebot reicht von jeglicher Art Beiz- und Färbearbeit über normale Spritz- und Schleiflackarbeiten bis zu polierten Hochglanzflächen.

Beispiel einer Schreinerei

Die Firma W. Rüegg AG in Kaltbrunn SG hat schon vor längerer Zeit eine Entscheidung gefällt, die einerseits eine hohe Wertschöpfung im eigenen Betrieb ergibt, aber auch die Kernkompetenzen stärkt. Der Grossteil der Oberflächenarbeiten wurde an die Traber AG ausgelagert. So werden diese recht heiklen Arbeiten, vor allem im Schleiflackbereich, von Spezialisten ausgeführt, die das schlicht besser und mit weniger Aufwand können. Das spart dem eigenen Betrieb die Anlagen- und Unterhaltskosten sowie die Erfordernis, speziell geschultes Personal zu haben.

Der entstandene Freiraum ermöglicht eine Konzentration auf die guten eigenen Fähigkeiten, mit dem Bewusstsein, ohne grosses Risiko eine gleichbleibende Qualität der Oberfläche zu erhalten.

Um gerade auch in der Anfangsphase einer engen Zusammenarbeit mit einem Oberflächenbetrieb zu den effektiv gewünschten Resultaten zu kommen, rät der Leiter der Abteilung Schreinerei, Thomas Gübeli, zu häufigen und umfassenden Gesprächen. Der anfangs etwas grössere Zeitaufwand sorgt für eine grundsätzliche Klarheit und somit für Sicherheit.

Angebotsmöglichkeiten und Preise

Damit der Schreiner seinem Kunden eine gute Offerte machen kann und die Sicherheit hat, dass diese so auch umsetzbar ist, rechnen Trabers mit Quadratmeterpreisen. Es gibt einiges an Auswahlmöglichkeiten. Beispielsweise hat eine auf stumpfmatt gespritzte Nussbaumfläche die Wirkung einer natürlichen, rohen Massivholzfläche. Das Gleiche vorher mit Klarlack gefüllert, ergibt eine geschlossene, glatte und recht edel wirkende Fläche. Eine normal gespritzte Hochglanzfläche ist zwar gefüllert, hat aber durch die Auftragstechnik eine ganz leicht wellige Oberfläche. Wirklich spiegelglatt kann sie nur durch Polieren werden – ein Arbeitsgang, der aufwendig ist, aber enorm viel mehr Wirkung zeigt.

Um dem Kunden im fortlaufenden Projekt ein wirklich gutes Angebot machen zu können, empfiehlt es sich, mit Mustern zu arbeiten. Wer einen Qualitätsunterschied sehen und fühlen kann, ist bereit, auch etwas mehr zu bezahlen, oder entscheidet sich bewusster für die einfachere Variante.

Heikle Transportwege

Zusätzliche Transportwege bedeuten auch ein gewisses Risiko und natürlich zeitlichen Aufwand. Mitarbeiter der Traber AG holen die Teile in den Schreinereien ab und bringen sie auch anschliessend wieder hin. Durch die Lage der beiden Betriebe lässt sich zudem ein sehr grosses Gebiet der Schweiz beliefern. Damit unterwegs nichts geschieht, werden ausschliesslich eigene Transportwagen und Fahrzeuge mit Hebebühnen verwendet.

Was braucht der Oberflächenspezialist?

In aller Regel beschriften die Schreinereien ihre Teile mit Schlagzahlen, um anschliessend beim Zusammenbau eine problemlose Orientierung zu haben. Wie sieht das aber in der Oberfläche für den Verarbeiter aus? Auch er hat nur diese Schlagzahlen. Erhält er massive oder furnierte Teile, hat er mit diesen Zahlen keinen Anhaltspunkt, wie alles zusammenkommt. Differenzen im Holzfarbton können zwar angeglichen werden, ob es aber einen stimmigen Übergang gibt, kann er nicht wirklich überprüfen. Dazu bräuchte er einen Übersichtsplan oder eine Skizze mit den Nummern.

Um lasierende Farbtöne oder Beizen bestimmen zu können, müssen vorgängig Muster gemacht werden. So kann der Endkunde eine verbindliche Wahl treffen. Damit der Ton und die Wirkung der Holzstruktur stimmen, sollte der Schreiner dem Beizer unbedingt Musterteile aus dem Originalmaterial geben. Ideal wäre natürlich auch, wenn der Furnierleim bereits mit dem Wunschfarbton eingefärbt wäre, was allerdings eine frühe Entscheidung des Kunden voraussetzt.

Zeit, die eingeplant werden muss

Der Zeitfaktor sollte unbedingt im Auge behalten werden, denn nur allzu oft wird die Oberfläche in der Zeitplanung – vor allem wenn es Verschiebungen gibt – zu wenig berücksichtigt. Beizen haben Reaktionszeiten und Lacke Aushärtezeiten. Eine Tischfläche sollte beispielsweise auf gar keinen Fall benutzt werden, bevor der Lack nicht vollständig durchgehärtet ist. Das heisst: In der Planung muss mindestens eine ganze Arbeitswoche, also fünf Tage, für diese Arbeiten gerechnet werden – auch wenn es Verschiebungen gibt.

Wann lohnt sich die Vergabe finanziell?

Die Gegenüberstellung betrieblicher und externer Kosten ist etwas, womit sich alle leitenden Personen immer wieder auseinandersetzen müssen. Die Wertschöpfung im eigenen Betrieb ist dann von Vorteil, wenn die Infrastruktur und die personellen Fähigkeiten mit den tatsächlichen Anforderungen übereinstimmen und auch die Auslastung entsprechend ist.

Unter diesen Voraussetzungen sind selbst ausgeführte Oberflächenarbeiten günstiger. Wird allerdings nur schon die Anlage zu wenig benutzt, sieht das Rechnungsresultat anders aus, denn die Differenz ist in keinem Fall sehr hoch. Manche Betriebe, die gut eingerichtet sind, nutzen auch beide Möglichkeiten, um Auslastungsspitzen abzufedern. Dabei ist es aber wichtig, dass man sich kennt und so gezielt agieren kann. Ein frühzeitiges Hinzuziehen eines externen Oberflächenspezialisten hilft auch, die Möglichkeiten besser auszuloten und ein fundiertes Angebot machen zu können. Gerade mit Beiztönen kann das zusätzlich ein grösseres Vertrauen beim Kunden schaffen.

Eine industrielle Möglichkeit

Die optimale Nutzung der Anlagen hat für den Schreiner auch zu Dienstleistungsangeboten geführt, die so vor ein paar Jahren noch nicht möglich waren. Auch industrielle Fertigungsbetriebe wie beispielsweise die Möbelfabrik Würenlingen AG bieten Oberflächenarbeiten an. Die Anlage in Würenlingen im Aargau ist sowohl auf grosse Serien wie auch auf Einzelteile ausgelegt, da auch in ihren eigenen Programmen kommissionsweise gefertigt wird.

Ebene Plattenteile können in einem Rundlaufverfahren vollautomatisch beidseitig bearbeitet werden, und auch das Polieren von Hochglanzoberflächen wird halbautomatisch ausgeführt. Formteile gehen den Weg über die Spritzkabinen. Auch hier ist eine gute Absprache notwendig, um den richtigen Aufbau und Glanzgrad zu erhalten. Anders als bei der Traber AG liefert und holt der Schreiner seine Ware selber. Somit wird der Auftragsposten noch in der Fabrik abgenommen, wodurch allfällige Unstimmigkeiten gleich behoben werden können, ohne dass unnötig weitere Zeit verstreicht.

Mit dem Transport liegt dieser Zeitaufwand natürlich beim Auftraggeber, und so geht der Geschäftsleiter Jürgen Gombert davon aus, dass sein Angebot für Schreiner mit einer Anfahrzeit von maximal einer Stunde interessant ist.

Resultat mit Referenzwert

Auch andere Betriebe wie Malerwerkstätten bieten immer bessere Angebote für Schreiner und richten sich auch teilweise speziell dafür ein. Die Maler Schlotterbeck AG in Ebikon LU hat sich zum Beispiel extra eine Zylinderschleifmaschine angeschafft, um ihre Schreinerkunden umfassender bedienen zu können. Was aber dem Einzelnen dient, hängt stark von den hauptsächlichen Bedürfnissen der Endkunden und den eigenen Kernkompetenzen ab. Gerade qualitativ hochstehende Flächen benötigen ein gutes handwerkliches Gespür und viel Wissen über Holzprodukte, denn die finale Wirkung eines Werkstückes hängt in sehr starkem Masse vom Gelingen dieses Arbeitsganges ab. Die Vergabe ist auch eine Vertrauenssache, denn Korrekturen sind später nur noch sehr schwer durchführbar. Andererseits bieten Fachleute, die nur in diesem Bereich arbeiten, auch ein grösseres Wissen um hilfreiche Substanzen und verfügen über die notwendige Erfahrung in der Anwendung dieser Mittel.

www.beizerei.chwww.ruegg-kaltbrunn.chwww.moebelfabrik-wuerenlingen.chwww.malerschlotterbeck.ch

ab

Veröffentlichung: 18. Juni 2015 / Ausgabe 25/2015

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