Gemeinsam läuft es besser

Sie haben zusammen schon viel Fläche belegt: René Knup und Urs Fischer (v. l.). Bild: Christian Härtel

Flächenverkleben.  Das flächige Verkleben mittels PU-Hotmelt ist technisch und wirtschaftlich den herkömmlichen Verfahren überlegen. Dies können auch Schreiner für sich nutzen, wie ein Beispiel zeigt. Kooperationen mit Spezialisten sorgen für Qualitätssicherung und Erfolg.

Oft und gerne wird die Sinnhaftigkeit von Kooperationen zwischen Handwerksbetrieben betont. In der Realität finden diese jedoch nicht ganz so häufig statt. «Oft führen Schreinereien alle Arbeiten selber aus, obwohl eine externe Lohnarbeit in gewissen Bereichen wirtschaftlicher wäre», sagt Urs Fischer, Betriebsleiter der Wettstein AG in Riedt bei Erlen TG.

Diese Überlegungen hat sich auch die Kaufmann Oberholzer AG gemacht. «Wir arbeiten schon viele Jahre mit der Wettstein AG zusammen. Nach der CNC-Bearbeitung und dem Kantenanleimen ist bald die PU-Hotmelt- Flächenbeschichtung dazugekommen», sagt René Knup, zuständig für Schreinerei und Projekte bei der Kaufmann Oberholzer AG im thurgauischen Schönenberg. Mit mittlerweile fünf Standorten und 140 Mitarbeitenden ist das Unternehmen in allen Bereichen von Schreiner- und Holzbauarbeiten sowie dem Engineering tätig. Als Unternehmen mit dem Anspruch, sämtliche Dienstleistungen aus einer Hand anbieten zu können, hat Kaufmann Oberholzer schon früh auf die Kooperation mit Spezialisten gesetzt. Allen voran mit der Wettstein AG, die Schreinereien und Produktionswerke mit Lohnarbeiten etwa in den Bereichen Schleifen, Zuschneiden, Bekanten, CNC-Bearbeitung und PU-Hotmelt-Flächenverklebung samt Furnieren unterstützt.

Durchlauf eröffnet neue Dimensionen

«Früher haben wir im Betrieb selbst belegt und furniert. Wie bei vielen anderen auch, geschah dies von Hand mittels Leimauftragswalze und normaler Furnierpresse. Das Ganze war natürlich zeitaufwendig und risikobehaftet. Bei langen Teilen mussten wir wegen der begrenzten Abmessungen der Presse auch oft die Werkstücke schieben», erzählt Knup.

Das Beschichten mittels Polyurethan-Hotmelt dagegen ist bis zu einer Breite von 1540 mm möglich und in der Länge dank des Durchlaufverfahrens praktisch unbegrenzt. Die Verleimstrasse kann bei sehr langen Teilen auch übers Eck betrieben werden, sodass in der Länge praktisch kein Limit besteht. «Das Beschichten und Verkleben unterschiedlichster Materialien machen wir inzwischen standardmässig mit der PU-Hotmelt-Verklebung», sagt Fischer. Aber es geht nicht nur um heikle Verbindungen, sondern auch um Standardarbeitsabläufe wie das Beschichten mit Kunststoff. Mit dem lehrbuchmässigen, flächigen Beschichten hat das Verfahren wenig gemein, denn der PU-Hotmelt hat besondere Eigenschaften, was mit ungewohnten Möglichkeiten und einer gänzlich anderen, leistungsfähigen Anlagentechnik einhergeht. Dazu gehört auch die mit dem Verfahren mögliche, einseitige Belegung von Trägermaterialien.

Rasche Weiterverarbeitung möglich

Die Vorteile der flächigen PU-Hotmelt-Verklebung sind immer noch recht wenig bekannt, auch wenn Wettstein mittlerweile rund sieben Jahre Erfahrung mit dem Prozedere hat. Ein entscheidender Faktor im Vergleich mit anderen Klebstoffen und Verfahren ist, dass der PU-Hotmelt praktisch kein Wasser enthält. Dafür benötigt er Hitze, um flüssig zu werden.

Mit einer Temperatur von 100 °C vorgeschmolzen, wird der Klebstoff im Durchlaufverfahren über eine Auftragswalze auf das Werkstück appliziert. Die Menge an Klebstoff ist dabei je nach Material mit 60 bis 100 g/m2 äusserst gering. Leimdurchschlag bei Furnieren lässt sich so ausschliessen. Das benetzte Teil wird nach doppelter Reinigungsstufe belegt und durchläuft direkt den sogenannten Kalander. Dabei handelt es sich um eine Gummiwalze, die den Belagwerkstoff mit fünf Metern Vorschub pro Minute auf das Trägermaterial presst. Die Teile können anschliessend sofort abgestapelt werden und härten aus.

Am nächsten Tag ist der chemische Prozess so weit abgeschlossen, dass die Werkstücke weiterverarbeitet werden können. Es gibt kein Verrutschen beim Pressen, keinen Leimdurchschlag, keine Krümmungen und vor allem keine Notwendigkeit des «Schiebens» bei langen Teilen. Und: Auf diese Art können praktisch alle Materialien miteinander verklebt werden – selbst Schaumstoff, Metall, Glas oder Filz sind möglich.

Die Lehrbücher stimmen nicht mehr

Ein weiterer, ganz entscheidender Vorteil ist die mögliche einseitige Belegung. Weil bei diesem Verfahren kein Wasser im Spiel ist, das in den Werkstoff eindringt, treten auch keine Krümmungen auf. Eine Spanplatte kann so etwa mit HPL ohne Gegenzug verbunden werden. «Eigentlich müsste man die Schreiner-Lehrbücher neu schreiben. Der stets als zwingend angesehene symmetrische Aufbau von Werkstoffen ist mit dem Verfahren so nicht mehr gültig», sagt Geschäftsführer Stephan Wettstein.

Gleichwohl gibt es aufgrund der unend- lichen Materialfülle und der stets neuen Kombinationen aus Verbundmaterialien für besondere Anforderungen auch Fälle, wo ausprobiert werden muss, um die Parameter fein einstellen zu können. Im Vergleich zum herkömmlichen Verleimen, wo man je nach Material mehrere Klebstoffe verwenden muss, ist das PU-Hotmelt-Verfahren im Prinzip trotzdem einfach. Weil die Materialvielfalt aber praktisch täglich zunimmt, ist das Wissen um die Feinheiten enorm wichtig. Bei Wettstein hat man inzwischen einen grossen Erfahrungsschatz angehäuft mit dem Resultat: Geht nicht, gibt es kaum mehr in der Firma.

Die Zeit räumt Vorbehalte aus

Auch bei Kaufmann Oberholzer war man anfänglich skeptisch, gerade was die ein-seitige Belegung angeht. «Wir haben erst mal Muster und Versuche gemacht, darunter auch Stahlblech auf Spanplatte. Und bis heute steht das Stück im Büro und weist keine Krümmung auf», erklärt Knup. Immer öfter kommen im Unternehmen hochwertige und hochpreisige Materialien für Oberflächen zum Einsatz. «Gerade dann ist die Möglichkeit der einseitigen Belegung auch ein geldwerter Vorteil», sagt Knup. Das betrifft auch andere Bereiche wie das Bekanten. «Bei ultramatten Oberflächen, wie etwa dem derzeit sehr gefragten Fenix-Schichtstoff, ist auch das Kantenanleimen heikel», sagt Fischer. Da ist es gut, wenn Spezialisten die Verfahren im Griff haben.

Auch in Eigenregie möglich

Die räumliche Nähe zur Wettstein AG ist für Kaufmann Oberholzer natürlich von Vorteil, aber nicht zwingend nötig. Denn Wettstein bietet seinen Partnern nicht nur die herkömmliche Lohnarbeit an, sondern auch das Einmieten für gewisse Arbeitsabläufe.

Dabei erledigen externe Schreiner in der Werkstatt von Wettstein nach einer Einweisung ihre Arbeiten selbst. Das hat den Vorteil, die hochtechnisierte Infrastruktur nutzen zu können, ohne Stillstandszeiten zu erzeugen. Weil die Werkstücke nach dem Belegen sofort abgestapelt werden können, sind sie auch unmittelbar transportfähig. Zusätzliche Zeit benötigt der Schreiner so nur für den Fahrweg.

Eine Doppelung der Strecke durch Anlieferung und Abholung entfällt. «Wir haben dies auch schon so gemacht», sagt Knup. «Für uns kommt es einfach auf die Menge an. Wenn es viele Teile sind, macht es Sinn, dass unsere Leute mitarbeiten und wir so die Werkstücke auch gleich wieder zu uns in den Betrieb zurücknehmen können. Bei kleineren Mengen liefern wir diese an, und dann laufen sie bei nächster Gelegenheit durch die Maschine.»

Der Fachmann ist davon überzeugt, dass den Kooperationen die Zukunft gehört, denn nicht jeder Betrieb kann alle Arbeitsverfahren auf höchstem Niveau ausführen. «Das Investitionsvolumen wäre nicht zu leisten. Wenn ein Partner bestimmte Arbeitsschritte besser, schneller und wirtschaftlicher ausführen kann, dann soll er das machen. Die Betriebe in der Schweiz werden künftig nur erfolgreich sein können, wenn jeder jene Arbeiten macht, die er wirklich am besten kann» sagt Knup.

Weil die Wettstein AG auch eigene Möbelelemente und Möbellösungen, wie etwa indi- vidualisierbare Empfangstheken, im Portfolio hat, achtet man darauf, nicht als direkter Mitbewerber bei Schreinerarbeiten aufzutreten. «Durch die Spezialisierung auf Fertigung und konzeptionelle Möbellösungen treten wir nie als direkter Konkurrent zum Schreiner auf», erklärt Wettstein. Stattdessen sorgen die Partnerschaften für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. «Die Abwärtsspirale durch stetig höheren Preisdruck lässt sich durch Kooperationen viel eher umkehren», ist Fischer überzeugt.

www.wettstein.chwww.kaufmann-oberholzer.ch

ch

Veröffentlichung: 29. August 2019 / Ausgabe 35/2019

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