Glänzend auch mit Patina

Im Möbelbau und im Innenausbau tauchen vermehrt exklusive und vielgestaltige Metalloberflächen auf. Bild: De Castelli

Finish von Metallen.  Die Welt der möglichen Oberflächen von Metallen ist ähnlich vielgestaltig wie beim Holz. Mittels herbeigeführter chemischer Reaktionen und mechanischer Bearbeitung lassen sich Oberflächen erzeugen, die auffallen.

Seit vielen Jahren prägt das Antlitz von Chromnickelstahl den Eindruck von einer metallischen Oberfläche. Oft mit gebürstetem Finish kommt der rostfreie Edelstahl für Abdeckungen im Küchenbau, für Armaturen und Beschläge und bei vielen anderen Produkten zum Einsatz. Dass der edle Stahl Herr und Frau Schweizers Liebling ist, hat viele Gründe. Er ist widerstandsfähig und langlebig, pflegeleicht und hygienisch und vor allem ist damit der Eindruck verknüpft, dass man etwas für die gefühlte Ewigkeit hat.

So viele Vorteile haben auch Nachteile. Die Stähle dieser Gruppe wirken aufgrund der erwähnten Eigenschaften auch unnahbar, kalt, ja mitunter sogar steril. Nur sehr eingeschränkt zeichnet Edelstahl die Zeichen der Zeit auf, bleibt nahezu gleich auch nach vielen Jahren. Was sich nicht verändert, ist zwar funktional und praktisch, aber nicht unbedingt authentisch. Echtes Handwerk und eine gewisse Sehnsucht nach der Patina spielen derzeit wieder eine gewichtigere Rolle in der Innenarchitektur, weshalb andere Metalle und ihre Spielarten mit vielseitigen Oberflächenbehandlungen wieder vermehrt eingesetzt werden. Dies gilt für den Bereich des hochwertigen Interieurs, wo Gestalter inzwischen öfter Akzente mit metallischen Oberflächen setzen.

Metalle als Materialien begreifen

Im Material-Archiv des Sitterwerks in St.Gallen finden sich viele metallische Oberflächen. So manche davon sind nur wenig bekannt und einige sind auch vor Ort entstanden. Das Know-how kommt mitunter aus der Kunstgiesserei vor Ort. In direkter Nachbarschaft zur Stiftung Sitterwerk gelegen, versteht sich das gesamte Ensemble als institutionelles Zentrum für Kunst und deren Umsetzung. Für das Material-Archiv der Stiftung zeichnet Julia Lütolf (Bild) verantwortlich. Die gelernte Schreinerin kam über das Studium der Restaurierung zur Kunst, zum Metall und schliesslich zum Sitterwerk. Neben Holz interessiert sie sich auch für die Oberflächenbearbeitung von Metallen. Denn was viele nicht vor Augen haben: Diese Bearbeitung kann ähnlich vielgestaltig sein wie beim Holz.

Wie eine Oberfläche am Ende wirkt, wird schon bei der Zusammensetzung einer Legierung bestimmt. Holz kann man nicht kreieren, Metall schon. Gemeinsam ist ihnen, dass sie chemisch reaktiv sind. Zumindest die meisten Hölzer und Metalle. Edelstahl hoher Güte rostet nicht und ist beständig gegenüber vielen Chemikalien wie Säuren. Und das Holz der heimischen Ahornarten ist chemisch gesehen nahezu inaktiv. Das sind aber Ausnahmen. Die meisten ande- ren Vertreter in Holz und Metall reagieren durch ihre Inhaltsstoffe massiv auf Einflüsse von aussen, altern, verändern sich und bekommen im Laufe der Zeit eine typische Patina.

Das macht man sich zunutze durch verschiedensten Prozesse der Oberflächenausbildung bei den Metallen. Bekannt sind die galvanischen Verfahren, das chemische Beizen, das dekorative Eloxieren, das Ätzen, Schwarzbrennen, Brünieren, das Anlassen mittels Hitze, das Versilbern, das Ölvergolden und viele mehr. So kann auch eine Aluminiumoberfläche mittels Ölversilbern dem Original recht nahe kommen.

Effekte inszenieren

Des Schreiners Denken mit Metallen ist von der Schraube bis zur Küchenabdeckung meist von praktischen Gesichtspunkten geprägt. «Man sollte sich vielleicht vom Beschlag und von der Küchenabdeckung gedanklich etwas lösen und die Metalle mit all ihren Oberflächenspielarten eher als eigenständige Materialien und Einsatzbereiche denken», sagt Lütolf. Letztlich mache der Handschweiss bei der Benutzung einen Handlauf oder Türdrücker aus Messing erst wirklich schön. In manchen Bereichen habe sich ein solcher Blick auf das Metall durchgesetzt, aber es passe einfach auch nicht immer. So soll die Fassadenplatte aus eloxiertem Aluminium am liebsten für alle Zeiten genauso aussehen, wie am ersten Tag. Im Interieur sieht es etwas anders aus. Gold- und Kupfertöne sind längst salonfähig und werden von manchen Architekten inszeniert und akzentuiert eingesetzt. «Potenzial sehe ich vor allem bei der Kombination von Holz und Metall. Schon eine Füllung aus Metall in der Rahmenkonstruktion kann in dem hölzigen Entwurf einen enormen Effekt erzielen», sagt Lütolf. Handwerkliche Verfahren, um Metalle gezielt in der Oberfläche zu gestalten, sind Spezialistenarbeit und auch hochpreisig. Schon deshalb geht es meist um kleinere Flächen und nicht um die Fage: «Holz oder Metall?», sondern eher darum, ob, wo und welche Metalloberfläche sinnvoll ist.

Um den Metallen einen eigenen Charakter zu geben, wird sowohl mit der Oberflächenstruktur als auch mit der Beschichtung gearbeitet.

Anfassen und Verstehen

Die Gesichter von Metallen

In der jüngsten Vergangenheit haben Schweizer Institutionen rund um den Verbund Material-Archiv verschiedene Ausstellungen und Veranstaltungen zu Metallen und ihren Oberflächenbehandlungen auf den Weg gebracht.

Julia Lütolf initiierte zusammen mit der Hochschule der Künste Bern im Sitterwerk St. Gallen die Ausstellung «Edel, unedel». Darin drehte sich alles um das Spektrum der Metallfarben. Darauf basierend entstand die Präsentation «Reaktionen auf Metall» in der Schweizer Baumuster-Centrale in Zürich. Die Plattform materialarchiv.ch und die Ausstellung in Winterthur haben dadurch viele Texte und Muster aufnehmen können, sodass heute an den Standorten vom Verbund Materialarchiv vielfältige Informationen zu den Metallen, ihren Oberflächenbehandlungen samt deren Verfahrenstechnik zugänglich sind.

www.sitterwerk.chwww.baumuster.chwww.materialarchiv.ch

christian härtel, ch

Veröffentlichung: 09. Juni 2022 / Ausgabe 23/2022

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