Gut geschliffen ist halb poliert

Bild: Spray-Technik Christen

Finish.  Für eine perfekte Hochglanzoberfläche kam man lange nicht um den Nassschliff herum. Neue Technologien bei der Herstellung von Schleifmitteln ermöglichen nun auch den Schliff im Trockenverfahren. Eine gute Ausrüstung alleine macht aber noch lange keine gute Oberfläche.

Hochglanzoberflächen gelten als die Königsdisziplin in der Oberflächenbehandlung. Obwohl im Innenausbau natürliche und stumpfmatt lackierte Materialien angesagt sind, ist die Nachfrage nach spiegelglatten Lackflächen nach wie vor gross. Enorm wichtig dabei ist, dass man bereits bei der Kundenberatung klar abgrenzt, welche Hochglanzqualität und somit Preisklasse überhaupt gewünscht wird.

Um ein perfektes Ergebnis mit Spiegelwirkung zu erzielen, braucht es in diesem Bereich nicht nur den richtigen Lack. Mindestens so wichtig sind die Schritte zwischen dem Spritzen. Oder wie Leo Schwander sagt: «Für eine perfekte Hochglanzoberfläche muss man sauber lackieren, sauber trocknen und sauber schleifen.» Der gelernte Schreiner ist seit 25 Jahren mit einem eigenen Lackieratelier im Geschäft.

In seiner Spritzkabine im luzernischen Neuenkirch fertigt er meistens Hochglanz-oberflächen für verschiedenste Schreinereien an. «Über die Jahre habe ich viele verschiedene Lacksysteme und Hilfsmittel ausprobiert und auch Lehrgeld bezahlt», sagt der 63-Jährige, der einen Nachfolger für sein Atelier sucht.

Abkehr vom Nassschliff

Ein grosses Thema ist das Schleifen und Polieren der Oberflächen: Die Verfahren dazu stammen ursprünglich aus der Autolackiertechnik, wo beim Feinschliff ab einer Körnung von etwa 220 meist im Nassverfahren gearbeitet wird. «Nassschleifen auf Holz in einer Schreinerei ist aber immer so eine Sache», erzählt Leo Schwander aus Erfahrung. Nebst der Feuchteproblematik in Verbindung mit dem Holz ist das Nassschleifen auch für den Oberflächenspezialisten nicht sonderlich angenehm – selbst wenn er mit entsprechender Schutzkleidung ausgerüstet ist. Schwander hat 20 Jahre lang im Nassverfahren geschliffen. Vor rund 5 Jahren hat er dann auf ein Trockenschleifsystem umgestellt und möchte nicht mehr zum alten System zurück. Diese Systeme etablieren sich immer mehr auf dem Markt. «Einige Schleifmittelhersteller haben in diesem Bereich grosse Fortschritte gemacht», sagt Martin Christen, Geschäftsführer von der ebenfalls in Neuenkirch ansässigen Spray-Technik Christen. Und das ist auch nötig, denn die Lack- und Oberflächenqualitäten haben sich in den letzten zehn Jahren ebenfalls weiterentwickelt.

Beschichtung gegen Schleifspuren

Die Vorteile vom Trockenschleifen liegen auf der Hand: Es gibt keine Feuchtigkeit mehr, der Oberflächenspezialist sieht somit auf den ersten Blick, wo es noch glänzende, sprich nicht oder zu wenig geschliffene Stellen hat. Zudem lässt diese Technik den Einsatz einer Staubabsaugung zu, was die Sauberkeit und somit das Klima am Arbeitsplatz verbessert.

Da stellt sich natürlich die Frage, weshalb nicht schon viel früher Trockenschleiflösungen verfügbar waren. Die Herausforderung bei den Schleifmitteln für den Feinschliff ist, das Zusetzen der Zwischenräume bei den Schleifkörnern und das Erwärmen des Schleifmittels zu verhindern. Denn sobald dies auftritt, kommt es auf der Oberfläche zu den charakteristischen Schleifspuren in Kringelform. «Diese Problematik können die Hersteller mittlerweile mit einer speziellen Beschichtung der Schleifmittel lösen», erklärt Christen, der ein Trockenschleifsystem des ursprünglich japanischen Herstellers Kovax verkauft. Nach dem Aufbringen der Schleifkörner überzieht der Hersteller diese mit einer Art Folie. Beim Schleifvorgang wird diese dann an der Spitze der Körner durchbrochen, die Zwischenräume bleiben aber quasi versiegelt. So wird verhindert, dass sich Schleifstaub in den Zwischenräumen festsetzt und sich das Schleifmittel zu stark erwärmt. Gemäss Martin Christen gibt es aber noch viele andere Faktoren, die einen Einfluss auf das Schleifergebnis haben. Wie bei Fräswerkzeugen kommt es hier auch auf die Fertigungspräzision der Schleifmittel an. «Bei der P-Körnung gibt es gemäss Norm ebenfalls gewisse Toleranzen. Steht mal ein grös-seres Korn vor, kann es sein, dass dadurch wiederum kleine Kratzer entstehen, die erst bei den nachfolgenden Arbeitsschritten zum Vorschein kommen.» Darüber hinaus muss man beachten, dass viele Hersteller ihre sehr feinen Schleifmittel, wie man sie zum Polieren benötigt, mit einer eigenen Bezeichnung versehen. Somit lassen sie sich nicht direkt mit der P-Körnung vergleichen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Hersteller etwas zu verbergen hätten. Oft werden neuartige Schleifmittel mit speziellen Verfahren hergestellt, die einfach nicht von der Norm erfasst sind. «Darum darf die Körnung auch nicht mit einem P deklariert werden», erklärt Christen.

Systemvorgaben einhalten

Aus diesen Gründen wird empfohlen, sich an die Vorgaben des Schleifsystems zu halten. Das heisst, der Anwender sollte auf derselben Fläche nur Schleifpapiere vom selben Hersteller verwenden. Ebenfalls abgeraten wird vom Überspringen von Körnungen. «Natürlich kann man vom 800er direkt auf das 1500er wechseln. Unter dem Strich dauert es aber viel länger, bis man so alle Spuren vom groben Papier entfernt hat, als wenn man Schritt für Schritt vorgeht», sagt Leo Schwander.

Zum Einhalten des Systems gehört auch die Verwendung der jeweils empfohlenen Zwischenteller beim Feinschliff vor dem Polieren. Denn je feiner das Schleifpapier, desto weicher ist der Zwischenteller in der Regel. «Beim Feinschliff sollte die Oberfläche ja bereits plan sein, also braucht es auch keine harten Schleifteller mehr», erklärt Martin Christen. Hinzu kommt, dass für den Feinschliff keine Teller mehr mit den normalen Klettflächen verwendet werden können. Das liegt daran, weil das Trägermaterial der Schleifmittel in diesem Bereich nicht mehr aus Papier oder Geweben besteht, sondern aus sehr dünnen Folien. Kletthaken könnten sich hier abzeichnen und wiederum die Gefahr von Schleifkratzern vergrössern.

Maschinenanforderungen

Weniger eine Rolle spielt dafür die Wahl des Exzenterschleifers: Mit den heutigen Schleifmitteln kann auch mit einem Hub von 5 mm gearbeitet werden – sofern das Ergebnis stimmt. Ob der Schleifer elektrisch oder pneumatisch betrieben wird, hängt von der jeweiligen Vorliebe des Anwenders ab. Gemäss Christen setzen aber viele Kunden auf elektrische Modelle: «Aufgrund des höheren Eigengewichtes muss man die Maschine eigentlich nur führen und keinen zusätzlichen Druck darauf geben.» Das hat den Vorteil, dass mit gleichmässigerem Druck geschliffen wird.

Anders sieht es bei Poliermaschinen aus. Hier lohnt sich die Investition in ein robustes Modell, am besten mit Getriebeuntersetzung für tiefe Drehzahlen, denn bei vielen Maschinen lässt sich die Tourenzahl nur elektronisch verringern. Aufgrund der niedrigen Drehzahl des Elektromotors wird dieser weniger gekühlt, was sich negativ auf die Lebensdauer auswirken kann. Insbesondere, wenn die Poliermaschine mit einer grossen Scheibe im Dauereinsatz ist.

Feinschliff auf Breitbandmaschine?

Ein grosses Thema ist ausserdem der Zwischen- und Feinschliff mit der Breitbandschleifmaschine. Dank CNC-Technik werden in diesem Bereich mittlerweile gute Ergebnisse erzielt. Auch für Leo Schwander ist dies durchaus ein gangbarer Weg, weil dadurch sehr plane Oberflächen möglich sind. «Aber es ist eine diffizile Angelegenheit: Sobald das Band verklebt oder irgendwo ein Staubkorn dazwischen gerät, besteht wieder die Gefahr von Kratzern», sagt Schwander. Um dies möglichst zu verhindern, wird der letzte Feinschliff vor dem Polieren oft doch noch von Hand ausgeführt. Eine perfekte Hochglanzoberfläche braucht ohnehin viel Geduld – und Zeit: «Wenn ein Betrieb zum ersten Mal selber hochglanzlackiert, sollte der Chef am besten die Augen zuhalten und gar nicht auf die Stunden schauen», empfiehlt Leo Schwander. All die neuen Abläufe müssen sich zuerst einspielen. Denn wird der Lack zum Beispiel zu früh geschliffen, besteht auch mit dem besten Schleifmaterial die Gefahr des Verklebens. Oder der Lack fällt später zusammen, und die Tiefenwirkung der Hochglanzoberfläche geht verloren.

www.spraytechnik.chwww.festool.ch

ph

Veröffentlichung: 04. Februar 2016 / Ausgabe 5/2016

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