Herausfordernde Umstände

Digitalisierung und Automatisierung in der Branche haben Auswirkungen auf die Arbeitsweise in den Schreinereien. Illustration: Pixabay

Arbeitsteilung.  In den meisten Schreinereien ist der Büroanteil in den letzten Jahren gestiegen und tut dies auch weiterhin. Die Schreinerzeitung hat nachgefragt, woran das liege, was für Auswirkungen diese Entwicklung habe und welche Punkte man als Unternehmen beachten sollte.

Beim Besuch mancher Schreinerei hört man vom Umstand, dass der Büroanteil in den letzten Jahren sehr stark zugenommen hat. Der Anteil planender Mitarbeiter nimmt im Verhältnis zu den produzierenden Mitarbeitern tatsächlich zu, auch wenn man diese Tatsache nicht einheitlich auf alle Betriebe der Branche abbilden kann. Diese Veränderung ist zu einem grossen Teil dem Umstand geschuldet, dass die Planung im Werkauftrag immer komplexer und umfänglicher wird. In der Werkstatt kommen die geplanten Daten anschliessend direkt auf die Maschinen und die CNC übernimmt die Fertigung. Dadurch benötigt es in der Produktion, im Verhältnis zur Planung, weniger Mitarbeitende.

Abhängig von Grösse und Organisation

Früher fand man in den meisten Schreinereien ein Verhältnis von einem Viertel Büro und drei Vierteln Produktion vor. Heute redet man bei einer durchschnittlichen Schreinerei im Schnitt bereits von einem Büroanteil von 40 bis 45 Prozent. «Schaut man sich grössere oder stärker automatisierte Schreinereien an, kann der Büroanteil auch schon 50 Prozent oder höher ausfallen», sagt Urs Scherer, Unternehmensberater und Partner bei der Tre Innova AG aus Hünenberg ZG. Diese Entwicklung nimmt weiter zu und kann in praktisch jedem Schreinerbereich beobachtet werden. Zum einen nimmt aufgrund der höheren Anforderungen und komplexeren Ausschreibungen der Planungsaufwand zu, und zum anderen benötigt die Automatisierung, wie bereits erwähnt, ebenfalls mehr Manpower im Bereich der Datenaufbereitung und des Datenmanagements.

Die Schreinerei Spicher AG aus Brugg AG ist eine mittelgrosse Schreinerei mit Fokus auf Küchen, Möbel und Innenausbau und hat ein Verhältnis von einem Drittel Büro zu zwei Dritteln Produktion. «Aktuell beschäftigen wir 28 Mitarbeitende. Davon 4 im Verkauf, 4 in der Projektleitung und Avor, 1 Produktionsleiter und 1 Sekretärin. In der Produktion bilden wir 4 Lehrlinge aus und beschäftigen 12 Schreiner und 2 Monteure», sagt Samuel Blaser, Inhaber und Geschäftsführer der Schreinerei. Das Unternehmen hat vor Kurzem erfolgreich eine neue, vertikale CNC mit durchgängiger Anbindung an Vectorworks und Swiss Soft in den Produktionsprozess integriert. «Aktuell stellen wir die Produktion Schritt für Schritt um. Wodurch anzunehmen ist, dass danach auch bei uns der Büroanteil steigen wird», sagt Blaser. Durch die neue Maschine wird auch eine höhere Produktivität erzielt und der Grad der Automatisierung in der Fertigung steigt. «Die steigende Flexibilität und Produktivität ab Losgrösse eins sowie die Vernetzung der Betriebe untereinander sehe ich als grosse Chance. Die Abhängigkeiten von IT- und Softwarefirmen sowie von Maschinenherstellern muss man als Unternehmen jedoch im Auge behalten», sagt Blaser. Zudem rät Urs Scherer, dass man sich immer einen Plan B bereithält: «Für Einzel- oder Sonderteile sollte immer situativ die Möglichkeit bestehen, diese direkt auf der Maschine programmieren zu können.»

Komplexere Anforderungen

In Werkaufträgen werden Bauteile mit komplexeren Anforderungen, wie beispielsweise Türen, immer öfters fertig geprüft, konfiguriert und produziert zugekauft, was wiederum zu weniger Produktionsanteil führt. «Durch die  Verschiebung fällt die Wertschöpfung der produzierenden Mitarbeiter weg und der Planungsaufwand steigt überproportional. Wenn dieser nicht verrechnet wird, stimmen die Zahlen Ende Jahr nicht mehr», sagt Peter Liechti, Inhaber der Tiger GmbH aus Gümlingen BE. Das Unternehmen ist auf die Fachberatung und Expertise im Türenbereich spezialisiert. Durch die nicht abgewälzten Projektierungskosten fehlt das Geld am Ende des Jahres auch in der Kasse. «In der Schreinerbranche wird der Projektierungsaufwand in der Regel pauschal im Werkpreis verrechnet und nicht, wie in anderen Branchen, aufwandbezogen», sagt Blaser. Und weil der Projektierungsaufwand nicht explizit geltend gemacht wird, gibt es mehr Änderungswünsche in der Planung.

Komplexere Planungsaufgaben

Die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Durchgängigkeit von modernen Planungsinstrumenten sind für den Schreiner essenziell, um im modernen Marktumfeld bestehen zu können. Die Werkzeuge sind eine enorme Entlastung, sorgen aber auch für einen Mehraufwand in der Planung und im Datenunterhalt. «Die Arbeitsvorbereitung, sprich Avor, wird mit den durchgängigen Systemen komplexer in der Bedienung, das führt bei grösseren Plananpassungen zu einer längeren Änderungszeit», sagt Blaser. Zusätzlich steigt auch die Fehlerquote. Diese zusätzliche Belastung gilt es als Unternehmen im Blick zu behalten und seine Mitarbeiter zu sensibilisieren. «Der Druck auf die Avor nahm in den letzten Jahren enorm zu. Diese Mehrbelastung wird von den Unternehmen durch den Ausbau des administrativen Bereichs aufgefangen», erklärt Scherer. Wegen der durchgängigen Automatisierung fallen allerdings Fehler, die früher beim Zuschnitt oder an der CNC entstanden sind oder idealerweise entdeckt wurden, praktisch immer auf die Avor zurück. Teilweise werden Planungsfehler sogar erst auf der Baustelle ersichtlich. Je später ein Fehler aber erkannt wird, desto grösser sind in der Regel die Folgekosten. «Diese hohe Dauerbelastung führt auch dazu, dass Fachkräfte aus der Projektleitung und Avor abspringen oder die Branche sogar ganz verlassen», sagt Scherer. Dadurch wird der aktuell herrschende Fachkräftemangel zusätzlich verschärft.

Herausforderung für alle Bereiche

Die Situation verschärft sich auch in der Produktion selbst. Auch hier wird es immer schwieriger, geeignete Fachkräfte zu finden und zu halten. «Durch die Automatisierung und die Vorlagerung herausfordernder Arbeitsschritte reduzieren sich die Anforderungen in der Produktion», sagt Scherer und fügt an: «Auch für klassische Maschinisten, die gerne direkt an der Maschine programmiert haben, wird der Beruf uninteressanter.» Es kommt zu Unter-, aber auch Überforderungen, die man als Unternehmen im Auge behalten sollte. «Der normale Mitarbeiter kommt immer mehr ins Hintertreffen. Es wird immer mehr technisches Verständnis vorausgesetzt, weshalb ältere oder wenig technisch affine Menschen den Anschluss verlieren können», sagt Liechti.

Kommunikation als Schlüsselelement

Die richtige Herangehensweise an diese Thematik ist zentral, wenn es um das erfolgreiche Meistern dieser Herausforderungen geht. «Wir wollen mit einer offenen Kommunikation und einer effizienten und strukturierten Arbeitsweise unseren Kunden möglichst früh aufzeigen, wann welche Entscheide getroffen sein müssen und welche Leistungen in den einzelnen Phasen der Projektierung enthalten sind», sagt Blaser und meint weiter: «Generell sollten wir Schreiner selbstbewusster zusammenstehen und das Abwälzen von Projektierungskosten offensiver angehen.»

www.spicher.chwww.tigergmbh.chwww.treinnova.ch

Feedback zum Thema

Die Schreinerzeitung ist interessiert zu hören, wie die Thematik bei anderen Schreinereien, Herstellern und Zulieferern ausschaut. Feedbacks und Erfahrungen können gerne per Mail an redaktion[at]schreinerzeitung[dot]ch gesendet werden.

Noah Gautschi, NJG

Veröffentlichung: 10. November 2022 / Ausgabe 45/2022

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