Im Durchlauf lackieren

Am Aufgabetisch hat man dank verschiedener Kameras die ganze Anlage im Blick. Bild: Philipp Heidelberger

Lackierautomaten.  Die Automatisierung macht auch vor dem Oberflächenbereich nicht halt. Eine Ostschweizer Firma hat unlängst in eine neue Lackieranlage investiert. Dieses Beispiel zeigt auf, wie so ein Konzept aussehen kann und welche Überlegungen dabei stattgefunden haben.

Möglichst gleichmässig mit fliessenden Bewegungen, im richtigen Abstand und mit der passenden Menge: Das Lackieren von Hand braucht viel Gefühl sowie Erfahrung und ist eine Kunst. Aufgrund der Digitalisierung und Automatisierung kommen aber auch im Oberflächenbereich immer mehr Lackieranlagen zum Einsatz.

Auf Messen zeigen Hersteller wie Cefla, Giardina, Bürkle, Superfici oder Venjakob gewaltige Anlagen. Diese sind für den Schweizer Markt eher weniger ein Thema. Wie in anderen Bereichen lassen sich solche Konzepte aber auch in einem für die Schweiz adäquaten Massstab umsetzen. Eine solche Lackieranlage steht bei der Zurbuchen AG in Amlikon TG. Das Unternehmen produziert auf einer Fläche von gut 7500 Quadratmetern Büro- sowie Objekteinrichtungen und Holzkomponenten und bearbeitet auch Lohnaufträge. Deshalb hatte man bereits vor 16 Jahren eine Lackierstrasse installiert. Ihr Alter machte sich aber bei der Zuverlässigkeit bemerkbar und die Anlage kam langsam ans Ende ihrer Lebensdauer.

Ist Nasslackieren noch zeitgemäss?

Dass die alte Lackieranlage durch eine neue ersetzt wird, war gemäss Christoph Zurbuchen allerdings nicht von Anfang an klar: «Wir haben uns auch gefragt, ob das Nasslackieren künftig noch zeitgemäss ist», erzählt der Betriebsleiter. Immerhin gibt es mittlerweile auch sehr gute Dekore in einer immensen Vielfalt. Über die Jahre hatte man sich aber ein grosses Know-how im Oberflächenbereich erarbeitet. Zudem hätte man auch die bestehenden Produktelinien und sämtliche Auftritte umstellen müssen. Insofern war die Schwelle für die Aufgabe des Nasslackierens bereits sehr hoch. Ausschlaggebend für die Beibehaltung waren aber die Verfügbarkeiten und Lieferfristen der Dekore. «Oft entscheidet der Kunde erst sehr spät, was für eine Oberfläche er will. Da hat man beim Nasslackieren einfach Vorteile», sagt Christoph Zurbuchen.

Lacksysteme und VOC

Leider sind damit auch die VOC-Abgaben immer ein Thema. Diesem musste sich die Firma Zurbuchen aber schon in der Vergangenheit stellen. Der Kanton machte dem Unternehmen schon früh Vorgaben für die Reduktion der VOC. Gemäss Zurbuchen setzte man sich deshalb schon länger mit Wasserlack auseinander. «Heute machen bei uns Lösemittellacke nur noch einen Anteil von etwa 30 Prozent aus.» Ausserdem werden auch von vielen Kunden Lacke auf Wasserbasis gefordert, das Vertrauen in diese Produkte sei gestiegen. «In manchen Bereichen erreichen wir mit Wasserlack und UV-Härter sogar widerstandsfähigere Oberflächen als mit DD-Produkten», sagt Christoph Zurbuchen.

Solche grundsätzlichen Gedanken sind essenziell für die Evaluation einer neuen Lackieranlage. Denn sie haben einen wesentlichen Einfluss auf das gesamte Konzept.

Nassfilter im Fokus

Da man weiterhin beide Lacksysteme verarbeiten wollte, stellte sich beispielsweise die Frage der Filtertechnik. Bei der alten Anlage hatte das Unternehmen klassische Trockenfilter im Einsatz. Diese sind technisch sehr einfach und es spielt keine Rolle, ob Wasser- oder Lösemittellack verarbeitet wird. «Über die Jahre haben wir aber gemerkt, dass es je nach Zustand des Filters bei der Absaugleistung grosse Unterschiede gibt», erklärt Christoph Zurbuchen. Dies habe dann teilweise zu Qualitätsschwankungen geführt.

Aus diesem Grund rückte die als teuer und aufwendig geltende Nassfilter-Technik wieder in den Fokus. Tatsächlich erfordert diese einiges an Know-how. Insbesondere die Chemie muss man im Griff haben, gerade wenn verschiedene Lacksysteme gefahren werden. «Davor hatten wir grossen Respekt. Stimmt das Verhältnis von Spaltmittel und Zusatzstoffen nicht, könnte es zu einer Schaumbildung kommen, wodurch die Anlage im schlimmsten Fall geflutet wird», sagt Zurbuchen. Dennoch entschloss sich das Unternehmen, auf eine Nassfiltration zu setzen. Für zusätzliche Sicherheit sorgen Sensoren, welche eine Schaumbildung im Filter sofort erkennen und Alarm auslösen. Bisher sei dies aber noch nie vorgekommen. Und noch wichtiger: Durch die konstante Absaugleistung konnte man die gleichbleibende Qualität wie erwartet nochmals spürbar verbessern.

Absaugen auf vier Seiten

Interessant am Absaugkonzept ist zudem, dass der Sprühnebel auf vier Seiten abgesaugt wird. Möglich machen dies zwei hochklappbare Transportbrücken am Anfang und am Ende der Spritzanlage. Sobald sich ein Werkstück auf dem Lackiertisch befindet, klappen die Bänder hoch und geben so die darunterliegenden Absaugkanäle frei.

Allgemein legte man bei der Evaluation viel Wert auf den gesamten Lufthaushalt der Anlage. Am Ende waren noch zwei Anbieter mit unterschiedlichen Konzepten im Rennen: Eines sah eine grosse Lüftungsanlage, einen sogenannten Monoblock, vor. Das andere Konzept beinhaltete eine separate Lüftungsanlage für jeden Bereich. Das Unternehmen entschied sich dann für Letzteres vom italienischen Anbieter Giardina, weil die Platzverhältnisse gar keinen Monoblock zugelassen hätten. «Zudem können wir so jeden Bereich separat steuern, was natürlich ein grosser Vorteil ist», sagt Christoph Zurbuchen.

Papier statt Stahl

Als Transportband dient in der Lackieranlage ein Förderband, welches mit einem Papierband abgedeckt ist. Bei der alten Anlage hatte das Unternehmen noch ein Stahlband, das abgerackelt wurde. Die Justierung sei aber relativ umständlich gewesen und man habe eher die Tendenz gehabt, dass Lack zwischen Werkstück und Band reingezogen wird. Papier hat hier den Vorteil, dass es ein gewisses Mass an Flüssigkeit aufsaugen kann. Dadurch gelangt kaum noch Lack unter das Werkstück. Selbstverständlich muss aber das Papier auch entsorgt werden. «Wir haben hier eine gute Lösung mit einem lokalen Entsorgungsunternehmen gefunden. Im Moment erhalten wir pro Tonne sogar noch ein paar Franken», erzählt Zurbuchen. Er weist zudem darauf hin, dass das Abrackeln des Stahlbandes bis zu 50 Liter Lösemittel pro Tag benötigte.

Roboter für dicke Teile

Einen Entscheid treffen musste das Unternehmen auch bei der Lackiertechnik: Schlittensystem oder Roboter? Ersteres erlaubt höhere Geschwindigkeiten und somit einen grösseren Durchsatz. Dafür gibt es gewisse Nachteile, was das Einstellen des Lackierstrahls auf der Kante angeht. Insbesondere bei sehr breiten Kanten, sprich dicken Werkstücken, kommt diese Technik an ihre Grenzen. «Wir wollten aber auf der neuen Anlage auch Türblätter bis 90 Millimeter beschichten können», erklärt Zurbuchen. Deshalb wählte man die Roboterlösung. Dessen Geschwindigkeit ist zwar nicht ganz so hoch, dafür kann der Sprühstrahl immer exakt auf das jeweilige Werkstück ausgerichtet werden. So lässt sich jede Fläche im idealen Winkel lackieren.

Geschliffen wird am Schluss

Im Anschluss an die Lackieranlage folgt eine Entnahmestation für die Qualitätskontrolle. Danach gelangen die Teile in einen Lufttrockner, in welchem sich der Lack setzen und vernetzen kann. Von dort werden die Teile in den UV-Trockner transportiert, wo der Lack vollständig aushärtet.

Direkt nach dem Trocknen folgt eine Lackschleifmaschine von Kündig. Das ist insofern speziell, weil sich bei den meisten Anlagen die Schleifstation direkt vor der Lackiereinheit befindet. «Das erachten wir als nicht ideal. Hat es nach dem Schleifen noch irgendwo einen kleinen Fehler drin, dann sieht das niemand und das Teil läuft durch die ganze Anlage», sagt Zurbuchen. Deshalb befindet sich bei ihnen der Lackschliff am Ende des ganzen Prozesses. So kann der Mitarbeiter das Werkstück nochmals kontrollieren und falls nötig nachbessern, bevor es zum Lackieren geht.

Das Handling erfolgt an dieser Stelle mit einem automatischen, verschiebbaren Förderband. Um die Mitarbeiter zusätzlich zu entlasten, wurde nach der Schleifmaschine eine Wendeeinrichtung installiert.

Lackieren verstehen

Die ganze Installation und Umstellung auf die neue Anlage dauerte rund zehn Wochen. Während dieser Zeit wurden alle Teile von Hand in der Lackierkabine beschichtet. Das sei schon eine lange Zeit gewesen. «Aber besser man macht die Arbeit richtig und hat eine Anlage, die funktioniert», sagt Christoph Zurbuchen. Denn auch bei automatisierten Lackieranlagen braucht es Fachwissen und Fingerspitzengefühl, um Parameter wie Abprallfaktoren oder Luftpolster richtig zu berücksichtigen.

www.zurbuchen.comwww.giardinagroup.comwww.kuendig.ch

ph

Veröffentlichung: 20. Juni 2019 / Ausgabe 25/2019

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