Immer mit Feingefühl

Das Fachliche ist zwar sehr wichtig, doch in der Lehre zählen auch die Soft Skills. Bild: André Raul Surace

Berufsbildner.  Die Aufgabe der Berufsbildner ist anspruchsvoll. Im Umgang mit Lernenden tragen sie eine hohe Verantwortung. Irene Schuler Stäger, Leiterin Grundbildung beim VSSM, erklärt, wo die grossen Herausforderungen liegen.

Standby: Welche Eigenschaften sollten Berufsbildner unbedingt mitbringen?
Irene Schuler Stäger: Sie brauchen nicht nur eine hohe Fachkompetenz, sondern auch Empathie. Man muss selber für den Beruf brennen, um bei den Lernenden ein Feuer entfachen zu können. Man muss eine klare Linie haben, ein verlässlicher Partner sein und auf Situationen reagieren können. Man muss Freude am Umgang mit Jugendlichen und am Schreinerberuf haben.

Welches ist die Hauptaufgabe von Berufsbildnern?
Die Hauptaufgabe ist die fachliche Ausbildung der Lernenden und die Bildung und Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen, damit die Jugendlichen zu selbstständig denkenden und handelnden Personen werden. Es braucht die sogenannten Soft Skills, also die Fähigkeiten im Umgang mit den Arbeitskollegen und Kunden, genauso wie das Fachliche.

Welche Erwartungen haben Berufsbildner an ihre Lernende?
Sie erwarten von den Lernenden Engagement, Anstand und Interesse. Wir hören immer wieder, dass manche Betriebe die Lernenden, die sie gerne hätten, nicht mehr bekommen. Oder die Jugendlichen würden gewisse Eigenschaften, wie zum Beispiel Sozialkompetenz, nicht mehr mitbringen. Das fängt damit an, dass man «guten Morgen» sagt, wenn man im Betrieb ankommt. Manche müssen das erst regelrecht lernen, wenn sie eine Lehre beginnen.

Wo liegen die Herausforderungen, die an die Berufsbildner gestellt werden?
Sie begleiten die Transformation vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen. Die grosse Herausforderung ist, im stressigen Alltag genug Zeit für die Lernenden aufzuwenden. Der Lernende verändert sich auch über die Jahre. Das Fordernde ist meist nicht das Fachliche, sondern das Pädagogische ist anspruchsvoll.

Wie können Berufsbildner Lernende unterstützen?
Indem sie sich für die anderen Lernorte interessieren, also für die überbetrieblichen Kurse und die Berufsfachschule. Was ist der Stoff, wann sind die Prüfungen, wie lief die Prüfung des Lernenden? Berufsbildner können im Betrieb auf dem dort Gelernten aufbauen und daran weiterarbeiten. Theorie und Praxis zusammenbringen, lautet die Devise. Weiter ist es wichtig, Interesse am Jugendlichen selber zu zeigen. Schliesslich ist die Berufsbildnerin oder der Berufsbildner während der Arbeit für die Lernenden die nächste Bezugsperson.

Wie können Berufsbildner die Jugendlichen im Alltag motivieren?
Sie sollen sich regelmässig in Erinnerung rufen: «Wie ging es mir, als ich in der Lehre war?» Es braucht Erfolgserlebnisse bei den Lernenden. Sie sollen nicht immer nur getadelt, sondern auch gelobt werden, wenn sie etwas gut gemacht haben. Das heisst nicht, dass man nicht kritisieren darf, aber es braucht konstruktive Kritik.

Was kann ein Lernender tun, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt?
Das ist für einen Lernenden schwierig, weil er in der Hierarchie ganz unten steht. Er braucht deshalb aber keine Angst zu haben. Wenn mit dem Berufsbildner reden nicht geht, dann kann er sonst jemanden ansprechen, zu dem er einen guten Zugang hat. Vielleicht können auch die Eltern des Lernenden mit dem Betrieb das Gespräch suchen. Wichtig ist, dass man als Lernender nicht die Faust im Sack macht, sondern rasch das Gespräch sucht. So können Lösungen gefunden werden.

Warum kommt es trotzdem zu Vertragsauflösungen?
Bei der Lehrvertragsauflösung muss man ankreuzen, warum man aufhört. Es zeigt sich, dass die Lernenden oftmals überfordert sind mit der Lehre, sodass die Leistungen zu schwach sind. Oder es kommt vor, dass der falsche Beruf gewählt worden ist. Das kommt vielfach daher, dass die Eltern Einfluss auf die Wahl der Lehre haben. Berufe, welche die Eltern kennen und vorschlagen, werden öfter gewählt. Im Schnitt kennen Eltern aber nur wenige Berufe gut genug. Manchmal haben Berufsbildner auch schlicht zu wenig Kapazität, um ein Problem zu bemerken und es zu lösen, wenn der Lernende nichts sagt. Abbrüche kommen manchmal auch daher, dass ein Lernender die ganze Zeit im gleichen Betrieb mit dem gleichen Berufsbildner verbringt. Wenn sie nicht miteinander auskommen, dann funktioniert es halt einfach nicht. Ein bewährtes Mittel ist zu rotieren, damit der Lernende verschiedene Abteilungen kennenlernt und verschiedene Bezugspersonen hat. Eine weitere Möglichkeit ist auch der Austausch von Lernenden zwischen Lehrbetrieben.

Was passiert bei einem Abbruch?
Dann wird das Amt für Berufsbildung involviert. Dieses hat die Aufsicht über die Qualität der Ausbildungen. Es hilft, eine andere Lösung zu suchen. Bei der falschen Berufswahl muss man sich neu orientieren.

Haben Sie einen Tipp an Lernende?
Regelmässig die Lerndokumentationen im Betrieb schreiben und den Stoff der Berufsfachschule lernen und repetieren. Wenn ein Lernender viele Stunden lernt und es nichts bringt, dann sollte er mit dem Berufsfachlehrer das Gespräch suchen, eventuell arbeitet man nicht mit der richtigen Lerntechnik. Aufwand und Ertrag müssen am Ende aufgehen. Man muss lernen, richtig zu lernen und offen zu sein für neue Dinge, bei denen man vielleicht noch nicht ganz sieht, wofür sie gut sein sollen.

www.vssm.ch

Knigge für Lernende

Was den Berufsbildnern wichtig ist:

  • Höflichkeit und Respekt
  • Grosser Einsatz (in der Schule und am Arbeitsplatz)
  • Gepflegte Erscheinung
  • Verantwortung übernehmen
  • Einhaltung der Arbeitszeiten (Kaffee- und Mittagspause)
  • Regelmässiges Feedback geben und annehmen (Schule, ÜK und Arbeitsplatz)
  • Probleme und Schwierigkeiten ansprechen
  • Initiative ergreifen
  • Kein Handy am Arbeitsplatz
  • Minimaler Gebrauch des Internets für private Zwecke
  • Aufgeräumter Arbeitsplatz
  • Einhaltung des Firmengeheimnisses und Diskretion
  • Teamfähigkeit
  • Ehrlichkeit
  • Rechtzeitiges Informieren bei Abwesenheiten
  • Loyalität
  • Sorgfältiger Umgang mit dem Material
  • Keine Drogen
     

AJ

Veröffentlichung: 05. Mai 2018 / Ausgabe 1-2/2018

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