Jenseits von Eichen

Die Ulme liefert als Einzige sogenanntes Kernreifholz. Dies zeigt sich mit attraktiven Strukturunterschieden und einzigartiger Maserung, auch bei farbiger Oberfläche. Bild: spholzdielen/Gfeller AG

Parkettvielfalt.  Im Schweizer Wald wachsen viele Hölzer. Beim Parkett findet sich diese Vielfalt im Moment jedoch kaum; die Eiche dominiert das Feld gänzlich. Dabei lassen sich viele Hölzer in grossen Formaten und unterschiedlichster Oberflächenausbildung für Parkett verwenden.

Derzeit kommt man kaum darum herum, in einem Artikel über Parkett die Holzart Eiche prominent zu platzieren. In diesem Beitrag ist das anders. Denn auch Fachleuten ist es inzwischen etwas langweilig geworden mit den Tausenden Varianten an Eichenparkett am Markt. Vor allem aber muss man sich einmal in die Rolle eines Kunden versetzen, der sich einen Parkettboden wünscht.

Spätestens nach der Sichtung des dritten Sortiments von Parkettanbietern sieht man das Holz vor lauter Eiche nicht mehr. Man muss es einmal probieren – sich durch die dicken Kataloge kämpfen. Manche Produzenten zeigen achtzig Seiten Eiche und dann noch zwei, drei Alternativen dazu. Da hilft dem Kunden keine Strategie, wie die Festlegung auf das Format, die Farbe oder das Oberflächenfinish, so dominant und unüberschaubar ist inzwischen das Angebot in Eiche für den Boden. «Der Anteil an Eiche beim Parkett liegt mittlerweile bei über 90 Prozent», erklärt Marc Quirici, Geschäftsführer der Atlas Holz AG im st.-gallischen Trübbach.

Auf dem Boden der Tatsachen

Und das ist nicht nur in der Schweiz so, sondern in vielen Ländern Europas, wie auch die offiziellen Zahlen zeigen. Bereits 2015 erreichte der Anteil an Eichenholz beim Parkett in Europa die Marke von 77,7 %. Tendenz weiter steigend, wie Isabelle Brose von der Föderation der europäischen Parkett-Industrie (FEP) zu berichten weiss. Es ist kein Geheimnis, dass andere Holzarten neben der Eiche inzwischen kaum mehr eine Rolle beim Parkett spielen. Die gleiche Statistik weist für Esche noch einen Anteil von 5,6 % aus. Auf Buche entfallen 3,8 % und auf die tropischen Holzarten zusammengenommen 4,5 %. Mit Ausnahme der Walnuss mit 1,4 % liegen alle anderen Hölzer unterhalb eines Prozents bei der Mengenverteilung. «Momentan läuft alles über Eiche. Es ist vom Verhalten her das problemloseste Holz für einen Fussboden und sowohl für die modernen Techniken wie das Bürsten, das farbige Ölen, das Hobeln als auch für sägeraue Oberflächen bestens geeignet», erklärt Hansruedi Eugster, vom gleichnamigen Verlegebetrieb in St.Gallen.

Die Problematik der Gleichgültigkeit

Dass Holzmoden noch intensiver als in der Vergangenheit auftreten, zeigt sich seit einigen Jahren. Beginnend mit dem Nussbaum, wurde die Dominanz bei Möbeln von der Eiche abgelöst und ist noch vorherrschender als davor die Nuss. «In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich der Trend verstärkt, und aktuell bieten alle Hersteller eine breite Auswahl an Eichen-Parkett an. Auch im Bereich Laminat oder Vinyl sieht man hauptsächlich ‹Eiche-Dekore› im Sortiment», weiss Roger Kuratle, Geschäftsführer der Ticinora SA in Muralto TI.

Die Parketthersteller unternehmen viel, um sich mit Eiche noch unterscheiden zu können. Denn wenn alle das Gleiche anbieten, wird eine Differenzierung schwierig. Ein positiver Effekt dabei ist, dass der Erfindergeist bezüglich Oberflächen und Formaten zunimmt. Problematisch dabei ist jedoch: Viel geht über den Preis, wenn für den Konsumenten am Ende die Eiche gleich Eiche ist.

Hinter vorgehaltener Hand klagt so mancher Hersteller über die so entstandene wirtschaftliche Zwangsjacke. «Die traditionelle Landhausdiele ist extrem unter Preisdruck. In der Schweiz fast noch stärker als im umliegenden Ausland. Hier verkaufen die Hersteller mit Minimalmargen, und bei Kunden werden damit kaum noch Emotionen geweckt», so Quirici. Eine Übersättigung des Marktes sieht auch Kuratle: «Tausende Quadratmeter Eiche werden in Überbauungen verlegt, die Preisspirale dreht sich nach unten und das Produkt Parkett verliert an Exklusivität und Individualität.»

Die gute Entwicklung abfärben lassen

Glaubt man den Marketingexperten und Trendforschern, so hat der Eichenhype auch etwas mit dem Wunsch der Kunden nach dem Natürlichen, dem Wertigen, dem Echten und damit dem Handwerk zu tun. «Die Eiche ist meist bekannt, optisch schön, und der Baum steht für europäische Herkunft», so Kuratle. Dazu kommt die Sehnsucht nach Individualität. Doch diese wird ad absurdum geführt, wenn ein Trend alles beherrschend wird. Die Produzenten versuchen deshalb, sich vor allem durch grosse Formate wie die sogenannten Schlossdielen sowie handbearbeitete Oberflächenfinishs von der Masse zu unterscheiden. «Wir bieten mit unserer ‹Fürstlichen Schlossdielen-Kollektion› die Losgrösse eins an. Der Boden kann in Format, Stärke, Länge, Breite, Sortierung, Oberflächenstruktur und -behandlung individuell konfiguriert werden», erklärt Quirici.

Chance der Manufaktur

Wenn die Losgrösse eins mit ins Spiel kommt, rückt der Schritt hin zu mehr Varianten auch für andere Holzarten wieder näher. Denn in der Parkettmanufaktur lässt sich die Holzart leichter variieren als in einer grossen Serienfertigung. Während es bei Eichenparkett alles an Varianten gibt, sieht es bei alternativen Holzarten bislang oft dürftig aus. Dabei lassen sich diese natürlich ebenso exklusiv und vielseitig ver- und bearbeiten.

Das zeigen etwa die «Bündner Dielen» von der Holzwerkstoffe Gfeller AG. Diese gibt es auch in den Holzarten Nussbaum, Kirsche, Kastanie, Fichte, Lärche, Ulme oder Esche. «Den Boden fertigen wir in Längen bis zu zwölf Metern und Friesbreiten bis zu 400 Millimetern», erklärt Daiana Maissen, verantwortlich für den Bereich Boden beim Unternehmen. «Der Kunde hat darüber hinaus die Möglichkeit, das Parkett in einer besonderen Farbe oder Oberfläche zu bekommen und mit einer Spezialtrocknung, die dem Holz eine einzigartige Optik verleiht», so Maissen. Auch gelaugte, geseifte oder mit Wasserflecken versehene Oberflächen gehören zu den Varianten.

Suche nach dem Speziellen

«Jeder Trend wird von einem Gegentrend begleitet», weiss Kuratle. Und dabei setzt die Ticinoro SA mit dem neuen «Ticinoro Ondo» auf ein ungewohntes Format. In geschweifter Linienführung, basierend auf der Grundform des Rhombus, ist das Parkett aus Schweizer Kastanienholz gefertigt. «Unser Ziel ist es, Kunden ein Unikat zu liefern. Bauherren, die sich für Ticinoro Parkett entscheiden, suchen und wählen bewusst etwas Besonderes», zeigt sich Kuratle überzeugt. Der Schweizer Hersteller Bauwerk hat mit «Formpark» ebenfalls ein gänzlich anderes Format auf den Markt gebracht, das aber bislang ausschliesslich in Eiche verfügbar ist. Aber auch klassische Parkettformate tauchen wieder auf: «In den letzten Jahren sehen wir wieder vermehrt Fischgrat und Tafelparkett im Einsatz. Und auch andere Holzarten wie Douglasie, Lärche, Altholz in Fichte und Tanne kommen vor», weiss Quirici.

Die Experten sind sich darin einig, dass die Zahl der Architekten und Bauherren zunimmt, die das besondere Parkett suchen. Das ist hochwertig und möglichst regional erzeugt. Warum also nicht auf die ganze Palette der Hölzer zurückgreifen: Obsthölzer wie Birne oder Kirsche etwa; der Nussbaum und die Kastanie sowieso. Aber auch Esche und Ulme mit ihren ähnlich interessanten Holzstrukturen können Alternativen sein. Kein Holz lässt sich schöner matt seifen wie der Ahorn. Aber hell scheint nach wie vor nicht gefragt zu sein. Dann wären auch Platane oder die Robinie dunkle Alternativen. Oder zumindest die Roteiche? Man müsste es den Kunden halt auch zeigen können, damit sie wirklich die Wahl haben. Klar ist, der Schweizer Wald bietet viele Alternativen und – wenn die Eichenwelle vorbei ist, wird es heissen: «Es lebe die Eiche.» Und das ist gut so.

www.atlasholz.chwww.eugsterag.chwww.ticinoro.chwww.hws-gfeller.ch

ch

Veröffentlichung: 25. Mai 2017 / Ausgabe 21/2017

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