Jetzt noch den GAV abschliessen

«Die Arbeit im Zentralvorstand hat Freude gemacht.»: Sepp Popp. Bild: Patrik Ettlin

Zum Jahreswechsel.  Der Rheintaler Sepp Popp steht vor seinem letzten Halbjahr als Mitglied des VSSM-Zentralvorstands und der GAV-Kommission. Im Interview sagt er, dass er vor seinem Rücktritt das GAV-Dossier unbedingt schliessen will – trotz eines neuerlichen Rückschlags.

Schreinerzeitung: Herr Popp, letztes Jahr hat sich einiges getan. Nachdem der GAV Ende 2020 gescheitert war, hat es jetzt doch noch geklappt mit einer Einigung zwischen den Sozialpartnern.
Sepp Popp: Wenn ich vor Weihnachten die Post nicht aufgemacht hätte, würde ich Ihnen vollumfänglich zustimmen. Doch leider habe ich sie aufgemacht. Darin stand, dass beim Seco unternehmerseitig zwei Einsprachen gegen die Wiedereinführung des GAV eingegangen sind. Das bedeutet, dass der GAV nochmals eine Ehrenrunde einlegt. Wir hatten gedacht, dass wir das Thema endlich abschliessen können.
Was heisst das jetzt genau?
Die Einsprachen haben zur Folge, dass der neue GAV bis zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch den Bundesrat nur für VSSM-Mitglieder gilt. Das wollte man ja eigentlich vermeiden, weshalb beide Seiten stark aufs Tempo gedrückt hatten. Es bleibt die Hoffnung, dass die Einsprachen möglichst bald erledigt sind und der GAV Gültigkeit für die ganze Branche bekommt.
Die Sache scheint Sie sehr zu ärgern ...
Ja, ich hatte mir sehr gewünscht, die GAV-Geschichte bis Mitte Jahr abschliessen zu können, so dass sich die Mitglieder der GAV-Verhandlungsdelegation und meine Nachfolgerin, mein Nachfolger neuen Aufgaben widmen können. Natürlich hoffe ich das immer noch. Dass jetzt nochmals ein Dämpfer kommt, hatte ich nicht erwartet.
Eine Geschichte, die nicht enden will ...
Das kann man so sagen. Wobei wir ja eigentlich schon mal kurz vor dem Ziel waren, vor gut einem Jahr, als dann die Gewerkschaften den fertig vorliegenden GAV abschossen. Das kann ich immer noch nicht verstehen. Wäre das nicht gewesen, müssten wir uns jetzt nicht mehr mit diesem Thema herumschlagen. Ich muss leider feststellen, dass sich in solchen Fragen sehr viel geändert hat in den letzten Jahren.
Wie meinen Sie das?
Glauben Sie mir, auch früher rangen wir in den Verhandlungen sehr hart mit den Gewerkschaften. Es waren heisse, aber offene Diskussionen. Man war direkt, und das Abgemachte wurde respektiert. Heute fehlt es leider manchmal an Verlässlichkeit. Kompromisse werden beispielsweise nachträglich wieder umgestossen, was das Vertrauen stark beschädigt. Die Fronten haben sich verhärtet. Und das ist sehr schade.
Woran liegt das?
Ich weiss es nicht. Ich bin der Meinung, dass sich unsere Seite immer an die Abmachungen gehalten hat.
Themenwechsel: Das letzte Jahr war wieder geprägt durch die Coronapandemie. Wie hat sich in Ihren Augen die Branche in der Krise geschlagen?
Ich habe kein schlechtes Gefühl. Die meisten Betriebe konnten sich nicht über zu wenig Arbeit beklagen und sind eigentlich ganz gut über die Runden gekommen. Die Kundinnen und Kunden sind offensichtlich nicht ängstlich geworden und haben in ihre Häuser und Wohnungen investiert. Aber klar, es gibt auch jene Unternehmen, die in ein Loch gefallen sind.
Da waren doch noch die Lieferschwierigkeiten bei Holz und Holzwerkstoffen, die den Firmen das Leben erschwerten.
Diesbezüglich war vor allem der Preisanstieg ein Ärgernis. Wenn ich auf unseren Betrieb schaue: Wir haben das Material eigentlich immer gut bekommen. Wir verfügen über das Schweizer Label. Die Hersteller im Inland wie Swiss Krono und weitere konnten immer liefern. Aber es kommt natürlich darauf an, was man braucht. Holzbaubetriebe, die grosse Mengen an Dreischichtplatten benötigen, hatten sicher einen schwereren Stand, weil Dreischichtplatten mehrheitlich aus dem Ausland importiert werden müssen.
Sie haben sich viele Jahre in verschiedenen Gremien für die Schreinerbranche und für den VSSM engagiert, allen voran im Zentralvorstand. Fällt es Ihnen jetzt schwer loszulassen?
Es war eine gute, eine lehrreiche Zeit im Zentralvorstand. Die Arbeit wird mir sicher fehlen. Andererseits muss ich sagen: Es ist auch gut, dass nach zwölf Jahren Schluss ist.
Werden Sie der Branche in einzelnen Funktionen noch erhalten bleiben?
Kaum. Ich vertrete die Meinung, dass man einen Schlussstrich ziehen sollte und nicht teilweise aufhören kann.
Wer soll Ihr Nachfolger, Ihre Nachfolgerin werden?
Es ist ja nicht an mir, meine Nachfolge zu regeln. Aber ich finde, dass die Person auf jeden Fall jünger sein sollte als ich.
Die operative Leitung in Ihrer Schreinerei in Altstätten haben Sie vor drei Jahren Ihrem Sohn übergeben. Wann ziehen Sie sich ganz zurück?
Im September 2023 erreiche ich das Pensionsalter. Bis dahin wird die Übergabe abgeschlossen sein. Wir müssen die Liegenschaft noch schätzen lassen, dann sind wir im Prinzip bereit für den Vollzug.
Und was machen Sie danach mit all der Zeit, die Sie plötzlich haben werden?
Wenn man mich braucht, helfe ich gerne im Betrieb mit, aber nur dann. Daneben besitze ich ein Stück Wald, in dem ich einiges tun will. Ich mache Musik, unternehme Reisen mit dem Wohnmobil und besuche mit Freunden Spiele der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Darüber hinaus amte ich in Altstätten sicher noch in diesem Jahr als Präsident der ortsbürgerlichen Rhode Stadt und Vorstadt.

www.vssm.ch

Mit rund 98 Prozent Ja stimmten die Delegierten im November der Wiedereinführung des unveränderten GAV Weiterbildung und Gesundheitsschutz und dem Übergangs-GAV 2022 bis 2025 zu. Damit schien der Weg aus dem vertragslosen Zustand geebnet. Durch die beiden Einsprachen wird dieser nochmals etwas steinig, denn diese müssen zuerst vom Seco inhaltlich bewertet werden. Schon Ende 2020 hatte man geglaubt, in puncto GAV den Durchbruch geschafft zu haben. Die VSSM-Delegierten hatten einen neuen GAV genehmigt, doch sie lehnten gleichzeitig ein Vorruhestandsmodell ab. Dies wiederum gab den Gewerkschaften den Anstoss, das gesamte Vertragswerk fallen zu lassen.

Zur Person

Im Zeichen des GAV

Die Delegierten des VSSM wählten den Rheintaler Schreinermeister Sepp Popp 2010 in den Zentralvorstand. Wegen der Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren wird er im Sommer aus dem Amt ausscheiden. Als Mitglied der GAV-Kommission und der GAV-Verhandlungsdelegation war Popp in den letzten Jahren Teil des Kräftemessens zwischen den Sozialpartnern. Im Weiteren ist der 63-Jährige Präsident der Zentralen Paritätischen Berufskommission (ZPK) und Mitglied des Ausschusses für den Neubau auf dem Areal des alten Zentralsitzes in Zürich.

Popp ist in zweiter Generation Inhaber der Schreinerei Popp AG in Altstätten SG. Die operative Leitung des Betriebs hat er bereits vor drei Jahren an seinen Sohn Christian Popp übergeben.

www.schreinereipopp.ch

Martin Freuler, mf, mf

Veröffentlichung: 14. Januar 2022 / Ausgabe 1-2/2022

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