Kleinzeugs mit grosser Wirkung

Bei «Schatulla» von Ramon Zangger übernehmen die selbst entworfenen Bänder auch konstruktive Aufgaben. Bild: Remo Naegeli

MassAnfertigungen.  Wenn Schreiner spezielle Beschläge brauchen und sich damit an die Metallbranche wenden, treffen zwei Welten aufeinander. Warum man trotzdem immer wieder eigene Beschlaglösungen vorantreiben sollte, zeigen Beispiele, die für sich sprechen.

Manchmal entfalten kleine Dinge eine grosse Wirkung. Zweifellos gehören Beschläge dazu, wenn es um Entwurf und Konstruktion von Schreinerarbeiten geht. Nicht immer entsprechen gängige Modelle dabei den Zielen des Entwerfenden. Dann wird die Konstruktion oft abgeändert, oder man findet andere Lösungen. Zum Beispiel einen eigenen, punktgenauen Beschlag. Nicht wenige Lösungen wurden über die Zeit realisiert und verschwanden später wieder. Was bleibt, sind Möbel oder Bauelemente mit handwerklich gefertigten Sonderbeschlägen. So erging es auch einem Treppenbauer, der vor Jahren einen intelligenten Gratverbinder in Aluminium-Druckguss entwarf und am Ende feststellen musste: Wenn das Ganze wirtschaftlich sein soll, braucht es einen grossen Umsatz an Verbindern. Das ganze Projekt ist schliesslich eingeschlafen, mit möglichen Partnern aus der Beschlagindustrie wurde der Handwerker nicht einig, und die Produktion von Kleinserien war mit dem gewählten Verfahren nicht gut machbar.

Oft nach Skizze

Bei der Glaser Schlosserei und Schmiede in Binningen BL hat man schon so manches spezielle Band für Fenster oder Türen gefertigt, etwa mit verstärkten Befestigungen, oder kugelgelagerte Modelle.

«Dabei konnten wir mit einem Modell der Situation oder einer Skizze meist ohne aufwendige Zeichnungen konstruieren und fertigen. So war auch direkt zu sehen, welche Möglichkeiten es gibt, die Kräfte abzuleiten oder wo beim Drehen Probleme auftauchen könnten», sagt Inhaber Andreas Glaser. Deshalb existieren von den handwerklichen Lösungen auch keine genauen Zeichnungen. Die Kosten für eine solche Kleinserienfertigung von Metallteilen liegen natürlich deutlich höher als beim Kauf von Standardprodukten.

Dreh- und Angelpunkte

Einer, der sich schon lange mit individuellen Beschlägen beschäftigt, ist Schreiner Ramon Zangger aus dem Oberengadiner Samedan. Seine beiden unterschiedlichen Modelle von Schranktürbändern erfüllen auch konstruktive Aufgaben und haben gestalterische Wirkung. Frontseitig sichtbar, aus acht Millimeter starkem Chromnickelstahl gefertigt und eingegratet in das Massivholz, ermöglichen sie eine Öffnung der Türen um 270°. Der Drehpunkt ist dabei weiter nach aussen gerückt als üblich, was dem Benutzer ein erhabenes Gefühl beim Bedienen gibt. «Als Schreiner willst du die Tür oder die Klappe so öffnen können, wie du es dir vorstellst. Der Drehpunkt bestimmt dabei alles: Was das Holz alles darf und was das Metall können muss», sagt Ramon Zangger. Heute muss ein Beschlag oft in allen erdenklichen Richtungen eingestellt werden können, auch damit Ungenauigkeiten möglichst schnell gerichtet werden können. Es geht dabei um Zeit und Geld. Beim Beschlag von Zangger ist das natürlich anders: Dieser wird präzise ins Holz gesetzt und kann nicht verstellt werden. Dafür sind am Band keine Schrauben sichtbar, weil der Beschlag formschlüssig im Holz sitzt.

Wissen und Erfahrung

Viel Erfahrung mit Beschlägen und Metallelementen hat die Thut Möbel AG in Buchs ZH gesammelt: Dort sind die Entwürfe oft mit filigranen Metallteilen und Mechanismen versehen. Für den Dreh-Klapp-Tisch wurde eigens ein Alu-Kunststoff-Scharnier mit zwei Achsen entwickelt und bildet so zusammen mit dem Drehmechanismus der Platte das «Herzstück» des Möbelentwurfes. Denn durch das widerstandslose Auf- und Zuklappen der Eckplatten und dem Verdrehen der Tischplatte vergrössert sich die Tischplatte und bietet so Platz für bis zu acht Personen. Auch bei der Schreinerei Nut und Grat in Visp VS hat man sich vor einigen Jahren daran gemacht, einen eigenen Vollauszug zu kreieren. Das Besondere der Eigenentwicklung ist aus gestalterischer Sicht dessen Sichtbarkeit in der Front in Form eines Punktes aus Edelstahl.

Viel Wissen mit der Beschlagentwicklung für Kollektionsmöbel ist bei der Röthlisberger Schreinerei AG im bernischen Gümligen vorhanden. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür, wie ein Beschlag den Entwurf dominieren kann, ist das Regal «Duo» von Beat Karrer. Zwei Gestelle können dabei ineinandergeschoben werden, sodass sich das Regal in der Breite leicht verändern lässt. Möglich wird dies durch einen einfachen Schiebemechanismus, dessen Führung in einer Schiene jeweils an der Tablarunterseite verläuft.

Ziemlich verschiedene Welten

Wenn Schreiner Ramon Zangger einen neuen Beschlag will, erhält der Metallbauer entsprechende Skizzen, woraus er dann eine Werkzeichnung fertigt. «So kann ich die Dimensionen und alle anderen Punkte kontrollieren und besprechen. Manchmal muss ich dann auch noch etwas korrigieren», sagt Zangger. Denn die Denkart der Metallexperten scheint sich von jener der hölzigen Akteure doch etwas zu unterscheiden. «Eine Diskussion beschränkt sich meistens auf das Zusammenbringen der einzelnen Teile – schweissen, punkten oder schrauben», weiss Zangger. Deshalb sei wichtig, dass man als Entwerfer klare Vorstellungen davon habe, wie ein Beschlag funktionieren soll, wo der Drehpunkt beim Band sitzt und wie der Beschlag am Material befestigt werden soll. Dicken- und Breitenmasse kann man getrost dem Schlosser oder der mechanischen Werkstätte überlassen – hier wissen die Experten natürlich am Besten, was verarbeitbar und verfügbar ist.

«Am besten klappt die Zusammenarbeit, wenn der Metallbauer oder Polymechaniker eine gewisse Affinität zur gestalterischen Umsetzung hat», so Zangger. Dies ist jedoch eher selten, da es sich bei der Metallbranche weniger um ein gestaltendes Handwerk handelt.

Deshalb sollte man den Prozess mit kritischen Augen verfolgen, damit am Ende auch das rauskommt, was man sich zu Beginn vorgestellt hat. Hinzu kommt, dass der Metallbaubetrieb bei komplexeren Teilen auch die Kooperation mit anderen Spezialisten suchen muss. Je nachdem, wie die Ausstattung im Betrieb ist und um welches Material es sich beim Entwurf für einen Beschlag handelt. Für Nichtmetaller ist die Branche mit Schlossereien, Metallbauern, Drehereien, Fräsereien und Giessereien doch eher unübersichtlich.

Spezialisiert auf Spezielles

Im bayerischen Bad Feilnbach hat sich Klaus Eberhard auf die Fertigung von speziellen Bändern und Beschlägen in Edelstahl und Messing spezialisiert. Seinen Markt findet der Metallhandwerker überwiegend in Form von Beschlägen für Gesellen- und Meisterstücke. Inzwischen hat sich eine gewisse Anzahl an Modellen herausgebildet, eine kleine Kollektion in teils besonderer Ausführung. Neben Scharnierlösungen entwickelt Eberhard auch allerhand Kleinteile wie etwa Korpusverbinder mit edleren Zweilochschrauben.

Wird der Kunde im Sortiment nicht fündig, fertigt das Unternehmen das gewünschte Metallteil auf der Grundlage einer Zeichnung. Vorteil bei diesem Konzept ist die bisher entstandene Kollektion in Form von Kleinserien, was sich im Preis niederschlägt. So liegen diese zwar immer noch deutlich höher gegenüber industriell erzeugter Ware, doch schwindet die Differenz mithilfe der Kleinserienproduktion. Geht man von etwa 30 Franken für ein gekröpftes Lappenband in Edelstahl für Möbel aus, kostet ein spezielles Band in Edelstahl oder Messing vernickelt in etwa das Doppelte. Der Schreiner hat seinen Beschlag so zwar nicht exklusiv, dafür handelt es sich um eine bereits in der Praxis erprobte Lösung.

www.glaser-schlosserei.chwww.ramonzangger.chwww.thut.chwww.nutundgrat.chwww.roethlisberger.chwww.eberhard-designbeschlaege.de

ch

 

Veröffentlichung: 16. Februar 2017 / Ausgabe 7/2017

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