Krisen mit Kompetenzen bewältigen

Das Multishuttle-Lagersystem für Kleinteile bei der SFS Group Schweiz AG in Rebstein SG. Bild: SFS Group Schweiz AG

Lagerbewirtschaftung.  Die Pandemie hat die Herstellungs- und Lieferprozesse in den letzten zwei Jahren stark verändert. So sehr, dass sich die Händler in ihrem Vorgehen und mit ihren Lagern anpassen mussten. Der frühe Dialog mit den Kunden wird wichtig sein.

Manchmal kommt es anders, als man denkt. Und dann sind ein kühler Kopf und flexibles Handeln gefragt, was durchaus auch dazu führen kann, dass anschliessend ein paar Dinge ganz anders angegangen werden müssen. Doch das Ganze von vorne: Als Ende Februar 2020 der erste Coronafall in der Schweiz bekannt wurde, entstand erst einmal eine gewisse Unsicherheit. Man hatte von Fällen in anderen Ländern gehört und wusste nicht, was da auf einen zukommen wird. Würden Produktionen zurückgefahren oder sogar ganz geschlossen? Käme es dadurch zu Bauverzögerungen oder Baustopps mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen? Und wie könnten denn die Konsequenzen überhaupt aussehen, wenn doch alles erstarrt?

Unsicher, ob man reduzieren soll

Bei der Koch Group AG in Wallisellen ZH war man sich nicht klar, ob alles mehrheitlich normal weiterlaufen könnte oder ob es zu einem Einbruch im Beschlägehandel kommen würde. Der Ball wurde erst einmal flach gehalten und man wartete ab – befürchtet wurden Abbestellungen, wenn es wegen der Pandemie zu Baustellenschlies-sungen kommen sollte. So mancher Händler hatte zu dieser Zeit seine Lager eher etwas zurückgefahren. Umso grösser war dann die Überraschung, als ab Sommer 2020 die Nachfrage nach oben schoss. In der Schweiz wurde mehrheitlich normal, mit etwas grösserem personellen Abstand weiterproduziert. Wer konnte, arbeitete im Homeoffice, und durch die starke Einschränkung bezüglich Reisetätigkeit konnte auch in den Ferien nicht so viel Geld wie sonst ausgegeben werden. Viele haben da in ihrem Zuhause Dinge entdeckt, die nun mit dem ersparten Geld verändert werden sollten. Entsprechend der erhöhten Nachfrage bestellten alle Händler mehr und so, dass ihre Lager der neuen Situation standhalten konnten. Die wunderbare Situation, dass plötzlich so viele Leute in ihr Zuhause investieren wollten, hat die Branche aber teilweise auf dem falschen Fuss erwischt.

Überforderungen in den Produktionen

Die Hersteller konnten diesen plötzlichen Umschwung nicht mehr bewältigen, die Produktionen gerieten ins Stottern.

Allein die Abstandsregeln bewirkten, dass an manchen Orten nicht mehr alle Maschinen in einer Produktion normal bedient werden konnten und so nur ein kleinerer Ausstoss möglich war. Ausserhalb der Schweiz konnte nicht immer voll weitergearbeitet werden. Komponenten aus Übersee und Asien waren wegen der Auswirkungen der Pandemie weniger oder sogar gar nicht mehr erhältlich – und wenn doch, vervielfachten sich die Kosten der Containerfracht enorm. Grundmaterialien waren nicht mehr in der gewünschten Menge vorhanden. Die Auslagerungen von Fertigungsprozessen in andere Länder rächten sich nun, da immer wieder einzelne Komponenten zu einem Produkt fehlten.

Hamsterkäufe verschärften die Situation

Der logischerweise resultierende Anstieg der Lieferfristen und Kosten führte dazu, dass Kunden, wie Schreinereien, begannen direkt bei den Herstellern und zudem gleichzeitig an verschiedenen Orten zu bestellen und eigene Lager aufzubauen. Dieses veränderte Verhalten verschärfte die Situation nochmals stark. Die Hersteller begannen in der Folge ihre Lieferungen gegenüber ihren Kunden zu kontingentieren, was zu Teillieferungen führte.

Dass die angesprochenen Hamsterkäufe die Lage massiv verschärft haben, wird auch bei der SFS Group Schweiz AG in Heerbrugg SG bestätigt, obwohl der Händler einräumt, dass es durchaus auch Sinn mache, gewisse Schnelldreher in angemessenem Mass selber am Lager zu führen.

Bei der Woodpecker Group AG weist man darauf hin, dass auch eine Knappheit am Markt entstand, weil die Holzwerkstoffhersteller zu Beginn der Pandemie sehr schnell ihre Produktionen zurückgefahren hatten. Hätten die Produzenten normal weiterproduziert und die Kunden normal weiterbestellt, wäre alles normal durchgelaufen, ist man sich in allen drei Handelshäusern einig.

Stärkung der Inhouse-Produktionen

Es ist nicht so, dass die Hersteller einfach mehr produzieren konnten, denn dafür mussten auch betriebliche Möglichkeiten angepasst werden. Es wird neu auch versucht, ausgelagerte Teilproduktionen wieder inhouse herstellen zu können – aber auch dazu braucht es erst die entsprechenden Anlagen und Fachleute. Das bedeutet dann, dass solche Teile in der Herstellung etwas teurer und im Transport dafür günstiger sein dürften.

Die Händler haben mittlerweile einen sehr engen Kontakt zu ihren Lieferanten und ihre Lager haben sie so aufgestockt, dass ein sehr grosser Teil wieder in vernünftiger Zeit lieferbar ist. Das heisst: Wenn ein Produkt eine Lieferzeit von vier Monaten hat, dann liegt der voraussichtliche Bedarf möglichst für vier Monate am Lager. Die Lagerbewirtschaftung ist die zentrale Kompetenz des Handels, weshalb auch alle drei Firmen überzeugt sind, dass es sich für ihre Kunden nicht lohnt, eigene Lager zu führen.

So wird es zukünftig funktionieren

Die Lage in Europa ist bezüglich der Lieferfristen aktuell stabil, nur die Lieferzeiten aus Asien sind weiterhin unberechenbar. Das Gleiche gilt für die Preise, denn nach der Normalisierung der Teuerungszuschläge kommt die Weitergabe der Energiekostenzuschläge usw. – Angaben findet man auf den Websites. Die Zeiten der Just-in-Time-Lieferungen ist erst einmal vorbei, doch vieles ist wieder normal erhältlich und wird von den Händlern in überschaubarer Zeit kommissionsweise geschickt. Damit ist die Fehlerquote tiefer, als wenn aus dem Werkstattlager ergänzt werden muss. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass sich die Schreiner schon beim Beginn einer grösseren Planung mit den jeweiligen Händlern absprechen und dass sie die jetzige Situation auch unbedingt mit ihren Kunden besprechen.

www.koch.chwww.sfs.chwww.woodpeckerag.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 10. November 2022 / Ausgabe 45/2022

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