Mechanische Angriffe ohne Folgen

Fremde Flüssigkeiten werden fantastischerweise vom rohen Holz wieder herausgearbeitet, mechanische Beschädigungen nicht. Bild: Adler Lack AG

Kratzfestigkeit.  Mit kaum in der Dicke auftragenden Beschichtungen werden Holzoberflächen in vielerlei Hinsicht geschützt, aber auch gestaltet. Um diese optische Wirkung möglichst lange zu bewahren, müssen Lacke flexibel sein und immer widerstandsfähiger werden.

Holz hat ganz viele tolle Eigenschaften, weshalb es ja auch so beliebt ist und für verschiedenste Bereiche eingesetzt wird. Etwas Ausserordentliches ist beispielsweise der Um- stand, dass Flecken verschiedenster Flüssigkeiten mit der Zeit aus einer rohen Tischplatte wieder herausgearbeitet werden und fast ganz verschwinden. Die Inhaltsstoffe des Holzes machen dies im Zusammenspiel mit der Sonne möglich. Wer aber mit seinem Ehering mit Druck quer zum Faserverlauf über die Fläche fährt, hinterlässt eventuell eine bleibende Spur.

Verlängerter Werterhalt

Nur verhältnismässig wenige Menschen lieben jedoch dieses Ursprüngliche am Holz so sehr, dass sie warten wollen, bis die Flecken weg sind. Vielmehr wollen sie die Spuren herausschleifen. Auch soll das Altern des Materials möglichst hinausgezögert werden.Durch das Auftragen eines Lackfilms wird eine Oberfläche plötzlich abwaschbar, und die in modernen Produkten enthaltenen Lichtschutzmittel verringern oder verzögern zumindest die farbliche Veränderung der Holzoberfläche. Ein etwas intensiverer Grundfarbton sowie das leichte Glänzen verraten den Lackfilm und verhelfen dem Werkstück zu einer grösseren Wertigkeit.

Sehr dünner Schutzbereich

Der Begriff Film deutet schon darauf hin: Es handelt sich um eine sehr dünne Schicht. Wird diese verletzt, können Flüssigkeiten einsickern, sich darunter verteilen und sogar die Haftfähigkeit am Trägermaterial gefährden. Thermische Unterschiede können die Lackeigenschaften zudem beeinflussen und sich negativ auswirken.Verletzungen – auch nur leichte – haben immer die unangenehme Eigenschaft, dass sie sichtbar sind. Eine Kratzspur in einer sonst makellosen Fläche zerstört den ganzen visuellen Effekt. Und so liegt der Fokus bei den modernen Lacksystemen auch immer mehr bei der Oberflächenbeständigkeit gegen mechanische Einflüsse.

Tägliche Gefahren

Schon vor dreissig Jahren hat man von Ringfestigkeit gesprochen, wenn es um eine grundlegende Kratzfestigkeit ging. Hintergrund dabei war und ist, dass alleine schon das Abputzen einer Tischfläche mit der Hand zu Kratzspuren führen kann, wenn ein Ring getragen wird. Essbesteck ist in der Regel keine so grosse Gefahr wie beispielsweise ein Korkenzieher.Keramik und Porzellan haben immer eine leicht raue Aufstandsfläche und können daher beim Herumschieben ganz feine Kratzer verursachen. Ähnliches kann beim normalen Reinigen der Flächen geschehen, denn Krümel in Tüchern haben einen Scheuereffekt, Mikrofasertücher erzeugen bekanntlich einen starken Abrieb.

Wo es keine Kompromisse gibt

Bürotische werden in aller Regel nicht geschont. Zu sehr ist die Konzentration auf ganz anderen, viel wichtigeren Dingen. Der Aktionsbereich der Maus auf dem Tisch ist wohl die am meisten beanspruchte Zone. Nicht nur das Gerät schabt auf der Lack- fläche herum, auch Ärmel und Hemdknöpfe tun ihres noch dazu. Auch Dinge wie Büroklammern, Bostitch oder Locher werden eher unzimperlich bewegt. Stark beansprucht werden auch Ordnerregale oder Magnetwände. Im Bereich von Holzböden kommen dann noch Stuhlrollen und das Verschieben von Möbelfüssen hinzu – und für all das sollen die Lackhersteller das passende Produkt haben.

Angepasst entscheiden

Passend heisst immer auch der Situation und dem Trägermaterial angepasst. Der Hersteller Feyco AG aus St.Margrethen SG weist darauf hin, dass Lack und zu beschichtender Untergrund bezüglich Härte und Dehnungsvermögen zusammenpassen müssen. Konkret sind Weichhölzer wie Fichte druckempfindlich. Ein harter Lack würde also bei einer Belastung schnell reissen. Anders ist der gleiche Lack auf Buche oder Eiche optimal. So gesehen ist dann der Fichtenboden für den Einsatz von Bürostühlen wohl nicht so geeignet.Die Adler Lack AG aus Tuggen SZ sieht aber auch darin eine Gefahr, dass gerade die im Trend liegenden stumpfmatten und hochglänzenden Oberflächen im Vertrauen auf ihre Widerstandsfähigkeiten etwas fahrlässig eingesetzt werden. Gerade diese beiden Extreme sind für Tischplatten oder ähnlich waagrechte Anwendungen im Gebrauch als empfindlich einzuschätzen.

Der natürliche Hang zum Glänzen

Man unterscheidet bei matten Möbeloberflächen zwischen Kratzspuren mit einer Verletzung der Lackschicht und Aufglänzmarkierungen. Letztere ergeben sich, wenn die mikroraue Oberfläche durch die Kratzbelastung geglättet wird. Diese Spur glänzt dann etwas. Die mikroraue Oberfläche sorgt für diese faszinierende Lichtbrechung, die kaum noch Reflexe zulässt, und besteht normalerweise aus einer bis zwei dünnen Lackschichten. Verändert sich die Ober- flächenstruktur, verändert sich auch der Glanzgrad. Reparaturen sind deshalb sehr schwierig bis unmöglich. Und was sich in dieser Struktur ablagern kann, etwa Putzmittel, die auftragend sind, zerstört die Mattwirkung und muss wieder herausgewaschen werden.

Spiegelglatt

Spiegelähnliche Hochglanzflächen benötigen oft drei bis vier satte Lackaufträge mit anschliessendem Polieren, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Diese glatten Flächen täuschen Härte vor, da sie durch die Gleitfähigkeit nicht mehr so leicht verletzt werden können. Dennoch: Auch wenn der Lack wirklich sehr hart ist, können ganz feine Kratzer entstehen, welche die Fläche matter wirken lassen. Diese Mattstellen lassen sich aber allenfalls wieder rauspolieren. Ähnlich wie bei matten Flächen führen alle auftragenden Mittel zu Schlierenbildung. Die Fingerprint-Ausrüstung kann zwar recht verbrauchsfrei in die Lackmatrix eingebaut sein, wirken wird sie aber nur bei sehr geringen Mengen, wie sie normal auf Fingern vorkommen.

Unterschiedliche Kratzfestigkeiten

Verschiedene Materialien haben verschiedene Kratzfestigkeiten, gibt die Votteler AG in Schwarzenbach SG zu bedenken. Äusserst harte Flächen wie Diamanten sind unflexibel und somit brüchig, aber nicht zerkratzbar. Gummiartige Beschichtungen weichen durch ihre Elastizität der Krafteinwirkung aus. Fliessfähige Produkte optimieren nochmals, da sie kleine Kratzer selber heilen können. Dieser Reflow-Effekt ist mittels Nanotechnologie begrenzt bereits möglich. Der sonst stabile Lack ist dann so eingestellt, dass sich die Oberfläche mit dem Aufheizen durch die pralle Sonne wie fliessend wieder glätten kann.Die Kunst der Lackhersteller liegt darin, Beschichtungen zu schaffen, deren harte Nutzschicht gewissermassen elastisch eingebettet ist und die in Zukunft vielleicht sogar einen Reflow-Effekt bieten.

Transparenz, die weiterhilft

Wer alle oberen Ausführungen gelesen hat, sieht, dass es Sinn macht, sich mit seinem Lacklieferanten über die Umstände auszutauschen, um das richtige System für den gewünschten Einsatz zu erhalten – den Universallack gibt es nicht. Auch müssen Lack und Untergrund aufeinander abgestimmt sein, und letztendlich muss auch der Kunde informiert werden, wie insbesondere mit den Trendlackflächen umzugehen ist. Ohne die richtige Pflege wird die Freude sonst nicht lange anhalten.ab→ www.feycotreffert.comwww.adler-lacke.comwww.votteler.com

Veröffentlichung: 02. März 2017 / Ausgabe 9/2017

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