Mit 60 in die Schreinerlehre

Walter Wüthrich freut sich, als Schreiner etwas Greifbares zu erschaffen. Bild: Justus Ammann

Ausbildung.  Walter Wüthrich hat ein Berufsleben als IT-Ingenieur hinter sich. Anstatt in Pension zu gehen, hat er sich einen lange gehegten Wunsch erfüllt und als Lernender im Schreinerhandwerk eine neue Herausforderung gefunden.

Walter Wüthrich steht im Bankraum der Schreinerei Peterhans, Schibli & Co. im aargauischen Fislisbach und versieht das vor ihm liegende Werkstück mit dem nötigen Feinschliff. Seit einem halben Jahr erlernt der 60-Jährige mit sechs anderen, deutlich jüngeren Kolleginnen und Kollegen das Schreinerhandwerk.

Vom PC an die Säge

Während sein bisheriges Leben von Prozessoren und Algorithmen geprägt war, geben jetzt Hobel und Stemmeisen den Takt vor. Walter Wüthrich studierte an der ETH Elektrotechnik, war viele Jahre als Systemingenieur bei HP tätig und zuletzt als Projektleiter für den Aufbau der IT-Infrastruktur in Grossunternehmen verantwortlich. Es sei nicht so, dass er in seinem vergangenen Berufsleben unglücklich gewesen sei, im Gegenteil, er habe seine Arbeit gemocht, sagt er. Aber trotzdem fehlte etwas. Nämlich das Erschaffen von etwas Greifbarem.

Deshalb hat Walter Wüthrich in seiner Freizeit auch jede Gelegenheit genutzt, handwerklich zu arbeiten. «Egal, ob im Haus etwas zu bauen oder ein Haushaltsgerät zu reparieren war, ich habe selbst Hand angelegt. Schon als Kind habe ich alles demontiert und wieder zusammengesetzt.» So ist die Idee entstanden, im neuen Lebensabschnitt den Traum von der Handarbeit auf die solide Basis einer Ausbildung zu stellen. Und warum gerade Schreiner? «Die Wärme, das Lebendige des Holzes und die damit verbundene Schönheit der Produkte ist für mich besonders», begründet er.

Von den Kollegen gut aufgenommen

Rund drei Jahre war Walter Wüthrich auf der Suche nach einer Lehrstelle. Über einen Bekannten hat er schliesslich den Tipp bekommen, bei Peterhans, Schibli an der Badenerstrasse in Fislisbach anzufragen. «Wir haben uns gleich vorstellen können, ihn bei uns aufzunehmen», sagt Beat Peterhans, Geschäftsleiter bei Peterhans, Schibli. Er begründet den Entscheid mit der grundsätzlichen Haltung seines Unternehmens, immer wieder ungewöhnliche Wege zu beschreiten. So hat man sich auf ein 40-Prozent-Pensum geeinigt und darauf, dass er auf den Lehrabschluss verzichtet.

«Die Schulbank möchte ich nicht nochmals drücken, und auch etwas freie Zeit für meine Frau ist mir schon wichtig», fügt Walter Wüthrich an. Apropos Familie: Seine erwachsenen Kinder und die Ehefrau unterstützen Walter Wüthrich auf seinem neuen Weg. Und was diesen ebenso freut: Er ist von seinen jugendlichen Kolleginnen und Kollegen sehr offen und gut aufgenommen worden. «Natürlich bin ich nicht ihr Kumpel, aber sie begegnen mir mit freundschaftlichem Respekt für meinen Weg und unterstützen mich im Alltag kollegial.»

Alles, was dazugehört

So ist Walter Wüthrich jetzt zwei Tage pro Woche bei Peterhans, Schibli und arbeitet wie die anderen Lernenden im laufenden Betrieb mit, während er die Feinheiten des Handwerks erlernt. Dazu zählen auch alle überbetrieblichen Aus- und Fortbildungsmassnahmen wie Maschinen- oder Sicherheitskurse. «Diese sind mir sehr wichtig, weil ich schliesslich alles können will, was ein gestandener Schreiner heute können muss», sagt er. Als Hard- und Softwarespezialist freut er sich nicht zuletzt darauf, eines Tages am hochmodernen CNC-Fräszentrum arbeiten zu dürfen.

«Natürlich möchte ich nach Abschluss der Lehrzeit mein Wissen und Können auch anwenden», sagt er mit Blick in die Zukunft. Dies zwar sicherlich nicht kommerziell, aber die eine oder andere Anfrage aus dem Freundeskreis habe er schon.

www.peterhans-schibli.ch

AJ

Veröffentlichung: 10. Januar 2019 / Ausgabe 1-2/2019

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