Mit Sicherheit durch alle Kurven

Hier ist der Pfosten mit den Übergängen von rund zu rechteckig zu sehen … Bild: Andreas Brinkmann

Handläufe.  Menschen wandern mit Laufstöcken und sichern sich an schwierigen Stellen mit Karabinerhaken an vormontierten Stahlseilen. Treppen nehmen sie aber oft im freien Fall. Dabei gibt es Handläufe, die das Treppensteigen einfacher und sicherer machen.

Die Zeit läuft weiter, auch wenn manches so bleiben soll, wie es immer schon war. Das Hotel Post in Andeer GR ist einer Totalsanierung unterzogen und der heutigen Zeit angepasst worden. Und doch soll das über 100 Jahre alte Gebäude seine Geschichte auch zeigen. Wie zur damaligen Zeit üblich, wurden die vier Etagen durch eine Holztreppe verbunden, was brandschutztechnisch für ein modernes Hotel nicht mehr zulässig ist. Dennoch bestand der Wunsch, wieder eine «gleiche» Treppe, aber aus gedämpfter Lärche, einzubauen – nur diesmal mit einem verpackten Betonkern. Tritt- und Setzstufen sowie die Wandwangen wurden als Auflagen durch den Parkettbetrieb Köstinger AG aus Felsberg GR ausgeführt. Die Treppenbaufirma CNC Holz Group SA aus Filisur GR erhielt den Auftrag, ein identisches Geländer mit Freiwangen herzustellen. Diese wurden aus furnierten, nicht brennbaren, mineralischen Vermipan-Feuerschutzplatten gefertigt. Alle anderen Teile sind aus Massivholz.

Der Weg der Hand um die Kurve

Als besondere Herausforderung galten die fünf Pfosten, die das Geländer auf den Treppenpodesten weiterführen. Sie gehen aus einem rechteckigen Querschnitt in den rund verlaufenden, omegaförmigen Handlauf mit perfekt durchlaufender Steigung über. Das erfordert auf der Aussen- wie auch auf der Innenseite des Pfostens jeweils entsprechend gefräste Rundungen, damit die Hand eines Benutzers auch auf dem Treppenpodest in der gleichen Haltung den Griff beibehalten kann, ohne die Finger anzuschlagen. Damit die Steigung sowie die Ausrichtung der oberen Handlauffläche in einem Fluss weiterlaufen können, muss die Kurve des inneren und des äusseren Handlaufprofiles jeweils eine leichte, aber unterschiedliche S-Form in der Steigung aufweisen.

Weil die Freiwangen samt den Pfosten schon in einem früheren Baustadium gesetzt werden mussten, erhielten die Handläufe eine Schwalbenschwanzverbindung. So konnten sie später zusammen mit den Staketen von oben eingeschoben werden.

Ort mit hohem Gefahrenpotenzial

Die Hoteltreppe läuft so, dass der Handlauf beim Abwärtsgehen auf der rechten Seite liegt. Damit entspricht sie dem, was die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) empfiehlt, wenn nur einseitig ein Handlauf montiert wird.

Laut BFU verletzen sich in der Schweiz jährlich rund 53 000 Personen bei einem Sturz auf der Treppe. Das entspricht einem Fünftel aller Sturzunfälle. Berücksichtigt man, dass eine Person normalerweise nur sehr wenig Zeit auf einer Treppe verbringt, muss das Gefahrenpotenzial sehr hoch sein. Natürlich soll eine Treppe in erster Linie so gebaut sein, dass ihre Geometrie den geltenden Normen entspricht und sie bequem zu begehen ist. Dennoch müssen Benutzer ein Minimum an Konzentration aufwenden, um trotz jahrelanger Routine keinen Fehltritt zu machen. Die konstante Folge weiterer gleicher Stufen erlaubt es ihnen nämlich kaum noch, sich aufzufangen.

Sichern, bevor das Hindernis kommt

Wer beim Aufwärtsgehen stolpert, fällt auf die darüber liegenden Stufen. Wer abwärts läuft und stürzt, fällt oft ungebremst weiter. Ein stabiler Handlauf, an dem man sich mit einer Hand gut festhalten kann und der auf einer für die Person sinnvollen Höhe angebracht ist, kann einen Sturz verhindern. Weil die meisten Menschen die rechte Hand bevorzugen, ist der Handlauf auf der rechten Seite vorteilhaft – wie bei der Situation im Hotel Post in Andeer. Er muss aber auch dort schon greifbar sein, bevor die erste Stufe beginnt und nachdem die letzte überwunden ist. Das heisst: Der Handlauf reicht idealerweise bis 300 mm über den ersten und letzten Tritt hinaus.

Für jeden greifbar

Es gibt kleine und auch sehr grosse Menschen. Und es gibt keine ausdrückliche Norm für Handläufe, aber sie sind in Normen, Fachdokumentationen und Richtlinien mit aufgeführt. Von der BFU stammen wichtige Empfehlungen, die auch dann zum Tragen kommen, wenn die Normen keine Angaben machen.

So muss ein Handlauf auf einer Höhe montiert sein, die einen guten Kompromiss darstellt. Als praxistauglich werden 850 bis 900 mm vorgegeben – senkrecht von der vorderen Stufenoberkante bis oberkant Holm gemessen. Dieser sollte einen Durchmesser im Bereich von 35 bis 45 mm haben, damit alle Handgrössen auch richtig zupacken können. Als ideal wird ein runder oder ovaler Querschnitt betrachtet.

Die Suva ihrerseits gibt in den sicherheitstechnischen Anforderungen den Handlaufdurchmesser mit 25 bis 50 mm an, mit dem Hinweis, dass er im Normalfall nicht unter 40 mm liegen soll. Entlang des Holmverlaufes muss ein Freiraum von 75 mm gegenüber allen Hindernissen wie Wänden und Befestigungen vorhanden sein. Im normalen Umfeld gibt die BFU diese Distanz mit 50 mm an. Auch wird darauf hingewiesen, dass man mit den Fingern nicht an den Halterungskonsolen anschlagen darf.

Sicherung für Kinder

Handläufe sichern nicht nur vor einem Sturz, sondern helfen, das Gleichgewicht beim Treppengehen zu unterstützen und sich allenfalls beim Hochsteigen durch Ziehen mit dem Arm die Beine zu entlasten. Damit das auch bei Einschränkungen wie Gegenverkehr, mit Einkaufstasche oder Armschlinge geht, braucht es beidseitig der Treppe je einen Handlauf – das empfiehlt die BFU grundsätzlich.

Wenn Gebäude regelmässig oder mehrheitlich von Kindern benutzt werden, sollten Kinderhandläufe angebracht werden. Diese werden auf 650 mm Höhe positioniert und müssen für Kinderhände sicher greifbar sein – 35 mm im Durchmesser.

Funktionelle Gestaltung

Treppenhandläufe müssen auch gestalterischen Ansprüchen genügen und in die umgebende Architektur passen. Es kann somit eine Herausforderung sein, die Form des oberen Geländerabschlusses so auszubilden, dass ein gut greifbarer, haptisch durchgehend gleicher Handlauf entsteht. Die Gewa Holz GmbH aus Langnau im Emmental BE bietet beispielsweise standardmässig unterschiedliche Handlaufprofile in verschiedenen Dimensionen und Holzarten an. Und sie fertigt auch die entsprechenden Bogenteile, die für die jeweiligen Treppengeländer erforderlich sind.

Eine Spezialität der Firma ist zudem das Anfertigen von Profilen nach Kundenwunsch, denn Handläufe sollen ihre Aufgabe bezüglich Architektur gut erfüllen können. Und sie müssen ausserdem genug stark auffallen, damit sie jederzeit gut gesehen werden.

www.cncholz.chwww.bfu.chwww.suva.chwww.gewa.swiss

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 17. Juni 2021 / Ausgabe 25/2021

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